Protocol of the Session on December 11, 2002

Bildung muss frühzeitig einsetzen, nämlich schon im Kindergarten. Daraus ziehen wir Konsequenzen. Der Kindergarten wird verstärkt als Bildungseinrichtung verstanden und enger mit der Grundschule verzahnt.

(Beifall bei der CSU)

Dazu werde ich zusammen mit meiner Kollegin, Ministerin Stewens, einen Bildungs- und Erziehungsplan entwickeln. Kinder sind neugierig und bildungshungrig. Das wollen wir nicht nur nutzen, sondern wir wollen Kinder dabei auch unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Ich hoffe, dass endlich die Zeit vorbei ist, in der man von der Verkopfung der Kinder sprach, wenn bereits im Kindergarten auch kognitive Fragestellungen betont werden. Kinder müssen schon in der Grundschule lernen, wie man lernt und wie man Probleme löst. Die Grundschule muss deshalb primär die Denk- und Sprachentwicklung sowie das mathematische, naturwissenschaftliche und technische Verständnis gezielt fördern. Für alle Kinder muss das Ziel sein, ein möglichst hohes Leistungsniveau zu erreichen. Dafür gibt es in der dritten Kasse verpflichtend die Orientierungsarbeit; für die zweite Klasse befindet sie sich in der Pilotphase. Durch wissenschaftliche Begleitung ist sichergestellt, dass die Aufgaben internationalen Standards entsprechen. Ein ganz besonderer Aspekt ist auch die flächendeckende Einführung des Fremdsprachenunterrichts an der Grundschule. Wir haben dieses Ziel schon fast erreicht. Bei den Orientierungsarbeiten ist der Stand mittlerweile so – Kollege Schneider weiß dies besonders gut –, dass alle anderen Länder Deutschlands die Orientierungsarbeiten Bayerns übernommen haben bzw. unsere Arbeiten in ihren Ländern derzeit als Standard einsetzen.

Besonderes Augenmerk werden wir auf die Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache legen. Hier gibt es jetzt eine Sprachstandsdiagnose vor der Einschulung. Sie ist Grundlage für spezielle Vorkurse zur Deutschförderung zwischen Schuleinschreibung und Schuljahresende. Bereits in diesem Schuljahr wurde der Startschuss für die ersten Kurse gegeben. Sprachlernklassen setzen diese Förderung fort und dienen gleichzeitig der schrittweisen Integration in die Regelklasse. Seit September haben wir 104 solcher Sprachlernklassen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern werden wir in Bayern auch die Hauptschule weiterentwickeln und stärken. Fast überall in Bayern haben inzwischen Jugendliche die Möglichkeit, in den M-Zügen an der Hauptschule einen mittleren Schulabschluss zu erreichen. Derzeit werden 207 vollständige Züge angeboten. Gleichzeitig gibt es mit den Praxisklassen ein weiteres erfolgreiches Angebot. Schülerinnen und Schüler, die noch vor einiger Zeit Gefahr liefen, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, haben nun eine echte Chance, nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Für die 77 Praxisklassen, die von Ihnen, von der SPD und den GRÜNEN, doch

sehr heftig kritisiert worden sind, gibt es auch einen 80-prozentigen Ersatz der Kosten für sozialpädagogische Begleitung oder externe Fachleute. Mit bis zu 30000 e kann jede Praxisklasse pro Schuljahr mit Mitteln aus dem europäischen Sozialfonds gefördert werden. Im Förderzeitraum 2000 bis 2006 stehen dafür 12,5 Millionen e zur Verfügung.

Die Einführung der R 6 zu Beginn dieser Legislaturperiode ist ein grandioser Erfolg. Selten wohl hat eine bildungspolitische Maßnahme so schnell gegriffen und einen derart positiven Widerhall in der Bevölkerung gefunden.

(Beifall bei der CSU)

Zu Beginn des Schuljahrs 2003/2004 wird die Einführung abgeschlossen, das heißt, alle 335 Realschulen werden die R 6 anbieten. Mit Beginn des Schuljahrs 2003/2004 werden damit erstmals mehr als 200000 Schülerinnen und Schüler an den Realschulen unterrichtet.

Das sind über 40000 mehr als noch im Schuljahr 2000/2001. Diesen erfreulichen Zuspruch können wir nur mit zusätzlichen Lehrkräften bewältigen. Im Jahr 2002 wurden insgesamt circa 700 Lehrkräfte neu eingestellt. Auch im Doppelhaushalt 2003/2004 werden wir einen erheblichen Teil der vorgesehenen neuen Lehrerstellen der Realschule zuweisen. Außerdem wurden 100 Stellenanhebungen für qualifizierte Beratungslehrkräfte und Systembetreuer bereitgestellt.

Innovationen gibt es auch am Gymnasium. Insbesondere werden das Fremdsprachenangebot erweitert und der mathematisch-naturwissenschaftliche Bereich noch stärker gefördert. Ab dem Schuljahr 2003/2004 werden wir die Stundenzahlen erhöhen und neue Fächer wie „Natur und Technik“ und „Informatik“ einführen. Mit erheblichem finanziellen Aufwand haben wir in den vergangenen Jahren Informatiklehrer ausgebildet. Auch hier setzen wir von Anfang an auf Qualität und nicht auf Show. Das Abitur hat sich als zentrale Abschlussprüfung bewährt. Dass SPD-regierte Länder nach wie vor ein dezentrales Abitur mit erheblichen Niveauschwankungen von Schule zu Schule haben, ist inakzeptabel und verwässert die Allgemeinbildung.

Wir wollen eine allgemeine Hochschulreife auf anerkannt hohem Niveau. Dieses anerkannt hohe Niveau muss für alle Schulen gelten. Dazu führen wir zum Beispiel mit der Seminararbeit in der Kollegstufe ein zusätzliches Element akademischer Arbeitsweise ein. Mit einem innovativen Gesamtansatz, sowohl beim Unterricht als auch bei der Pädagogik, haben wir den Schulversuch „8-jähriges Gymnasium in Halbtages– und Ganztagesform“ gestartet. Bisher gibt es elf solcher Gymnasien. Für das nächste Schuljahr liegen bereits weitere Anträge vor.

Damit komme ich zu einem Thema, mit dem wir uns immer wieder sehr intensiv auseinander setzen müssen, nämlich zum Thema „Förderschule“. Jedes einzelne Kind muss die bestmögliche individuelle Förderung bekommen. Genau aus diesem Grund werden wir die

Förderschulen als eigenständige Einrichtungen erhalten und dort, wo dies notwendig ist, ausbauen. Deshalb wurden die Mittel für die Förderschulen gegenüber dem vorigen Haushalt nochmals deutlich gesteigert. Sie liegen mit jeweils mehr als 700 Millionen e für 2003 und 2004 in beiden Jahren mehr als doppelt so hoch wie 1987. Zwischen 2000 und 2002 gab es das Aktionsprogramm „Förderschulen“, das von der CSU-Fraktion initiiert worden war. Damit haben wir die Unterrichtssituation und die Fördermöglichkeiten, unter anderem durch die Aufstockung der Lehrerstunden und erste Senkungen der Klassenstärken, verbessert.

Mit dem Modellversuch „Sonderpädagogische Diagnose– und Werkstattklassen“ wird den Schülerinnen und Schülern unter anderem durch vermehrte Betriebserkundungen und -praktika die Berufswahl erleichtert. Die Förderschulen leisten einen unverzichtbaren Beitrag, damit junge Menschen, die von Behinderungen oder von besonderen Einschränkungen und Defiziten betroffen sind, Hilfe zum Leben erhalten. Deshalb sollte man bei allen Integrationsdebatten nicht vergessen, dass Förderschulen einen Hauptteil dieser Integration zu leisten haben. Sie sollten deshalb nicht als „Ausleseinstitutionen“ diffamiert werden.

(Beifall bei der CSU)

11000 Schülerinnen und Schüler können dank der Unterstützung der mobilen sonderpädagogischen Dienste erfolgreich an der Regelschule unterrichtet werden. Die von Oberbürgermeister Maly angezettelte Diskussion über die Auflösung der Sonderpädagogischen Förderzentren ist unerträglich und zeigt, wie die Schulpolitik durch Ideologie gestört werden kann. Ich halte es für unerträglich, dass die Stadt Nürnberg dem Freistaat Bayern für die vor zwei Jahren gegründete Realschule das Sonderpädagogische Förderzentrum zur Auflösung angeboten hat. Wie müssen sich da behinderte Kinder und ihre Eltern fühlen?

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Käse, was Sie da erzählen! Das macht nicht die Stadt Nürnberg! Dieser Vorschlag kam von den Freien Wählern! Das hat mit der Stadt nichts zu tun!)

Dann bin ich dankbar, wenn das der Oberbürgermeister nicht macht. Ich muss ganz offen sagen: Die Zeitungsmeldungen lauteten völlig anders. Die Kinder und Jugendlichen an dieser Schule und deren Eltern waren deshalb leicht irritiert.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Recherchieren Sie künftig genauer!)

Ich kann mich noch gut an ein Zitat von Herrn Maly erinnern, dass im Zuge der Integration an Regelschulen die sonderpädagogischen Förderzentren vielleicht gar nicht mehr notwendig seien.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist gegen Integration zu sagen?)

Unser Ziel ist nicht die Auflösung von sonderpädagogischen Förderzentren. Das ist der Unterschied zwischen

Ihnen und mir. Ich glaube, dass sonderpädagogische Förderzentren einen ganz wichtigen Beitrag leisten, um Kindern, die einen spezifischen Förderbedarf haben, zu helfen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das bestreitet doch kein Mensch!)

Warum sagen Sie dann, dass das Ziel sei, die sonderpädagogischen Förderzentren unnötig zu machen?

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir nicht gesagt!)

Wir werden immer Kinder haben, die eine spezifische Förderung an einer spezifischen Schule benötigen. Die Lehrkräfte an diesen Schulen leisten hervorragende Arbeit und sollten in der Öffentlichkeit nicht ständig infrage gestellt werden. Das tut nämlich weder den Schulen noch den Kindern gut.

(Beifall bei der CSU)

Eine pauschale Integrationsdebatte hilft unseren Kindern nicht. Vielmehr muss der jeweils optimale Förderort festgestellt werden; und der ist nicht immer an der Regelschule.

Ein erfüllender Beruf trägt wesentlich zur Selbstbestimmung bei. Das ist einer der Gründe, warum berufliche Bildung bei uns im Freistaat Bayern seit jeher groß geschrieben wird. Ich würde mir wünschen, dass eine Bundesbildungsministerin die berufliche Qualifizierung öffentlich als einer akademischen Ausbildung ebenbürtig bezeichnen würde.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Warum haben Sie dann für beruflich Qualifizierte den Hochschulzugang nicht erleichtert?)

Der Hochschulzugang allein ist nicht die Kernfrage. Ich halte es für sinnlos, Meister an die Hochschulen zu lassen, damit sie dort versagen, weil sie in der Theorie Defizite haben und keine entsprechende Förderung bekommen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie erlauben es gleich gar nicht!)

Frau Werner-Muggendorfer, Sie reden dauernd dazwischen, weil Sie glauben, mich damit aus dem Konzept bringen zu können. Das werden Sie aber nicht schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Zur Demokratie gehört es auch, dass man zuhören kann.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das würde ich Ihnen mal empfehlen!)

Derzeit läuft der Versuch eines Propädeutikums an der Fachhochschule Amberg. Ich halte das für einen guten Weg für Meisterinnen und Meister. Dieser Weg ist wesentlich besser als alles, was sonst in Deutschland

angeboten wird. Ich glaube, dass dieser Versuch ausgeweitet werden sollte. Darüber werden wir uns noch unterhalten müssen.

(Beifall bei der CSU)

In Bayern funktioniert das duale System; denn wir pflegen die berufliche Bildung und passen sie den Erfordernissen der Zeit an. Für Berufsschulen, Berufsfachschulen und Technikerschulen wurden die Ausbildungsordnungen überarbeitet; neue Ausbildungsberufe werden angeboten. Fachschulen und Fachakademien entwickeln sich weiter. An den Wirtschaftsschulen gibt es beispielsweise eine neue Englisch-Abschlussprüfung.

Die unerwartet hohen Schülerzuwächse an den Fachober– und Berufsoberschulen haben zu einer angespannten Personalsituation geführt. In der 13. Jahrgangsstufe der staatlichen Berufsoberschulen waren es zum Schuljahr 2002/2003 fast 36% mehr Schülerinnen und Schüler. Die Lage wurde noch durch das Verhalten der Landeshauptstadt verschlimmert, die rechtswidrig 700 Fachober– und Berufsoberschulinteressenten abzuweisen versuchte. Durch zusätzliche Lehrerstellen konnte die Unterrichtsversorgung an den staatlichen Schulen schließlich gesichert werden. Es ist uns sogar gelungen, das flächendeckende Netz für diese wichtigen Bildungsangebote noch engmaschiger zu machen. Dies gelang durch die Schaffung von vier neuen Fachoberschulen, drei neuen Berufsoberschulen sowie die Erweiterung bestehender BOS-Standorte.

Damit jedes Mädchen und jeder Bub das Ziel am Ende der Schullaufbahn erreicht, werden wir weiter an dem arbeiten, was den Kern einer guten Schule ausmacht, nämlich der Qualität des Unterrichts. Das Anforderungsniveau an bayerischen Schulen ist hoch. Dieses Niveau muss nicht nur gesichert, sondern stetig verbessert werden. Außerdem muss es überall vergleichbar sein. Dafür haben wir bereits ein Instrumentarium geschaffen, das meine Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern übernehmen und das wir weiter ausbauen werden.

(Beifall bei der CSU)

Neben den Orientierungsarbeiten an den Grundschulen werden Wissen und Fertigkeiten unserer Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden Schulen durch Jahrgangsstufentests überprüft. Interne und externe Evaluation zur Weiterentwicklung der Qualität des Unterrichts und der schulischen Arbeit muss überall zu einer Selbstverständlichkeit werden. Eine sehr gute Möglichkeit ist auch TQM, das Total-Quality-Management, zum Beispiel nach dem Modell der European Foundation for Quality Management, EFQM.

Bei der Sicherung der Unterrichtsqualität geht es um einen Dreischritt: erstens, Verbesserung der Unterrichtsqualität, zweitens, Überprüfung der erreichten Standards, drittens, Förderung von Transparenz und Wettbewerb durch die Veröffentlichung der Ergebnisse und Beratungsarbeit.

Ich halte nichts davon, wenn ständig möglichst wenig über Prüfung und äußere Evaluation gesprochen wird. In

der heutigen Zeit müssen wir nicht nur darauf achten, was in den Lehrplänen und Stundenplänen festgeschrieben ist, sondern vielmehr darauf, was an tatsächlichen Ergebnissen aus dem Unterricht und aus der Schule herauskommt.