Protocol of the Session on December 12, 2002

(Unterbrechung von 12.24 bis 12.26 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung wird wieder aufgenommen. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Ja-Stimmen 65, Nein-Stimmen 97, keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs hat der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen acht Änderungsanträge zur Ablehnung empfohlen. Ich darf insoweit auf den Teil II der Ihnen vorliegenden Liste verweisen.

(siehe Anlage 2 Teil II)

Diese zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsanträge stelle ich jetzt insgesamt zur Abstimmung. Wer seinem Abstimmungsverhalten bzw. dem der jeweils eigenen Fraktion im federführenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag das ablehnende Votum des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen.

(siehe Anlage 2 Teil II)

Zum Gesetzentwurf empfiehlt der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 14/11169. Wer dem Gesetzentwurf mit diesen und den im Änderungsantrag auf Drucksache 14/11208 enthaltenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann lasse ich so abstimmen.

Wer dem Gesetzentwurf mit den vom federführenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen vorgeschlagenen und den im Änderungsantrag auf Drucksache 14/11208 enthaltenen Änderungen seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen bitte ich, auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Das Gesetz ist damit mit den vom federführenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen vorgeschlagenen und den im Änderungsantrag auf Drucksache 14/11208 enthaltenen Änderungen angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2003 und 2004 (Haushaltsgesetz 2003/2004)“.

Neben dem Änderungsantrag auf Drucksache 14/11208 haben durch die Annahme des Gesetzes in der Fassung des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen die Änderungsanträge auf den Drucksachen 14/10949, 14/10975, 14/10991, 14/11044 und 14/11050 ihre Erledigung gefunden. Das Hohe Haus

nimmt davon zustimmend Kenntnis. Die Haushaltsberatungen sind abgeschlossen.

Es gibt eine Bitte des Stenografischen Dienstes. Die Niederschriften der heutigen Sitzung sind nicht mehr bis zum Sitzungsende fertigzustellen, weshalb Sie den Rednern im Plenarsaal auch nicht mehr zugestellt werden können. Aus diesem Grunde bitte ich die Redner, von den am Rednerpult aufliegenden gelben Formularen Gebrauch zu machen, falls Sie die Niederschriften an eine Adresse außerhalb des Hauses zur Korrektur übermittelt haben wollen.

Ich komme zurück auf Tagesordnungspunkt 10. Offen sind insoweit noch die Listennummern 4 sowie 54 bis 57, zu denen Einzelberatung beantragt worden ist.

Ich rufe auf.

Listennummer 4

Antrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Münzel, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Abitur ermöglichen (Drucksache 14/7728)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Münzel.

Herr Präsident, ich möchte gleich namentliche Abstimmung über diesen Antrag beantragen.

(Unruhe)

Damit einmal deutlich wird, wer wo steht.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir beruflich Hochqualifizierte – das sind nicht nur die Meister und Meisterinnen – mit Abiturienten und Abiturientinnen gleichstellen und ihnen den Hochschulzugang ohne Abitur ermöglichen. Erst dann ist die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung tatsächlich erreicht. Die berufliche Ausbildung ist dann genauso attraktiv wie der Weg über das Gymnasium. Ohne zusätzliche Prüfungen kann die Hochschule erreicht werden. Das Abitur ist dann nicht mehr der Königsweg. Für dieses Vorgehen sprechen mehrere Gründe:

Erstens. In unserer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft werden an die Beschäftigten hohe Anforderungen gestellt. Diese hohen Anforderungen können nur durch gesteigerte berufliche Weiterbildungsbemühungen bis hin zum Hochschulstudium erfüllt werden. Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der jüngsten bildungspolitischen Debatte nennen. Die Kindergärten werden in der Zukunft verstärkt einen Bildungsauftrag erfüllen müssen. Individuelle Entwicklungspläne für jedes Kind müssen erstellt, evaluiert und angepasst werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass zumindest die Leiterinnen von Kindergärten in der Zukunft ein Studium absolvieren müssen, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Dieses sollen die Erzieherin

nen aufnehmen können, ohne dass sie vorher das Abitur auf irgendeinem Weg nachgemacht haben. Auch für die leitenden Pflegekräfte oder Physiotherapeuten ist ein Hochschulzugang notwendig.

Zweitens. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass nur durch das Abitur Studierfähigkeit vermittelt werden kann. Ich habe mir einmal angesehen, wie hoch die Abbrecherquote in den einzelnen Studiengängen ist. Ich nenne Ihnen einige Zahlen aus den Universitäten. In den Sprach- und Kulturwissenschaften brechen 41% ab, in der Informatik 37%, in der Geographie 36%, im Bauwesen 35%, in den Wirtschaftswissenschaften 31%, in Kunst 30% und in Jura 27%. An den Fachhochschulen sieht es auch nicht besser aus. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Mathematik/Naturwissenschaften 34%, Wirtschaftswissenschaften 25%, Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften 24%, Sprach- und Kulturwissenschaften 22%. Das sind deutschlandweite Zahlen, aber Sie von der CSU gehen auch in Bayern von einer durchschnittlichen Abbrecherquote von 30% bis 40% aus. Mit dieser Abbrecherquote haben Sie auch Ihre Forderung nach Eignungstests untermauert.

Im Zusammenhang mit Ihrer Forderung nach Eignungstests haben Sie von der CSU immer argumentiert, dass sich viele junge Menschen vor Aufnahme des Studiums mit den Anforderungen des angestrebten Fachs kaum auseinander setzen. Sie würden nicht genau überlegen, welche die für den gewünschten Studiengang erforderlichen speziellen Eigenschaften sein könnten und ob sie diese Eigenschaften besitzen. Sie würden einfach anfangen und die Sache einfach einmal ausprobieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass die beruflich Hochqualifizierten viel besser einschätzen können, was auf sie zukommt und ob sie den Anforderungen gewachsen sind, da sie sich schon intensiv mit den Anforderungen ihres Berufs auseinander gesetzt haben. Angesichts der hohen Abbrecherraten von Studierenden halte ich es für ziemlich verwegen, den beruflich Hochqualifizierten die Studierfähigkeit abzuerkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schlechter werden sie es auch nicht machen. Ich vermute, sogar besser. Auch für die Universitäten ist es ein Gewinn, wenn die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger aus der beruflichen Bildung für die Universitäten gewonnen werden können. Das erscheint auch notwendiger denn je, schaut man in den neuen Bildungsbericht der OECD. Dieser stellt fest, dass Deutschland mit 30% eines Jahrgangs, die ein Studium beginnen, international hinterherhinkt. Bayern ist diesmal nicht besser als der deutsche Durchschnitt, sondern schlechter.

Minister Zehetmair argumentiert in diesem Zusammenhang, dass die OECD-Studie nicht repräsentativ ist, weil wir mit dem dualen System ein anderes berufliches Ausbildungssystem haben. Damit hat er sicherlich Recht. Ein Teil der potenziell Studierdenen, die in anderen Ländern zur Universität gehen, absolvieren bei uns in die berufliche Bildung. Wir sortieren sehr früh aus und fahren sozusagen doppelgleisig. Die eine Schiene ist die berufliche Bildung, und die andere Schiene ist die allgemeine Bildung. Dieses Potenzial, das in anderen Län

dern gleich an die Universität geht und das bei uns über die berufliche Schiene kommt, müssen wir für die Hochschule nutzen, wenn wir international mithalten wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen in Zukunft mehr statt weniger Studierende, da – wie ich bereits ausgeführt habe – die Anforderungen der Berufe immer höher werden. Bewegung ist in dieser Sache dringend notwendig und wird auch vom Bayerischen Handwerkstag eingefordert. Der Bayerische Handwerkstag schreibt am 25. 10. 2002, ich zitiere –:

Wir sind der Meinung, das die Gleichstellung der Meisterprüfung zumindest mit der fachgebundenen Hochschulreife eine wichtige Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität der beruflichen Bildung wäre. In dieser Überzeugung fühle sich das bayerische Handwerk – so der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstages Bernd Lenze vor der Mitgliederversammlung in Memmingen – durch die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Oldenburg nachhaltig bestärkt. Darin wird festgestellt, dass die berufliche Bildung bezüglich der Studienbefähigung zu gleichwertigen Ergebnissen führt wie die allgemeine Schulbildung. Lenze verwies auf das Beispiel Niedersachsen, wo der Hochschulzugang über die Meisterprüfung in jeder Beziehung dem Abitur gleichgestellt worden ist. Leider – so betonte er – sei man trotz vieler Briefe an die Staatsregierung in Bayern bisher über einen Pilotversuch an der Fachhochschule Amberg nicht hinaus gekommen.

Ich denke, das sind Aussagen aus sehr berufenem Munde. Der Bayerische Handwerkstag, die Handwerker und Handwerkerinnen werden selbst wissen, was sie leisten können und was sie nicht leisten können. Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger, Sie argumentieren immer, man müsste die Meisterinnen und Meister davor schützen, dass sie etwas tun, das sie nicht bewältigen können. Ich glaube, dass diese Berufsgruppe das Risiko sehr wohl einschätzen kann, weil sie sehr genau weiß, welche Ausbildung sie hat und ob sie sich dem Studium unterziehen will.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Stockinger (CSU))

Wenn man die Argumentation der Handwerker ansieht, fragt man sich, warum die CSU und die Staatsregierung sich so vehement sträuben, die berufliche Bildung dem Abitur gleichzustellen. Ich kann es mir nur so erklären, dass hier doch noch ein gewisser Dünkel besteht. Wenn man dem Abitur eine Vorrangstellung einräumt, wird ein Instrument der gesellschaftlichen Auslese geschützt.

Eigentlich leuchtet es nämlich nicht ein, dass der Hochschulzugang formal unabhängig von den tatsächlichen Qualifikationen festgelegt ist. Für uns ist wichtig, was die Menschen können, und nicht, welchen Weg sie formal gegangen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger.

Herr Präsident, Hohes Haus! Ich will seitens der CSU-Fraktion unsere Auffassung zum Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 14/7728 darstellen. Frau Kollegin Münzel, Sie haben einige Dinge sehr geschickt durcheinander gebracht. Es ist zunächst einmal meine Aufgabe, das, was Sie in einen Topf geworfen haben, auseinander zu klamüsern. Aber es fällt mir nicht schwer, deshalb will ich es gerne tun.

Sie stellen mit der Drucksache 14/7728 den Antrag, Meistern, staatlich geprüften Technikern und staatlich geprüften Betriebswirten den Zugang zur Hochschule zu ermöglichen, das bedeutet die allgemeine Hochschulreife sowohl für die Universitäten als auch für die Fachhochschulen. Sie fordern, dass die Meisterprüfung, der geprüfte Techniker und der geprüfte Betriebswirt dem Abitur gleichgestellt werden. Sie haben in Ihrer Rede diesen Antrag noch erweitert, indem Sie fordern, den Leiterinnen von Kindergärten und den leitenden Pflegekräften die Möglichkeit des Studiums ohne die Voraussetzung einer Hochschul- bzw. Fachhochschulreife zu gestatten. Sie haben diese Möglichkeit also auch für Erzieherinnen als Leiterinnen von Kindergärten gefordert. Ich darf Ihnen dazu sagen, dass in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, etwa in Nordrhein-Westfalen, die Leiterinnen von Kindergärten in der Regel sehr wohl eine Fachhochschulausbildung haben, denn dort werden Diplomsozialpädagoginnen mit Fachhochschulabschluss eingesetzt.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Manchmal!)

Ich will Sie aber auch darauf hinweisen, auf welche Diskussion Sie sich mit den freien Trägern unserer Kindergärten einlassen, wenn Sie die Forderung erheben, dass Kindergartenleiterinnen jetzt künftig nur noch mit einem Fachhochschulabschluss und einem Diplom eingestellt werden können. Sie müssten dann auch die Diskussion darüber führen, dass wir die dort angestellten Kindergartenleiterinnen nach BAT IV besolden.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das wäre furchtbar!)

Ich will dies hier nicht als abwertendes Argument gebrauchen, sondern Sie nur darauf hinweisen, worauf Sie sich einlassen und was Sie hier fordern. Wenn Sie den staatlich geprüften Techniker, den staatlich geprüften Betriebswirt und den Meisterabschluss der Ausbildung einer Erzieherin gleichstellen, um auf diese Weise ein Studium zu erheben, klafft das Ganze auseinander. Das stimmt mit dem im Antrag auf Drucksache 14/7728 genannten Begehren nicht mehr überein.

Was die leitenden Pflegekräfte betrifft, haben wir an drei Fachhochschulen in Bayern einen erfolgreichen Studiengang „Pflegemanagement“ für leitende Pflegekräfte eingeführt, der großartig angenommen wird und dessen Absolventinnen und Absolventen mittlerweile als leitende Pflegekräfte den Berufsweg begonnen haben. Voraussetzung hierfür ist allerdings die abgeschlossene

Ausbildung zur Pflegekraft. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass die meisten der Studierenden in diesen drei Fachbereichen an den Fachhochschulen in Bayern im Nebenberuf studieren, ihren ausgeübten Beruf weiterhin ausüben und sich auf diese Weise mit einem ganz normalen Diplom an der Fachhochschule höher qualifizieren. Dies zur einen Erweiterung Ihres Antrags.

Frau Kollegin Münzel, die Forderung des bayerischen Handwerkstages hat mit Ihrem Antrag nichts, aber auch gar nichts zu tun; denn der bayerische Handwerkstag fordert nicht die Gleichstellung der Meisterausbildung und des Meisterabschlusses mit dem Abitur, sondern spricht sich nachhaltig dafür aus, dass geeignete Meisterinnen und Meister die fachgebundene Hochschulreife für die Fachhochschule erhalten.

(Dr. Scholz (SPD): Das stimmt doch nicht!)