Protocol of the Session on December 11, 2002

(Starzmann (SPD): Das haben Sie falsch interpretiert – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben das falsch verstanden!)

Sie sind mit dieser Vereinbarung einverstanden? – Ich werde dies gerne ins Land hinaustragen. Ich habe kein Problem damit. Das mögen Sie vertreten. Ich will das nicht vertreten.

Niemand bestreitet, dass es einen Bedarf an Förderung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen in ganztägiger Form gibt. Doch diese müssen seriös geplant, individuell passend, freiwillig und auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort zugeschnitten sein. Es darf keinen Zentralismus in der Form geben, dass von oben nach unten bestimmt wird, was letztlich zu tun und zu lassen ist.

Wir brauchen ganz gewiss nicht die Einführung von sozialistischen Zwangskonzepten zur einheitlichen Betreuung und Erziehung von Kindern durch den Staat.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Das ist keine Mottenkiste. Ihr Generalsekretär hat die Lufthoheit über die Kinderbetten angestrebt. Wir haben das nicht getan. Das ist ein deutlicher Unterschied.

In Bayern erweitern wir die Ganztagsangebote um 3150 Plätze pro Jahr und richten bis 2006 30 Ganztagsschulen neu ein. Wir führen das nicht erst in einem Wahlkampf ein, um nach der Wahl wieder davon Abschied zu nehmen. Wir haben dies ohne Wahlkampf getan bzw. bevor überhaupt Diskussionen auftraten oder jemand Schwierigkeiten im Wahlkampf hatte, wie das z. B. im Bundestagswahlkampf beim Herrn Bundeskanzler der Fall war. Da musste plötzlich etwas Tolles hervorgebracht werden. Was man von den Wahlversprechen halten kann, erkennen wir derzeit an der Handlungsweise der Bundesregierung.

Die Vielfalt unserer Maßnahmen ruft in anderen Ländern inzwischen viele Nachahmer auf den Plan. Dort bezeichnet man unsere Ganztagsangebote als offene Ganztagsschule. Das Konzept ist mittlerweile deutschlandweit anerkannt.

In Bayern ist die Finanzierung der Ganztagsangebote zwischen Staat und Kommunen aufgeteilt. Ich baue darauf, dass wir die lange Tradition der Partnerschaft von Staat und Kommunen auch in Zukunft fortsetzen können. Dies geht jedoch nur, wenn der Bund die Kommunen finanziell nicht völlig ausgehungert. Die historischen Leistungen der Kommunen bei der Entwicklung des Schulwesens sind beispielhaft. Gerade der Wettbewerb zwischen staatlichen, kommunalen und privaten Schulen ist befruchtend. Da kann ich es nicht verstehen, dass vor allem die drei roten Oberbürgermeister von München, Nürnberg und Augsburg nun eine Kehrtwende hinlegen und sich plötzlich für die Bildung unserer Kinder nicht mehr verantwortlich fühlen. Plötzlich sind alle Kinder Staatskinder.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das ist gar nicht wahr!)

Diejenigen, die vorher darauf bestanden haben, kommunale Schulen einzurichten, beklagen sich plötzlich darüber, dass es nunmehr diese kommunalen Schulen gibt.

Insbesondere das Verhalten der Landeshauptstadt München ist vollkommen indiskutabel. 214 Schulklassen, 70 davon allein an Realschulen, 90 an beruflichen Schulen, sollen geschlossen werden, vorrangig diejenigen, die für die berufliche Weiterbildung einen Dienst geleistet haben. Das war bisher ein Spezialfeld der Kommunen. Schwerpunktmäßig wird es in München angegriffen, die anderen Kommunen tragen es weiter.

1997 hat Oberbürgermeister Ude das Angebot der Verstaatlichung der Fach- und Berufsoberschulen ablehnen lassen. Was sich die Landeshauptstadt München heute gegenüber den Schülern und Eltern leistet, nenne ich arrogant, kaltschnäuzig und ist bestimmt das Gegenteil von sozial.

(Beifall bei der CSU)

Wenn aber München keine zentrale Schulstadt mehr sein will, dann werde ich dafür sorgen, dass die ausgesperrten Schülerinnen und Schüler dadurch nicht um ihre Zukunftschancen gebracht werden. Dass Oberbürgermeister Ude das Angebot zur Errichtung einer neuen staatlichen Realschule und von ihm selbst geforderten staatlichen Fach- und Berufsoberschulen in den angrenzenden Landkreisen als schwachsinnige Konfliktstrategie bezeichnet, ist vor dem Hintergrund, dass er Schülerinnen und Schüler aus den städtischen Schulen aussperren lassen will, völlig absurd.

(Dr. Bernard (CSU): Frau Bürgermeisterin hat gestern Abend erklärt, dass sie über die große Kooperation des Freistaates mit der Landeshauptstadt München erfreut ist!)

Ich bekam gestern eine Pressemeldung, in der drinsteht, dass mich der Oberbürgermeister einer „schwachsinnigen Konfliktstrategie“ bezichtigt. Ich kann nur sagen: Ich habe das Angebot gemacht, eine staatliche Realschule zu eröffnen. Für das Schulgebäude muss die Landeshauptstadt München schon selbst die Verantwortung tragen. Das können wir nicht auch noch machen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD) – Zuruf des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Ich weiß, Herr Hoderlein, dass Ihnen das nicht angenehm ist, aber Tatsachen gehören auf den Tisch. Dort, wo Rot-Grün regiert, gibt es weniger Geld für Bildung, und dort, wo Schwarz regiert, gibt es mehr Geld für Bildung. Das sind die Fakten.

(Beifall bei der CSU)

Ich will das in meiner Haushaltsrede einmal ausführen: Ich bin dafür, dass man mit der Landeshauptstadt – –

(Herbert Müller (SPD): Machen Sie das auch einmal in Memmingen wie in München! Dort wartet man seit 30 Jahren darauf!)

Ich mache kein Angebot an die Landeshauptstadt München, sondern die Landeshauptstadt München sperrt Schülerinnen und Schüler dezidiert aus.

Dadurch, dass die Landeshauptstadt München – –

(Herbert Müller (SPD): Gilt Ihr Angebot auch für Memmingen, oder gilt es nur für München?)

Vielleicht hören Sie einmal zu, dann werden Sie begreifen, dass ein Unterschied besteht.

Wenn die Landeshauptstadt München bewusst Schülerinnen und Schüler aus städtischen Schulen aussperrt,

(Herbert Müller (SPD): Sollen wir das auch machen?)

werde ich sie staatlich entsprechend versorgen; es besteht gar keine andere Möglichkeit.

(Herbert Müller (SPD): Heißt das, dass wir das auch machen sollen? Erhalten wir von Ihnen eine Zusage?)

Ich halte das, was die Landeshauptstadt München tut, für völlig verantwortungslos.

(Beifall bei der CSU – Herbert Müller (SPD): Es ist unglaublich, was Sie sagen!)

Sie sollte nämlich eigene Schwerpunkte in der Bildung setzen, anstatt bei Schülerinnen und Schülern zu kürzen. Sie sitzen hier im Landtag und fordern dauernd mehr Geld für Bildung, aber dort, wo Sie selbst regieren, geben Sie kein Geld für Bildung aus. Das sind die Fakten, und auf die kommt es an.

(Herbert Müller (SPD): Sie erwarten, dass man erst zu dieser Schule geht, die Sie ablehnen, und wenn man es nicht macht, erhält man kein Geld von Ihnen! Es ist unglaublich, was Sie machen!)

Wir wollen jetzt nicht in eine Diskussion verfallen – wir sind bei der Haushaltsrede. Zwischenrufe sind zulässig.

Herr Kollege Müller, ich glaube, dass Sie reichlich danebenliegen. Sie liegen deshalb daneben, weil sich die meisten Landkreise und Kommunen auch in einer schwierigen Haushaltszeit verantwortlich zu ihren Schülerinnen und Schülern und zu ihren Schulen bekennen. Die Art und Weise, wie die Landeshauptstadt vorgeht, eine kurzfristige – –

(Herbert Müller (SPD): Das hat doch mit dem Thema gar nichts zu tun! Sie bieten München etwas an, was Sie uns nicht anbieten!)

Entschuldigen Sie, Sie können gerne nachher reden, aber momentan rede ich.

(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Dann werden Sie halt fertig!)

Ich kann schon verstehen, dass Ihnen das Thema unangenehm ist. Die Fakten müssen aber auf den Tisch des Hauses.

Die Landkreise um München herum und auch andere Kommunen zeigen wesentlich mehr Verantwortung als Rot-Grün am Marienplatz. Bildung geht nämlich alle an, nicht nur den Staat, alle, auch die Kommunen und uns alle. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen und die Ausgangsbasis genauso.

Die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer leisten sehr gute Arbeit. Ihrem Einsatz an den über 5300 bayerischen Schulen ist es entscheidend zu verdanken, dass die Bildungspolitik in unserem Lande so erfolgreich war und ist. Die Staatsregierung wird die bayerischen Lehrkräfte weiterhin unterstützen. Dafür haben wir den Haushaltsansatz für Fortbildung im Doppelhaushalt 2001/2002 um 30% verstärkt und einen Umstrukturierungsprozess eingeleitet. Trotz der finanziell schwierigen Haushaltslage bleibt der Fortbildungsetat auf gleichbleibend hohem Niveau. Es geht um ein neues Gleichgewicht zwischen zentraler und dezentraler Fortbildung, um die Aufwertung und Qualitätssteigerung der schulinternen Lehrerfortbildung. Alle Lehrkräfte haben künftig eine Fortbildungsverpflichtung von zwölf Tagen in vier Jahren. Dabei sollte ein Drittel in Form von schulinterner Fortbildung eingebracht werden. Alle Schulen müssen Fortbildungspläne erstellen, und sie sind dazu verpflichtet, die Fortbildungsangebote zu evaluieren.

Um ihre Selbstverantwortung zu stärken, bekommen alle bayerischen Schulen die Möglichkeit, im Jahr 2003 Mittel aus einem Topf von 750000 e abzurufen, mit denen beispielsweise externe Referenten bezahlt werden können.

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Fortbildung wird die erzieherische Arbeit an den Schulen gehören. Außerdem wollen wir die Professionalität unserer Lehrkräfte weiter stärken und ihr Instrumentarium zur rechtzeitigen korrekten Diagnose von Fähigkeiten, Begabungen, aber auch Defiziten der Schülerinnen und Schüler verbessern.

Gerade auch unsere Lehrerinnen und Lehrer sind abhängig davon, dass sie geschätzt werden. Wie soll sich jemand motiviert fühlen, wenn er sich und seine Arbeit permanent verteidigen muss? – Ich wende mich im Besonderen auch an Sie von der Opposition; denn wenn Sie Schulen beschreiben, führen Sie häufig aus, dass in Bayern immer noch sturer Pauk-Frontalunterricht stattfinden würde und dass es keine Form modernen Unterrichts gäbe. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Damit beleidigen Sie unsere Lehrerinnen und Lehrer;

(Beifall bei der CSU)

denn sie unterrichten in moderner Form. Dass nicht alles perfekt ist, weiß jeder von uns. Man motiviert sie aber nicht dadurch, dass man immer wieder Klischees bemüht, die in dieser Form in der Realität nicht vorherrschen. Bildung und Erziehung können nur in einem Klima der gegenseitigen Anerkennung und des Respekts gedeihen. Nicht ohne Grund ist das Image der Lehrkräfte beim Pisa-Sieger Finnland besonders gut.

Bayern hat über die Jahre wie kein anderes Land in Deutschland neue Lehrerstellen geschaffen. Wir haben keine einzige Stelle eingezogen, sondern alle ersetzt und darüber hinaus neue eingerichtet. Selbst in diesen schwierigen Zeiten wird es im Doppelhaushalt 2598 neue Stellen an den bayerischen Schulen geben, 20 davon für Verwaltungskräfte. Bayern baut damit weiterhin konsequent die Lehrerversorgung aus. Auf den zusätzlichen Planstellen werden wir 1910 Lehrkräfte neu einstellen, 668 Junglehrkräfte, die bisher nur einen Angestelltenvertrag haben, eine Planstelle anbieten sowie 20 Verwaltungskräfte in den Volksschulen einstellen. Hinzu kommen 188 Stellen aus zusätzlichen Personalmitteln für die Beschäftigung von 158 Lehrkräften und 30 Verwaltungsangestellten. Eine befriedigende Personalausstattung ist die Voraussetzung für das, was Schule im Kern ausmacht, nämlich dass Unterricht gehalten wird. Die zusätzlichen Stellen werden deshalb allen Schulen zugute kommen, aber wir werden auch Schwerpunkte setzen, nämlich bei der Stärkung von Schulleitungen in den Volksschulen, beim Abschluss der Einführung der R 6 sowie der M-Klassen an den Hauptschulen, bei der Stärkung des Sportunterrichts, bei der Förderung von Schulreformen, bei Verbesserungen für die Systembetreuer und bei einer guten Unterrichtsversorgung trotz steigender Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen.

Über finanzielle und personelle Fragen hinaus muss das gesamtgesellschaftliche Klima, in dem Bildung und Erziehung stattfinden, stimmen. Alle in unserer Gesellschaft, ganz unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht, tragen die Verantwortung für ein erzieherisches Umfeld, das Kinder zu stabilen und wertorientierten Persönlichkeiten heranwachsen lässt. Kinder brau

chen Orientierung, und sie brauchen auch Rückhalt. Beides müssen sie vor allem bei ihren Eltern, aber sekundär auch in ihrer Schule finden.

Bildung muss frühzeitig einsetzen, nämlich schon im Kindergarten. Daraus ziehen wir Konsequenzen. Der Kindergarten wird verstärkt als Bildungseinrichtung verstanden und enger mit der Grundschule verzahnt.