Was ist denn daran schlimm, wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland auch diejenigen, die ein großes Vermögen haben, zum Beispiel als Ehepaar mehr als eine Million e zur Verfügung haben,
(Dinglreiter (CSU): Doch nicht zur Verfügung haben! – Dr. Bernhard (CSU): 300000 e Freibetrag für einen Alleinstehenden!)
auch zur solidarischen Finanzierung unseres Gemeinwesens heranziehen, damit wir zum Beispiel mehr für Bildung und innere Sicherheit tun können?
Was ist denn daran ehrenrührig, wenn wir feststellen, dass wir im Freistaat Bayern auch darunter leiden, dass die Klassen zu groß sind, zu wenige Lehrer vorhanden sind, Unterrichtsstunden ausfallen und Sportunterricht nicht mehr gegeben werden kann?
Wir müssen uns überlegen, wie wir alle gemeinsam die Behebung dieser Defizite finanzieren und wie wir auch im Freistaat Bayern gleiche Bildungschancen für alle Bürgerinnen und Bürger herstellen können.
Kommen Sie nach vorn, und reden Sie hier. Plärren sie nicht aus der vorletzten Reihe; dann verstehe ich Sie, und man kann auf Ihre Argumente, die vielleicht auch welche sind, eingehen.
Es ist gerecht, angemessen und notwendig, dass diejenigen, die über sehr hohe Vermögen verfügen, einen zusätzlichen Beitrag für diese Gesellschaft leisten. Diesen Beitrag haben die Vermögenden auch bis Mitte der Neunzigerjahre, bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ohne Wehklagen geleistet, und diesen Beitrag leisten Vermögende im Übrigen in den meisten europäischen Ländern und auch in den USA wie selbstverständlich auch heute.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Güller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dinglreiter?
Ich halte es, wie es Herr Kollege Dr. Bernhard gehalten hat: keine Zwischenfragen. Wir haben noch genügend Redezeit. Sie können herkommen und
Wenn wir aber feststellen, dass es nicht ehrenrührig ist, über eine Vermögensteuer nachzudenken, dann kommen wir zu der Frage, ob wir das solidarisch unter den Bundesländern ausmachen oder ob wir mit einem Steuerwettlauf beginnen. Die SPD ist der Auffassung – deshalb hat unser Antrag auch den Tenor „länderübergreifend“ –, dass die Wiese der Vermögensteuer nicht der richtige Ort ist, um einen Wettbewerb unter den einzelnen Bundesländern auszutragen.
Es kann ja wohl nicht sein, dass die Partei mit dem Ministerpräsidenten, der einmal Kanzlerkandidat war, an der Spitze, die über Monate im Wahlkampf eine soziale Schieflage beklagt hat und sich als Verteidiger des kleinen Mannes aufgespielt hat, jetzt plötzlich nach der Bundestagswahl erklärt, die Vermögensteuer können die anderen einführen, wir spielen dann die Cayman-Inseln der Bundesrepublik Deutschland: Millionäre und Vermögende kommt nach Bayern; hier braucht Ihr nichts zu bezahlen. Das kann ja wohl nicht sein. Das nenne ich die massive und vorsätzliche Täuschung der Wähler vor der Bundestagswahl.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Welnhofer?
Herr Dr. Bernhard, wir kommen jetzt zu dem tollen Argument des Verwaltungsaufwands. Wenn es darum geht, in unseren Kommunen und Landkreisen, aber auch auf der Ebene des Freistaats den Sozialmissbrauch zu bekämpfen, sind wir richtigerweise alle miteinander der Auffassung, dass wir dafür auch Aufwand betreiben müssen und dass wir zum Beispiel auch nachkontrollieren, ob ein Sozialhilfeempfänger oder eine Sozialhilfeempfängerin das Recht hat, diese Sozialleistungen zu bekommen. In diesem Fall berechnen wir auch nicht, ob die 23,15 e Heizungsbeihilfe in irgendeinem Verhältnis zu dem Aufwand der Kontrolle stehen. Das interessiert uns nicht, weil wir berechtigterweise sagen, hier geht es darum, dass kein Missbrauch betrieben wird. Wenn es aber darum geht, Steuern auf hohe Vermögen einzutreiben, dann sagen wir, die Steuern treiben wir nicht ein, weil der Verwaltungsaufwand zu hoch ist. Das nenne ich eine sehr interessante Position, der wir uns allerdings nicht anschließen können.
Herr Dr. Bernhard, mit Ziffer 1 Ihres Antrags können wir leben; da ist die SPD bei Ihnen. Die Schaffung der Möglichkeit, dass die Bundesländer über die Vermögensteuer bestimmen und nicht der Bund – also die Rückverlagerung von Gesetzgebungskompetenzen –, erscheint uns vernünftig. Dann lassen Sie uns im nächs
ten Jahr in aller Ruhe diskutieren, wie hoch die Freigrenzen sein sollen. Sollen sie bei 300000 e oder – wie wir meinen – bei 500000 e liegen? – Lassen Sie uns darüber reden, wie die einzelnen Steuern erhoben werden, wie das Nachprüfungsverfahren durchgeführt wird und wie wir die Erbschaftsteuer gestalten wollen.
Wenn diese Diskussionen unter den Bundesländern unter Beteiligung der Länderparlamente abgeschlossen sind, dann können wir an dieser Stelle sehr gut und lang darüber streiten, was der beste Weg ist, um mehr und eine bessere Bildung und innere Sicherheit im Freistaat Bayern zu finanzieren. In diesem Sinne lehnen wir Ziffer 2 Ihres Antrags ab.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Dringlichkeitsantrag der CSU soll wohl dazu dienen, die SPD-Fraktion vorzuführen und unsere sozialdemokratischen Freunde auseinander zu dividieren.
Ich konstatiere und beglückwünsche Sie: Das ist Ihnen mit Sicherheit gelungen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der 15-Wörter-Antrag der SPD-Fraktion ohne Differenz durch die Fraktion gelaufen ist.
Der Antrag der CSU-Fraktion – ich denke, über den lohnt es sich eher zu sprechen – ist in sich zumindest partiell widersprüchlich, und in der Begründung ist er ein großes Eigentor. Die Länder sollen eine mögliche Vermögensteuer nicht nur vereinnahmen dürfen, sondern sie sollen auch die Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung einer solchen Steuer bekommen. Im nächsten Spiegelstrich lehnen Sie dann die Vermögensteuer vehement als unsinnig ab. Das ist mit Sicherheit ein Widerspruch, wobei uns selbstverständlich Ihr Kalkül bewusst ist. Ich habe es eingangs schon ausgeführt.
Herr Kollege Welnhofer, wir können dem nicht zustimmen, weil wir keine Kompetenzerweiterung der Länder um jeden Preis wollen. Wir können einem ruinösen Wettbewerb nichts abgewinnen, und genauso wenig können wir einem ruinösen Wettbewerbsföderalismus etwas abgewinnen. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren.
Zur Vermögensteuer selbst: Da sind wir weitaus näher bei der CSU-Fraktion als bei der SPD-Fraktion. Wir tei
len die Auffassung der CSU-Fraktion, wie sie hier heute geäußert worden ist. Die Erhebung der Vermögensteuer ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 22. Juni 1995 ausgesetzt worden. Damals ist der berühmte Halbteilungsgrundsatz aufgestellt worden. Das heißt, maximal die Hälfte der Erträge darf weggesteuert werden, wobei die Richter – das ist auch wichtig – gesagt haben, es geht nicht um die tatsächlich fließenden Erträge, sondern es geht um potenzielle Erträge, also um das üblicherweise erzielbare Einkommen, also um die Sollerträge.
Wir aber meinen – damit bin ich bei unserem Antrag angelangt –, dass zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben – und die gibt es massenhaft – jeder nach seiner Leistungsfähigkeit beitragen soll. Diesbezüglich sagen wir, dazu sind alle Einkommen und alle Vermögensübertragungen bei den Erbschaften und bei den Schenkungen angemessen zu berücksichtigen. Wir halten im Gegensatz zu meinem Vorredner die Einführung der Vermögensteuer bzw. die Wiedereinsetzung der Vermögensteuer – muss man richtigerweise sagen – für kein geeignetes Instrument, um höhere Steuergerechtigkeit zu erreichen. In diesem Bereich sind verfassungsrechtliche Schranken geschaffen worden.
Meine Damen und Herren, uns interessieren sehr wohl Aufwand und Erträge. Das ist für uns durchaus wichtig. Wir fürchten uns vor dem immensen Verwaltungsaufwand.
Es geht damit los, dass Gutachter zur Bewertung der Immobilien eingesetzt werden müssen; es sind Tausende von weiteren Steuerbeamten notwendig. Herr Kollege Güller, das schreckt uns schon, und das sehen wir als Hindernis.
Von Herrn Kollegen Dr. Bernhard ist richtigerweise gesagt worden, die Länder haben auf die Einnahmen durch die Vermögensteuer nicht schlagartig verzichten müssen. Sie haben sich das Geld gleich wieder geholt, indem die Grunderwerbsteuer fast verdoppelt worden ist und indem die Erbschaftsteuer novelliert worden ist. Wir wissen alle: Auch zur Erbschaftsteuer gibt es ein Gerichtsurteil, und dieses Gerichtsurteil verlangt, dass man künftig etwas näher an den realen Werten ansetzt. Eine Novellierung ist also angesagt. Wir haben in der Bayerischen Verfassung eine schöne Formulierung gefunden: „Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern.“