Protocol of the Session on March 12, 2003

Die Partei, der Sie angehören, meine Damen und Herren, und von der bisher in meinen Ausführungen vielleicht auch schon die Rede war – vielleicht auch nicht –, die CSU,

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Stockinger (CSU))

hat es in den letzten zehn Jahren geschafft, als Partei kein einziges Mal einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

(Lachen bei der CSU – Unruhe)

Das ist übrigens die Partei, die für sich im Vergleich mit der SPD und den GRÜNEN die größere Wirtschaftskompetenz in Anspruch nimmt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Prof. Dr. Stockinger (CSU): Thema!)

Seit zehn Jahren schafft die CSU keinen ausgeglichenen Haushalt, obwohl sie Millionen an Spenden von Leuten bekommt, die Millionen haben.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Stockinger (CSU))

Diejenigen, die Millionen haben und Ihnen Millionenspenden geben, wollen auch, dass Sie Politik im Interesse dieser Millionen machen, und diese Politik liefern Sie ab, meine Damen und Herren von der CSU.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hofmann (CSU): Haben Sie den Antrag schon einmal gelesen, Sie Quatschkopf?)

Sie selbst sind also wirtschaftlich unfähig, was Ihre eigenen Finanzen anbetrifft. Sie lesen aber die Bilanzen anderer Parteien, zum Beispiel die der SPD, und stellen fest: Die SPD hat im Gegensatz zu Ihnen verdammt wenig Spenden.

(Lachen bei der CSU – Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Sie hat verdammt wenig Spenden, absolut gesehen und im Verhältnis zu ihrem gesamten Haushaltsvolumen, und sie hat sie aus ganz anderen Gründen als Sie.

(Anhaltende Zurufe von der CSU – Unruhe)

Die SPD hat aber einen wachsenden Anteil an Erlösen aus unternehmerischer Tätigkeit, den sie in ihre Parteienfinanzierung einbringen kann, insbesondere aus ihren Verlagsbeteiligungen. Das heißt, die Erlöse der Verlagsbeteiligungen der SPD finanzieren inzwischen in einem erheblichen Umfang die SPD. Das wissen Sie; das wissen 99,99% der Wähler vermutlich nicht. Das ist Ihnen ein Dorn im Auge, weil Sie das nicht kompensieren kön

nen. Weil Sie das nicht direkt sagen wollen, verbrämen Sie Ihre Haltung mit einem dieser Texte, die Sie Anträge nennen. Das ist Ihre zweite Heuchelei.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Sollen wir die Anträge umformulieren?)

Wenn Sie das wirklich wollen, was Sie hier vorschlagen – ich komme noch im Einzelnen darauf zu sprechen –, müssen Sie sich in einem Punkt ganz genau überlegen, was Sie machen.

(Hofmann (CSU): Sollen wir umformulieren?)

Schade, dass der Dings,

(Hofmann (CSU): Ja, der Dings! – Lachen bei der CSU)

der Herr Generalsekretär, nicht da ist. Herr von Redwitz, ich als ewiger Bayernkurierleser meine es mit Ihnen ja gut. Bei der neuen Konstruktion des Bayernkuriers werden Sie von dem, was Sie da vorschlagen, selbst getroffen werden; denn Sie sprechen von direkten und mittelbaren Beteiligungen. Da ist auch der „Bayernkurier“ dran.

(Dr. Wilhelm (CSU): Warum nicht? – Willi Müller (CSU): Beim Bayernkurier weiß jeder, dass er von der CSU ist!)

Wenn Sie allerdings wollen, dass damit der „Bayernkurier“, der auch in der neuen Form noch Defizit macht und Ihnen auf der Tasche liegt, sozusagen wegrationalisiert wird, und wenn Sie daneben auch noch den „Vorwärts“ kaputtmachen wollen, dann müssen Sie das hier deutlich sagen und dürfen das nicht mit diesen Anträgen verbrämen.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Stockinger (CSU): Was soll denn das?)

Gehen wir Ihre Ausführungen der Reihe nach durch.

(Unruhe bei der CSU)

Die SPD ist 140 Jahre alt und hat im Laufe ihrer Geschichte Erfahrungen gemacht. Eine ihrer historischen Erfahrungen noch im 19. Jahrhundert war, dass kapitalkräftige Personen und Organisationen ihr Kapital eingesetzt haben, um im damaligen Meinungskampf via Presse – das war damals ihre einzig nennenswerte Verbreitungsmöglichkeit – ihre Positionen zu vertreten. Es wurde nie bestritten, dass sie das dürfen. Die SPD hatte aber damals keine Möglichkeit, ihre Meinungen in gleicher Weise in den Meinungskampf einzubringen, der damals geherrscht hat; das war ganz offensichtlich. Deshalb musste sie ein strategisches Interesse daran haben, an eigene Zeitungen oder an Beteiligungen an Zeitungsverlagen zu kommen. Dieses Interesse hat sie konsequent verfolgt. Daraus resultieren – von der Weimarer Republik bis hin zur Nachkriegszeit – über 90% der heutigen Beteiligungen der SPD. Die Nazis haben uns Sozialdemokraten diese Beteiligungen wieder weg

genommen, und wir mussten sie uns hart wiedererkämpfen. Das müssen Sie bitte berücksichtigen.

Deshalb wollen wir als geschichtsträchtige Partei uns nicht so ohne weiteres nolens volens von dem trennen, was mit unserer Geschichte, unserem Selbstverständnis und mit unserer Erfahrung zu tun hat. Wir haben nun die Erfahrung gemacht, dass wir keine Möglichkeit haben, unsere Meinung darzustellen, wenn wir ausschließlich kapitalgebundenen Interessen gegenüberstehen, welche sich in der Zeitungslandschaft wiederspiegeln. Das ist die historische Erfahrung der SPD.

(Beifall bei der SPD)

Daraus ist über viele Umwege, die hier nicht zu erläutern sind, das geworden, was heute die Medienbeteiligung der SPD ist. Es ist weit weg von dem, was Herr Huber und andere erzählt haben. Deshalb hat auch die einstweilige Verfügung, die wir erwirkt haben, ihren Dienst getan.

Die Wahrheit sieht wie folgt aus: Ich habe hier eine Darstellung des Instituts Format, eines allgemein anerkannten Instituts zur Bewertung von Mediensituationen. Unter den deutschen Verlagsgruppen steht an erster Stelle der Axel-Springer-Verlag und an elfter Stelle die DDVG mit einem Marktanteil von 1,9% – das ist etwas weniger als die zehn, die Sie genannt haben – mit einer Auflage von 434974. Diese Zahlen nenne ich nur für das Protokoll. Die Darstellung ist knapp ein Jahr alt. Das ist der wahre Hintergrund. Es gib ein einziges Blatt – vom Sonderfall „Frankenpost“ sehe ich einmal ab –, bei dem die DDVG eine Beteiligung von über 50% hat. Es ist die „Neue Westfälische“.

Zum Sonderfall „Frankenpost“ will ich Folgendes sagen: Leider kann man hier und heute in der Öffentlichkeit nicht vollends das erzählen, was tatsächlich vorgefallen ist.

(Willi Müller (SPD): Warum kann man das nicht?)

Ich bin gerne bereit, es Ihnen unter vier Augen zu sagen. Sie dürfen mir aber glauben, dass keiner daran interessiert ist, die Beteiligung an einem Verlag, welcher solche Zahlen schreibt, wie wir sie kennen, von 30% auf 100% zu erhöhen. Ich kann hier nicht sagen, welche Zahlen geschrieben werden. Wenn die Beteiligung dennoch erhöht wird, dürfen Sie mir glauben, dass es dafür nur einen einzigen Grund gibt: Dieses Verlagshaus und die damit verbundenen Arbeitsplätze sollen in einer schwierigen Situation und in einer schwierigen Region erhalten bleiben. Das war das Motiv und sonst gar nichts.

(Beifall bei der SPD)

Herr König, bringen Sie uns morgen einen Investor, der bereit ist, die 70%-Anteile zu übernehmen. Sie können Sie übermorgen wieder haben. Ich sage das nur, damit klar ist, worüber wir hier reden. Eigentlich müsste die DDVG aufs Höchste dafür belobigt werden, statt dass sie von Herrn Huber auf das Übelste beschimpft wird, dass wir nur nach Medienmacht oder Ähnlichem mehr trachten würden.

(Beifall bei der SPD – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Herr König ist sicher daran interessiert, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben!)

Ihr Antrag geht in der Sache ins Leere. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes und auch nach fachgutachtlichen Aussagen ist es unbestritten, dass die Parteien als juristische Personen am allgemeinen Erwerbsleben und am Geschäftsleben teilnehmen können. Es stellt sich nur die Frage, ob dazu auch die Medienbeteiligung gehört. Diese Frage ist mehrfach in Symposien und sogar in Dissertationen behandelt worden. Am Ende kommt immer wieder das Gleiche heraus. Dennoch hat die Union diese Kampagne schon 1998 geführt.

Der Bundespräsident hat daraufhin eine Kommission eingesetzt, die das Instrumentarium der Parteienfinanzierung untersuchen sollte. Die Kommission unter Vorsitz von Frau Hedda von Wedel, die nicht unserer Partei angehört, hat auch zu diesem Komplex umfänglich Stellung genommen. Das Elaborat ist wirklich sehr ergiebig. Ich kann es Ihnen zwar nicht insgesamt vorlesen, aber ich komme nicht umhin, daraus zu zitieren, um Ihnen die Seriosität der Quelle und die Klarheit der Ausführungen deutlich zu machen. Im Abschlussbericht wird die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der unternehmerischen Tätigkeit der Parteien auch im Hinblick auf den Medienbereich ausdrücklich bestätigt. Wörtlich heißt es:

Die Parteien sind als Vereine des Bürgerlichen Rechts wie andere juristische Personen auch Träger von Grundrechten, soweit diese „ihrem Wesen nach“ auf sie anwendbar sind (Artikel 19 Absatz 3 GG). Zwar können sich aus der besonderen verfassungsrechtlichen Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken (Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG), Einschränkungen dieser Grundrechtsgeltung ergeben. Diese bedürfen aber einer besonderen Rechtfertigung. Allerdings dürfte sich die besondere verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung kaum jemals im Sinne einer völligen Verdrängung der Grundrechtsgeltung auswirken können, also zu einem völligen Verbot unternehmerischer Tätigkeit führen....Parteien sind Träger des Grundrechts der Eigentumsfreiheit, das nicht nur das Eigentum selbst, sondern auch dessen wirtschaftliche Nutzung schützt. Die (erwerbs-)wirtschaftliche Tätigkeit von Parteien ist somit grundsätzlich von Artikel 14 Absatz 1 GG geschützt.

Das gilt für den „Bayernkurier“ und auch für andere.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Hoderlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn ich noch Zeit habe, gerne. Zu den Beteiligungen im Medienbereich will ich auch zitieren aus dem Bericht der Parteienkommission unter Vorsitz von Hedda von Wedel, die alles andere als der SPD nahe stehend ist:

Parteien sind unbestritten Träger der in Artikel 5 Absatz 1 GG gewährleisteten Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit. Zum sachlichen Schutz

bereich der Pressefreiheit gehört auch der unternehmerisch-wirtschaftliche Sektor, also die Begründung von und die Beteiligung an Unternehmen, die Presseerzeugnisse herstellen.... Es wäre also widersinnig, Parteien ausgerechnet im Bereich des Pressewesens eine Betätigung verwehren zu wollen.

Auch der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt der Chancengleichheit der Parteien kann, wenn eine Partei sich im Bereich des Pressewesens erfolgreicher etabliert hat als andere, darüber hinausgehende Einschränkungen nicht rechtfertigen. Denn der Staat darf die von ihm vorgefundene Wettbewerbslage zwischen den Parteien nicht durch Eingriffe verfälschen. Zu dieser Wettbewerbslage gehört es nicht nur, wenn Parteien aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung

das ist interessant, meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie zu! –

eher Bezieher von mittleren oder höheren Einkommen ansprechen und demzufolge in der Lage sind, von diesen auch größere Spenden- oder Beitragseinnahmen zu erzielen. Zu dieser vom Gesetzgeber zu respektierenden Wettbewerbssituation zählt auch ein etwaiger größerer wirtschaftlicher Erfolg, den eine Partei zum Beispiel aufgrund ihrer im Laufe der Parteigeschichte gewachsenen Strukturen hat erzielen können.

Sie von der CSU erzielen Einnahmen aus Spenden von Freunden, die viel Geld haben. Wir erzielen Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, weil wir von Wirtschaft etwas verstehen. Eins zu eins, meine Damen und Herren!