Protocol of the Session on December 10, 2002

Im November folgten 400 engagierte Bürgerinnen und Bürger der Einladung zum Fachforum der CSU-Fraktion „Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt“. Dabei wurde klar, dass bei den freiwilligen Leistungen der Vereine und Verbände nicht gespart werden dürfe; denn Sparen an dieser Stelle würde die Ehrenamtlichkeit in unserer Gesellschaft entmutigen. Wir brauchen eine aktive Bürgergesellschaft nicht zuletzt deshalb, weil die immer komplexer werdenden Probleme vom Staat allein nicht zu lösen sind. Die Zahl der Selbsthilfegruppen von Bürgerinnen und Bürgern lösen die Probleme vor Ort oder bewältigen Lebenskrisen gemeinsam.

Für viele Frauen gehört aktives bürgerschaftliches Engagement traditionell zur Lebensgestaltung. Dabei gibt es unterschiedliche Schwerpunkte bei Frauen und Männern. Der Schwerpunkt bei Frauen liegt in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Kindergärten, Naturschutz.

(Zurufe von der SPD)

Frauen sind aber nicht nur im sozialen Bereich tätig, sondern natürlich auch in Sportvereinen, in Pfarrgemeinden, in Umweltverbänden, in der Kultur und in der Politik.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht vorne dran!)

Den größten Teil nimmt aber der sozial-karitative Bereich ein. Dieser Bereich steht vor Sport und Freizeit an der

Spitze der Felder ehrenamtlicher Tätigkeit. Über Dreiviertel der hier Engagierten sind Frauen.

Zu einer Bürgergesellschaft gehört die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Sie lebt von der uneingeschränkten Beteiligung und Mitverantwortung in allen Bereichen.

Die demografische Entwicklung ist schon angesprochen worden.

Ich komme nochmals zurück zum Ehrenamt. Freiwilliges Engagement ist auch die Chance für jeden einzelnen, sich einzumischen und mitzugestalten. Ehrenamtliches Tun ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement verdienen deshalb auch Dank und Anerkennung, vor allem aber auch Unterstützung.

Jetzt sollten Sie zum Ende kommen, Frau Kollegin.

Darf ich noch einen Satz sagen? – Ein letzter Satz: Für mich gehört zur Frauenpolitik in Bayern auch die Freiwilligenarbeit von Frauen im Ehrenamt. Ich wünsche allen Frauen und Männern, die im Ehrenamt tätig sind, weiterhin viel Freude und Kraft, für die Allgemeinheit tätig zu sein.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, dass Frau Ministerin Stewens zumindest den Großteil dieser Debatte mitverfolgt hat. Das ist schon bemerkenswert.

(Willi Müller (CSU): Nicht nur sie allein war da! Eine ganze Menge von Kabinettsmitgliedern war anwesend!)

Sie hat wohl die Aussage Ihres Chefs, des Herrn Ministerpräsidenten, in der letzten Woche nicht gehört. Er hat von Werten gesprochen, von Werten wie Disziplin und Pünktlichkeit. Anscheinend ist das bei Ihnen noch nicht angekommen, Frau Stewens.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich, ob Sie sich in Ihrer Position – Sie sind nicht ganz unumstritten – einen derartigen Ungehorsam überhaupt noch leisten können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es bemerkenswert, dass es die Frauenministerin in Bayern herausstellt, dass sie bei der Verleihung eines Frauenförderpreises speziell die Frauen begrüßt. Das ist als Ergebnis der Gleichstellungs- und Frauenpo

litik in Bayern etwas mager; darauf kann sich Frauenpolitik allein nicht beschränken.

Ich kann nur stichwortartig einige Beispiele ihrer Frauenund Gleichstellungspolitik anführen, zum Beispiel das Gleichstellungsgesetz, das sehr zahnlos und nicht sehr zielführend ist und nicht dazu beiträgt, Frauen- und Gleichstellungspolitik in unserem Land tatsächlich voranzubringen; das ist Ihr Werk. Der Gleichstellungsbericht wird immer mit etwas eigenartigen Ausreden verzögert vorgelegt. Das zeigt wohl, dass Sie ein rein theoretisches Interesse an einer Frauenpolitik haben. Ich möchte weiter die – im Gegensatz zur Politik auf Bundesebene – völlig unzureichende Anwendung des Prinzips des Gender Mainstreaming ansprechen. Ich möchte daraus schließen, dass Sie entweder keine Ahnung von diesem Thema oder kein Interesse an einer besseren Frauen- und Gleichstellungspolitik in Bayern haben. Ich spreche weiter die halbherzige Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes an. Ich könnte noch vieles mehr anführen. Das ist Ihre Frauen- und Gleichstellungspolitik in Bayern.

Es wäre angesagt, endlich einmal zu handeln und nicht immer nur, wie Frau Dodell, zu sagen: Wir wollen, wir wollen, wir wollen.

(Beifall bei der SPD)

Auch Kollegin Männle hat eben nur von Ankündigungen und davon, was wünschenswert wäre, gesprochen. Auch wenn es vor Weihnachten die richtige Zeit ist, Wünsche aufzulisten, wollen wir doch lieber Taten sehen.

Frau Kollegin Dr. Fickler, was Sie zu Anfang ausgeführt haben, war schon eine böse, böse Unterstellung.

(Frau Radermacher (SPD): Geschmacklos war das!)

Ich greife das auf, Frau Kollegin Radermacher: Das waren geschmacklose Ausführungen. Sie wissen sehr wohl, dass die Kollegin Lochner-Fischer seit vielen Jahren – seit sie Mitglied des Bayerischen Landtags ist – für die SPD-Fraktion federführend, auch als AsF-Landesvorsitzende, die Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Fraktion und hier im Hohen Hause vertritt und vorangebracht hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Dann heißt es immer: Wir wollen die Wahlfreiheit. Darauf möchte ich gerne eingehen. Heißt Wahlfreiheit, dass sich Frauen – oder auch Männer – zwischen Familie oder Beruf entscheiden müssen? – Genau das wollen wir nicht. Wir wollen keine Wahlfreiheit. Ich möchte mich auch als junge Frau nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen, sondern ich möchte die Möglichkeit haben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das ist unser Ansatz.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz klar: Hier wird immer noch versucht, Frauen zu bevormunden. Sie wollen Frauen vorschreiben, wie sie ihr Leben, ihr Familienleben, ihre Lebensentwürfe zu gestalten haben.

(Hofmann (CSU): Das stimmt nicht! – Willi Müller (CSU): Das lassen die gar nicht zu! – Weitere Zurufe von der CSU)

Jawohl. Ich greife ein Beispiel des Herrn Kollegen Goppel auf: Eine Familie besteht aus Frau und Mann mit Trauschein und mit Kind oder Kindern. Für uns besteht eine Familie dort, wo Kinder sind. Das kann auch eine allein erziehende Mutter oder ein allein erziehender Vater sein.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

In Ihrer Familienpolitik gilt eine allein erziehende Frau wohl als nicht förderwürdig.

(Hofmann (CSU): Da haben wir kein Problem! – Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Sie haben nach wie vor Ihr altes Klischee, das ist nach wie vor Ihre alte Ansicht von Familienpolitik. Das ist auch ein wichtiger Grund dafür, warum wir in der Gleichstellungs- und Frauenpolitik in Bayern nicht weiterkommen.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU – Unruhe)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 eindeutig festgelegt, dass der Staat für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen hat und Frauen nicht gezwungen sein dürfen, sich für das eine oder andere zu entscheiden. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil ist von Vereinbarkeit, nicht von Wahlfreiheit die Rede. Setzen Sie dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil doch endlich um.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist – – Entschuldigung, nächster Redner ist Herr Kollege von Rotenhan.

(Zahlreiche Zurufe – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass dann, wenn es um die Gleichstellung von Frauen geht, nur Frauen reden dürfen und wir Männer gar nichts mehr dazu zu sagen haben.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Auch wenn sich in den ersten fünf Reihen der Opposition die gesamte Frauenpower der beiden Oppositionsfraktionen niedergelassen hat,

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ihr habt doch gar keine! – Zahlreiche Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe)

muss ich doch feststellen, dass sich die Männer Ihrer Fraktion klaglos auf die Hinterbank zurückgezogen haben und sich offenbar gar nicht trauen, zu diesem Thema überhaupt noch etwas zu sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Frau Steiger (SPD): Helfen Sie doch einmal!)

Ich bin meinem Kollegen Hofmann sehr dankbar, dass er dafür gesorgt hat, dass ich hier noch etwas sagen kann. Sie merken – ich habe kein Manuskript mitgebracht –, dass ich aus dem Stegreif spreche.