Lieber Herr Kollege, warten Sie doch das ganze Zitat ab. Er hat nämlich auch noch vor etwas anderem gewarnt, und das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, damit Sie nicht wieder sagen können, Sie hätten das nicht gewusst.
Als grüner Politiker brauche ich mich von Ihnen nicht als Kronzeugen missbrauchen zu lassen, dass wir bei der Defizitquote die 3% schrammen oder sogar darüber liegen könnten. Wenn es schlecht läuft, liegen wir darüber. Das ist keine Frage, so ehrlich bin ich.
So weit das Zitat desjenigen, den Sie als einen der ersten im Untersuchungsausschuss vernehmen wollen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg damit.
Der Ministerpräsident muss als Kandidat von dieser Warnung gewusst haben; wenn nicht, dann diskreditiert er sich als ernstzunehmender Gegenspieler von RotGrün. Ein Kandidat, der von nichts wusste, macht sich lächerlich, und ein Kandidat, der von nichts weiß und mitreden will, ebenso.
Sie selbst hatten für den Bundeshaushalt statt Streichungen Mehrausgaben vorgesehen. Was wollten Sie alles Gutes tun! Das kann man wirklich nicht oft genug ins Gedächtnis zurückrufen: Bundeswehr 2 Millionen e Aufstockung, Familiengeld in Höhe von 24 Milliarden verteilen, für die Offensive 2003 ca. 3 Milliarden, das Sonderprogramm Ost mit 5 Milliarden voranbringen, und das alles ohne solide Gegenfinanzierung. Ihre Wahl hätte uns alle mindestens 74 Milliarden e gekostet und diese eben genannte Steigerung der Defizitquote auf 5%.
Und auch Ihre Vorschläge, die Sie im Bundesrat als genialen Befreiungsschlag gegen die Arbeitslosigkeit vorstellen wollten, ist nicht mehr als ein Aufstand der Zwerge. Wieder sagen Sie nicht, wie Sie Ihre Vorschläge finanzieren wollen. Sie wollen die geringfügig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht freistellen, ähnlich wie es bei den 630-DM-Jobs schon der Fall war. Sie sprechen von einer Pauschalbesteuerung in Höhe von 20%. Das kann man diskutieren, aber Sie müssen dann auch sagen, wie Sie die Ausfälle bei der Sozialversicherung, deren Beiträge dann um ungefähr 0,3% erhöht werden müssten, ausgleichen wollen. Wie wollen Sie das ausgleichen? – Kein Wort dazu!
Oder nehmen wir das Kombilohnmodell, das in etwa dem Mainzer Modell für Sozialhilfeempfänger entspricht. Sie wollen zusätzlich noch die Arbeitslosengeldempfänger und die Arbeitslosenhilfebezieher mit einbeziehen. Das ist an sich ehrenwert, und wenn diese Menschen eine Tätigkeit aufgrund der Zuschläge bekommen, ist das natürlich eine wünschenswerte Sache. Aber ich frage auch hier – wiederum das große Fragezeichen –: Wer soll das bezahlen? Aus welchen Töpfen soll es bezahlt werden? Soll es eine Dauersubvention sein?
Ich erspare es mir, den Rest der Vorschläge aufzuzählen. Das ist ein Aufguss aller Vorschläge von vor einem Jahr. Nur einen möchte ich noch einmal aufgreifen: Es
wird in Ihrem kunterbunten Angebot über Eingliederungspläne geschrieben. Dazu kann ich nur sagen, die gibt es schon. Möglicherweise ist da etwas an Ihnen vorbeigegangen. Man nennt es Profiling und es wird praktiziert.
Nicht vorhalten kann man Ihnen, dass Sie in der Arbeitsmarktpolitik nicht konsequent wären. Das können wir Ihnen nun tatsächlich nicht vorhalten. Konsequent verteidigen Sie zum Beispiel ein Arbeitszeitmodell mit dem Namen „vorgestern“, wenn Sie beispielsweise die Teilzeitarbeit für Mütter fordern. Sie sagen, man könne den Teilzeitanspruch nicht generell akzeptieren, sondern nur für Mütter, die durch ihre Kinder nicht so viel Zeit haben. Ich frage mich, welche Weltsicht uns hier verkauft werden soll.
Ist das – Mutter auf Teilzeit und der Vater kümmert sich überhaupt nicht um die Kinder- Ihr gängiges Lebensmodell? Andere Lebensmodelle kommen bei Ihnen offensichtlich nicht vor. Und genau diese Details sind es, wenn man auf Ihre Formulierungen genau hört, mit denen Sie beweisen, dass Sie eine vorgestrige Gesinnung haben.
In weiten Teilen decken sich Ihre Vorschläge mit denen des Hartz-Papiers, weshalb ich mich frage, warum Sie so ein „Gezicke“ – bei den Herren ist es pardon „Gebocke“ –
Das freut mich sehr; er hat in der Kommission gearbeitet und jetzt gilt es, die Pläne umzusetzen. Zu Kindern würde man sagen, seid nicht so kindisch. Aber was sagt man in einem solchen Fall zu einem ausgewachsenen Exkandidaten?
Peinlich und für die Betroffenen böse wirkt sich eine Reihe von Vorschlägen aus, die zeigen, wo der Unterschied zwischen Schwarz und Rot-Grün liegt. Ich glaube wirklich, dass unser soziales Gewissen etwas breiter ausgeprägt ist als das Ihrige.
Da gibt es unter anderem den Vorschlag, die Sozialhilfeempfänger sollten sich selbst um eine Arbeitsstelle bemühen. Ich bin sicher, das kommt bei der rechten Klientel, die Sie ja nach Pressemeldungen bei der letzten Bundestagswahl so abgezockt haben, gut an, vor allem dann, wenn man das mit der Drohung verknüpft,
Das Einzige, wo Sie vielleicht eine kleine Unterscheidung machen ist, dass Sie von erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern sprechen, die in den Genuss Ihrer „Wohltaten“ kommen sollen. Nur leider erklären Sie auch hier nicht, wer das nach Ihrer Ansicht ist. Ist es vielleicht die allein erziehende Mutter; sie ist ja erwerbsfähig, aber was macht sie mit ihrem Kind? Ist es der Alkoholkranke? Er ist sicher in weiten Teilen erwerbsfähig, braucht aber psychosoziale Betreuung. Was ist mit den älteren Langzeitarbeitslosen, die sich oft mit zahlreichen Bewerbungen bemüht haben, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen? Sie sind erwerbsfähig, aber bei denen liegen die Probleme doch ganz wo anders und auch das sind Sozialhilfeempfänger.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin froh, dass wenigstens Rot-Grün die älteren Frauen, die eine sehr große Gruppe in der Sozialhilfe darstellen, vor dem Gang zum Sozialamt dadurch rettet, dass endlich die Grundsicherung Realität geworden ist.
Ich bin auch gespannt, wie lustig die Pendler Ihren Vorschlag finden, statt zweieinhalb Stunden täglich drei Stunden mit dem ÖPNV fahren zu sollen. Sie setzen da offensichtlich auf den Mobilitätsgedanken. Und das finden besonders diejenigen lustig, die an stillgelegten Regionalstrecken wohnen oder im S-Bahn-Bereich von München. Wenn die ihre Wartezeiten zusammenzählen, haben sie innerhalb von zwei Tagen ihr Flexibilitätssoll erfüllt.
Aber es ist ja so viel angenehmer, mit dem Finger gegen Berlin zu zeigen als zu beweisen, dass der Besen vor der eigenen Haustüre gut kehrt.
Wie sieht es nun mit dem bayerischen Haushalt aus? Echt kreativ waren Sie bei denjenigen, die am wenigsten aufmucken, den Senioren, den treuen Staatsdienern und bei den Asylbewerbern. Gerade bei den letzteren frage ich mich: Wenn die Haushaltssituation so angespannt ist, wieso richten Sie dann diese teuren Abschiebelager ein?
Ich sehe nur Folgendes: Passt die Ideologie, dann ist Geld da, dann darf die Datenbank für den Verfassungsschutz und die Polizei etwas kosten, die Datenbank zur BSE-Bekämpfung aber nicht. Der Transrapid darf kosten, die S-Bahnen für die Pendler aber nicht.
Auch denke ich an die groß angekündigte Unterstützung der Kommunen – zur Umarmung der freien Wähler verkündet und um das Volksbegehren abzuwehren –, wo es um das Einstellen des Konnexitätsprinzips in die Verfassung geht. Ihre Ankündigung wird durch Beschlüsse im kommunalen Finanzausgleich, wenn es etwa um den Bau von Krankenhäuser oder die Reduzierung im sozia
len Wohnungsbau geht, konterkariert. Ich könnte Ihnen nach den in dieser Woche stattgefundenen Ausschussberatungen eine weitere Liste von verabschiedeten Gesetzen, angefangen vom Lebensmittelüberwachungsgesetz bis hin zum EUG geben, bei denen ganz klar gegen diesen von Ihnen so groß verkündeten Grundsatz verstoßen wird.
Dass der Herr Ministerpräsident auch noch zum Zocker wird und bei den Spielbanken und beim Lotto zusätzlich noch etwas drauflegt, dafür habe ich Verständnis. Es ist ja nicht so, dass wir nicht insgesamt für die Sparmaßnahmen Verständnis aufbrächten. Uns geht es aber darum, dass sie auf Bundesebene den Mund nicht zu voll nehmen, und zwar immer dann, wenn Sie beim Sparenwollen nicht einmal Mitleid mehr mit den Menschen haben, die beispielsweise auf Sozialwohnungen angewiesen sind. Hier sollten Sie sich – auch wenn es Ihnen schwer fällt – einmal ein Beispiel am Bund nehmen. Der Bund hat bei der Haushaltssperre die Bildung und Soziales ausgespart. Davon kann man sich eine Scheibe abschneiden.
In der Berliner Zeitung verkündeten Sie am 4. Mai dieses Jahres – ich nehme an, es wird ihm zugetragen, denn er besitzt leider nicht den Anstand, sich hier herzusetzen und sich meine Ausführungen anzuhören –: „Es muss in dieser Gesellschaft irgendwie gerecht zugehen, es muss solidarisch zugehen.“