Protocol of the Session on March 11, 2003

Zuerst wird im Finanzministerium mit Unterstützung der CSU im Bayerischen Landtag entschieden, dann wird es verabschiedet, ohne darüber nachgedacht zu haben, ob das gut, passend und richtig ist. Das war auch bei der Altersteilzeit so, die am 1. September 1999 in Bayern großmundig eingeführt wurde. Die Altersteilzeit, so der Finanzminister, leistet einen wichtigen arbeitsmarktpolitischen Beitrag. Wenn der Beitrag so groß gewesen wäre und wenn Sie nach wie vor dazu stehen würden, Herr Finanzminister, dann wäre diese Altersteilzeit nicht bereits ein Jahr später wieder verschlechtert und zwei Jahre später, also jetzt im Rahmen der Haushaltsberatungen nochmals massiv beschnitten worden.

Am 30. Juli 2002 beschloss das Kabinett, die Möglichkeit der Antragstellung auf Altersteilzeit auf das 58. Lebensjahr anzuheben. Bisher wäre dies mit 56 Jahren möglich gewesen – im Juli 2002 hieß es: 58 Jahre. Die Begründung war, dass die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sonst nicht mehr gewährleistet wäre, und wir nicht auf die Menschen verzichten können, die ein so hohes Wissen haben. Herr Finanzminister, wenn man jahrelang die Ausbildungsbereitschaft so in den Keller gefahren hat, wie das die Staatsregierung gemacht hat, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn kein Nachwuchs mehr vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Altersteilzeit wurde größtenteils von den Beschäftigten selbst finanziert: Folgebeförderungen fanden nicht statt, die Altersermäßigung, die AZV-Tage, fielen weg, Neueinstellungen fanden nur im Eingangsamt statt. Die Staatsregierung hatte mit der Altersteilzeit also keinerlei Kosten. Trotzdem findet diese Verschlechterung statt. Auf Bundesebene können die Beschäftigten mit 55 Jahren in Altersteilzeit gehen. In Bayern ist dies nun erst ab 60 Jahren möglich. So viel zu dem, wie sich die Beschäftigten auf die Staatsregierung verlassen können. Von Vertrauensschutz kann nicht mehr die Rede sein.

Auch das Parlament kann sich nicht auf die Staatsregierung verlassen. Da lässt das Finanzministerium das Parlament zwei Monate lang beraten und stellt dann fest: Im Haushalt fehlen 800 Millionen e für 2003 und 809 Millionen e für 2004. Um die Deckungslücke auszugleichen, müssen nun die Beschäftigten ein Drittel des Fehlbetrages füllen: über die angedachte Nullrunde, 21,5 Millionen e durch Anhebung der Antragsaltersgrenze auf das 64. Lebensjahr und 28,5 Millionen e bei der Beihilfe, für das Jahr 2004 sogar 55,5 Millionen e bei der Beihilfe. Ich erinnere daran: Alle diese Sparmaßnahmen wurden durch einen Beschluss der CSU-Landtagsfraktion untermauert und mit der Mehrheit dieser Fraktion gegen die Stimmen der Opposition im Landtag verabschiedet.

Nun stellt sich die Staatsregierung wieder als Retter hin. Die Dinge, die sie vor einigen Monaten verbrochen hat, will sie nun wieder etwas sanieren, vor allem im Bereich der Beihilfe. Bei der Beihilfe hat sich nämlich gezeigt, wie

die angeblich so familienfreundliche Politik der CSU aussieht. Da geht diese CSU her und beschneidet die Beamtinnen und Beamten bei den bisherigen Leistungen bei Krankenhausaufenthalt, indem jeder Beamte und jede Beamtin künftig 60 e pro Tag zuzahlen müssen. Auch diejenigen, die oft längere Zeit im Krankenhaus verbringen müssen, wie zum Beispiel schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen, Alte, dauerhaft, chronisch erkrankte Menschen, Menschen, die sowieso schon zum Teil benachteiligt sind, werden mit diesem erhöhten Zuschlag von 60 e pro Tag noch mehr belastet, und das zum Teil über Wochen und Monate hin.

Vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind ganz massiv betroffen. Ich werfe Ihnen besonders vor, dass Sie diesbezüglich nicht nachgedacht haben, sondern wieder zuerst gehandelt haben und jetzt feststellen, dass Sie Arbeitnehmerfamilien in eine wirtschaftlich sehr schwierige Situation getrieben haben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bisher Beihilfe erhalten haben und sich zusätzlich versicherten, können künftig nicht mehr Beihilfe erhalten. Das bedeutet, dass sie sich und ihre Familienangehörigen freiwillig versichern müssen. Das bedeutet für Beschäftigte zum Teil Einbußen von 300 e im Monat, in manchen Fällen von 500 e. Zum Teil müssen diese Beschäftigten 700 e pro Monat mehr an Versicherungsleistungen erbringen; sie müssen zum Teil ein Drittel ihres bisherigen Nettogehaltes für Versicherungen aufbringen. Das bedeutet, dass manche Familien – wir hatten im Landtag Petentinnen und Petenten geladen – zum Teil mit einem Nettogehalt von 400 bis 500 e auskommen müssen, auch Familien mit vier Kindern. Das zur familienfreundlichen Politik der CSUStaatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

Frau Naaß, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. Sie haben schon eine Minute überzogen.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. Das sind Kürzungen, die wieder einmal zeigen, was Schnellschüsse bedeuten, die nicht überdacht worden sind. Ich frage mich: Wie viel sind dem Staat seine Beschäftigten überhaupt wert? Wie weit können sich die Beschäftigten auf ihren Arbeitgeber überhaupt noch verlassen? Findet nicht eine ganz massive Verletzung der Fürsorgepflicht statt?

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner: Herr Kollege Dr. Eykmann. Wird dies auch ein 10-Minuten-Beitrag, Herr Kollege Eykmann? –

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich den Ausführungen der Frau Kollegin Naaß widme, möchte ich doch gern eine Frage an die SPD stellen: Hat die Gewerkschaft Verdi die bayerische SPD so im Griff, dass sie vorher mit Ihnen ein Pressegespräch zu dieser Aktu

ellen Stunde führt und Sie auf diese Weise gebrieft werden?

(Beifall bei der CSU – Gartzke (SPD): Das stinkt euch!)

Das habe ich in diesem Parlament zum allerersten Mal erlebt.

(Zuruf von der SPD: Mei oh mei! – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn mit der gemeinsamen Pressekonferenz mit Herrn Rodenstock? Würden Sie mir das bitte sagen? Mein Gott!)

Sie haben sich mit der Gewerkschaft Verdi vorher zu einem Pressegespräch getroffen und haben dort versucht, die Dinge darzustellen, die Sie jetzt gerade ausgeführt haben. Sie hätten sich das Pressegespräch sparen können. Verehrte Frau Kollegin Naaß, Sie hätten den Pressevertretern Ihre Rede vom Dezember 2002 zeigen sollen, die abgedruckt ist. Sie haben heute nämlich genau die gleiche Rede wie damals gehalten. Dadurch, dass Sie sich wiederholen, wird es nicht besser.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Stahl, von Ihnen habe ich im Moment noch gar nicht gesprochen – seien Sie einmal vorsichtig. Das wird noch viel schlimmer.

Ich frage mich jedenfalls: Was ist das eigentlich für ein parlamentarisches Selbstverständnis der SPD, wenn sie Funktionären vorher sagt, was sie nachher im Hohen Hause sagen will? Ich rate Ihnen, einmal die Memoiren, die Erinnerungen von Willy Brandt durchzulesen und dort den klugen Satz zu beherzigen:

„Leider haben wir in Deutschland eine beträchtliche Fähigkeit, uns Fäden zu ziehen, über die wir dann stolpern.“ Zitat Ende. Ich behaupte, Sie stolpern nicht mehr, sondern Sie straucheln und fallen sogar. Ich denke da nur an die letzten Wahlen in der Bundesrepublik.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben gefragt: Was ist los im öffentlichen Dienst in Bayern?

(Wörner (SPD): Der Teufel!)

Darauf gebe ich die Antwort: Großartige Leistungen werden auf allen Verwaltungsebenen im öffentlichen Dienst erbracht. Ich kenne mich auf diesem Gebiet aus. Ich behaupte: Es gibt keinen besseren öffentlichen Dienst als den in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte noch einmal an meinen Gedanken mit der Gewerkschaft anknüpfen: Ihnen ist doch bekannt, dass in der SPD-Bundestagsfraktion drei Viertel der dort tätigen Damen und Herren in der Gewerkschaft sind. Jetzt versuchen Sie, diese Politik in Bayern umzusetzen.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Wörner, warum sind Sie so nervös? – Dann haben Sie die Frage gestellt, ob die Staatsregierung ihre Hausaufgaben erledigt habe. Ich glaube nicht, dass Parlamentarier, Sie, ich oder die Staatsregierung, zu Hausaufgaben genötigt werden müssen.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich mich recht erinnere, haben wir der Rede von Frau Kollegin Naaß relativ ruhig zugehört.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die hat auch nicht soviel Käse erzählt!)

Noch einmal zu den Hausaufgaben: Wenn Sie dieser Aktuellen Stunde einen vernünftigen Titel gegeben hätten, zum Beispiel „Zukunft des öffentlichen Dienstes“, hätten wir mit Ihnen darüber sprechen können. Dann hätten wir zum Beispiel angeführt, dass Herr Wowereit und Frau Simonis das Beamtentum, für das Sie sich so einsetzen, abschaffen wollen. Ich werde mich dem Beispiel unseres Herrn Bundespräsidenten anschließen und künftig häufiger ein Bibelzitat bringen. Ich habe Matthäus 6, 1 herausgesucht. „Hütet euch davor, Gutes nur deshalb zu tun, um von den „Funktionären“ bewundert zu werden.“ Das können Sie bei Matthäus 6, 1 nachlesen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Naaß, Sie haben in Ihrer Rede fairerweise die 800 Millionen Euro Steuermindereinnahmen erwähnt, die im November respektive im Dezember bekannt geworden sind und in der Nachschubliste der Staatsregierung für den Doppelhaushalt ausgeglichen werden mussten. Wenn Sie korrekt nachrechnen, müssten von diesen 800 Millionen eigentlich 336 Millionen aus dem öffentlichen Dienst für das Jahr 2003 gestrichen werden, da wir eine Personalquote von 42% haben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Tatsächlich sind nur 28 Millionen gestrichen worden. Ich möchte auf diesen Sachverhalt besonders aufmerksam machen.

Da wir diese Steuereinnahmen in Höhe von 800 Millionen nicht gehabt haben, wird offenkundig, dass wir es mit einer miserablen Wirtschaftspolitik der SPD auf Bundesebene zu tun haben. Sie war der Grund für diese fehlenden Steuereinnahmen. Der Grund war nicht, dass irgendwelche Menschen in Bayern den Beamten etwas nehmen wollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt ein Thema, auf das ich näher eingehen möchte, damit Sie mir nicht vorwerfen können, ich hätte mich davor gedrückt. Ich meine das Thema „Anhebung der Altersgrenze für die Teilzeit auf 60 Jahre“. Sie wissen, dass dieses Thema ein „Lieblingskind“ von mir war. Im Landtagswahlkampf 1998 wurde es verkündet. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern haben wir die Altersteilzeit zum 1. September 1999 eingeführt. Dieses System beruhte von Anfang an auf der Kostenneutralität. Die Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass die Altersteil

zeit nicht mehr kostenneutral zu leisten ist. Wir haben deshalb offen und deutlich gesagt, dass die Altersteilzeit in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr möglich ist. Das ist doch nur recht und billig.

(Strasser (SPD): Sie haben es aber versprochen!)

Verehrter Herr Kollege Strasser, das ist ein Punkt, den Sie schon bei der Rentenversicherung nicht kapiert haben: Wir mussten den demografischen Faktor einführen. Wir haben damit sicherlich auch Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger, die Beamtinnen und Beamten geschaffen. Wir verschleiern das nicht, sondern stehen dazu.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte dazu noch anmerken, dass ein Mensch mit 60 Jahren noch nicht am Ende seiner Kräfte ist. Ich bin in diesem Hause fast der älteste Abgeordnete, aber Sie können sehen, was ich für ein Jungbrunnen bin. Sie sehen also, was ein Mensch über 60 Jahre noch alles leisten kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme damit zu dem schwierigen Thema der Beihilfen bei den Arbeitnehmern. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam der Auffassung sind, dass es ordnungspolitisch falsch ist, wenn Arbeitnehmer Beihilfe bekommen. Das ist ordnungspolitisch nicht in Ordnung. Dennoch ist festzuhalten, dass vor 20 bis 30 Jahren hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrenze Personen, die einmal Beamte waren und dann Angestellte geworden sind, angeboten wurde, in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln oder in der privaten Krankenversicherung zu bleiben. Im letzteren Fall haben sie die Beihilfe bekommen. Durch den Haushaltsbeschluss sind hier gravierende und kritische Fälle aufgetreten, die durch einen Beschluss der CSU-Landtagsfraktion und eine Kabinettsvorlage gelöst werden. Die Frage ist, ob diese Fälle umfänglich genug gelöst worden sind. Deshalb würde ich der SPD und den GRÜNEN raten, über ihre eigenen Dringlichkeitsanträge nicht abstimmen zu lassen, sondern sie in den Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes zu überweisen, damit sie dort im Rahmen der konkreten Gesetzesberatung behandelt werden können.

Wenn ich mir die beiden Anträge ansehe, stelle ich fest, dass sie noch nicht vollkommen fertiggestellt sind. Einige Dinge fehlen in diesen Anträgen. Insofern wären Sie gut beraten, wenn Sie die Anträge nicht zur Abstimmung stellten, sondern sie in den Ausschuss überweisen ließen. Eines ist sicher: Für die Personen, die damals die private Krankenversicherung gewählt haben, muss ein Bestandsschutz geschaffen werden. Ich vermute, dass dieser Punkt sowohl im Kabinettsbeschluss als auch in dem noch vorzulegenden Gesetzentwurf berücksichtigt sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich der SPD den Rat geben, weiterhin solche Aktuellen Stunden zu beantragen. Als ich das Thema dieser Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich mich an de Gaulle und Cohn-Bendit erinnert. Nach den Studentenunruhen in Paris wurde Cohn-Bendit vom Innenminis

ter des Landes verwiesen. De Gaulle, der zu spät davon erfuhr, ließ den Minister zu sich kommen und machte ihm den Vorwurf: „Soviel hätten Sie begreifen müssen, dass Cohn-Bendit mein bester Wahlhelfer ist.“ Ich kann der SPD nur empfehlen, weiterhin solche Aktuellen Stunden zu beantragen. Sie wären dann für uns der beste Wahlhelfer am 21. September.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Sprinkart.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Den Flurschaden, den die Staatsregierung mit ihren Kürzungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst angerichtet hat, kann man mit zwei Worten umschreiben: Vertrauensbruch und Demotivation.