Protocol of the Session on December 5, 2002

Meine Damen und Herren, die Freigabe der Vermögensteuer in die Verfügungsmasse und Entscheidungskompetenz der Landtage wäre ein erster wichtiger Schritt hin zu mehr Handlungsspielräumen für die Landesparlamente und zu mehr Eigenverantwortlichkeit der Landespolitik. Bayern jedenfalls tritt dann gern in einen Wettbewerb der Bundesländer ein, wer die besseren Bedingungen bietet für Wachstum, Arbeitsplätze und alles, was damit in Deutschland verbunden ist.

Dass Bayern eine Spitzenposition in dieser Entwicklung einnimmt, können Sie nicht leugnen. Ich brauche hier nicht zu wiederholen, was der Herr Ministerpräsident gesagt hat, aber lassen Sie mich eines deutlich sagen: Der Einsatz der Privatisierungserlöse für die Zukunftsoffensive war gerade aus heutiger Sicht betrachtet eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft unseres Landes. Wer in den letzten zehn Jahren bei der Entscheidung über Standorte – wo siedelt man sich an, wo investiert man – in der Informationstechnologie oder in der Biotechnologie nicht dabei war, wird auf absehbare Zeit auch nicht dabei sein. Beide Entwicklungen werden trotz der Ernüchterung und der Schrumpfung auf ein Normalmaß prägend für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt sein.

Wer in den letzten zehn Jahren nicht dabei war, wird auch in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren nicht dabei sein. Die Zeit neuer Standortentscheidungen ist weitgehend vorbei. Jetzt muss sich einiges einpendeln. Es gibt natürlich Fehleinschätzungen. Gleichzeitig ist aber wahr, dass gerade mit dieser Initiative wichtige Weichen für die Weiterentwicklung in Bayern gestellt wurden. Das betrifft in besonderer Weise die Zukunftschancen der jungen Generation. Bayern ist damit der prägendste Hochtechnologiestandort in Deutschland, ohne dass wir deshalb die traditionelle Wirtschaft vernachlässigen würden.

Herr Maget, Sie sprechen von Initiativen für den Mittelstand. Die SPD hat in den letzten vier Jahren auf Bun

desebene alles getan, um dem Mittelstand das Leben schwer zu machen.

(Beifall bei der CSU)

Das können Sie mit landespolitischen Mitteln nie ausgleichen. Die Idee, eine Mittelstandsbank in Bayern zu errichten, ist nicht besonders originell, nur weil dies jetzt auf Bundesebene diskutiert wird. Wir haben mit der LfA die Strukturen. Eine neue Bank würde die Probleme nicht lösen. Ich warne davor zu glauben, dass eine Bank auf Landesebene, also ohne Beteiligung der übrigen Banken, die Situation der einzelnen Betriebe richtig beurteilen könnte. Es ist eine absurde Vorstellung, dass eine Bank in München sachgerecht beurteilen könnte, ob ein Betrieb zwischen Aschaffenburg und Traunstein förderwürdig ist oder nicht. Ohne die Beteiligung der übrigen Banken macht das überhaupt keinen Sinn. Deshalb ist der Förderweg, den wir jetzt haben, absolut richtig. Im Übrigen haben Sie mit dem, was Sie über Mittelstandspolitik verkündet haben, ein Stück Lyrik verbreitet.

Gestatten Sie mir ein Wort zur Familienpolitik. Sie arbeiten auch hier wiederum mit einer falschen Statistik. Für uns sind die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht der alleinige Maßstab für gute Familienpolitik. Sie bilden eine wichtige Komponente der Familienpolitik, sind aber nicht essenziell für Familienpolitik schlechthin. Bayern ist bei den Kinderbetreuungseinrichtungen nicht Schlusslicht. Auch durch Wiederholungen wird das Falsche nicht richtig. Der statistische Trick, den Sie anwenden, besteht darin, dass Sie die Tagesmütter nicht in die Rechnung aufnehmen wollen. Wenn man die Tagesmütter einbezieht, dann hat Bayern eine bessere Quote als die meisten SPD-geführten Bundesländer.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Ich möchte Sie auf folgenden statistisch unbestreitbaren Sachverhalt hinweisen. Bayern hat von allen Ländern in Deutschland die höchste Beschäftigungsquote bei Frauen. Wenn Bayern wirklich ein solch frauen- und familienfeindliches Land wäre, wie Sie immer behaupten, dann hätten wir diese Quote nicht. Ich werte das nicht, sondern stelle nur den statistischen Sachverhalt fest. Schon allein die schlichten Fakten lassen Ihre Propaganda in sich zusammenbrechen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Maget, ich darf noch eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen über die Generationen machen. Ich stimme Ihrer Aussage zu, dass man mit dem schwierigen, um nicht zu sagen bedrohlichen Sachverhalt der Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Finanzierung der Sozialsysteme sorgsam umgehen soll. Wer aber in oberflächlicher Weise sagt, die älteren Mitmenschen hätten eine solche Debatte nicht verdient, leistet wiederum einen Beitrag dazu, dass die wirklichen Probleme, die diese Entwicklung birgt, wieder nicht wahrgenommen werden.

Die veränderte Altersstruktur wird dramatische Auswirkungen haben. Die Finanzierung der sozialen Siche

rungssysteme wird immer schwieriger werden. So sinkt die Lohnquote, weil die sogenannten Normarbeitsverhältnisse zurückgehen und immer weniger Menschen im aktiven Erwerbsleben stehen, andererseits wird die Lebenserwartung der Bevölkerung steigen. Wir wären gut beraten, die Fakten ehrlich zu nennen, weil dies ein hochsensibles Thema ist. Ich bin sehr dafür, dass wir uns bemühen, parteiübergreifend bei dieser schwierigen Frage zusammenzuarbeiten, weil es um eine der Schicksalsfragen unseres Landes geht.

Lassen Sie mich noch einige andere Themen ansprechen. Es wird in diesen Wochen sehr deutlich, dass die öffentlichen Haushalte die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben. Diese dramatische Entwicklung ist eine Folge der Politik in Berlin, wir haben jedoch darüber hinaus auch strukturelle Probleme. Ich schließe mich der Einschätzung des Herrn Ministerpräsidenten an, dass sich die Situation in den nächsten Jahren nicht entscheidend verändern wird.

Wie gestalten wir die nächsten Haushalte angesichts dieser Situation? – Ich bin der Meinung, dass wir jetzt in allen Bereichen staatlichen Handelns die Prioritäten neu prüfen müssen. Ich war am letzten Samstag bei der Jahresversammlung der Direktoren der Gymnasien in Bayern und habe gesagt, dass wir uns darauf einstellen müssen, auf absehbare Zeit nicht mehr Ressourcen zur Verfügung zu haben als diejenigen, die jetzt eingeplant sind. Wir müssen aber gleichzeitig vieles verändern.

Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass wir alle in der Vergangenheit immer dann, wenn es uns möglich erschien, draufgesattelt haben. Heute müssen wir die Prioritäten neu durchbuchstabieren. Das gilt für alle Bereiche. Wir müssen aus dem Wichtigen das Wichtigste herausfiltern. Ich will das mit einem Beispiel verdeutlichen, das ich auch bei dieser Veranstaltung gebracht habe. Vor einigen Jahren habe ich mit einem Freund gesprochen, der in einer Stabsabteilung eines Konzerns arbeitet. Er berichtete von Sparmaßnahmen, die getroffen werden müssten, und dass von 60 Leuten 10 entlassen werden müssten. Er sagte, dass die 60 Mitarbeiter alle sinnvolle Arbeit leisteten. Auch wenn er 70 Leute hätte, könnte er sie mit sinnvoller Arbeit beschäftigen. Die Reduzierung auf 50 Arbeitnehmer zwinge jedoch die Firma zu überlegen, was für die Firma im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit wirklich unverzichtbar sei. Er sagte, dass diese Arbeit auch mit 50 Mitarbeitern zu bewältigen sei.

Wir haben uns bislang solche Fragen in dieser Konsequenz nicht gestellt. Nicht nur die Politik, sondern auch die Verwaltungen müssen sich damit beschäftigen, wie die Eigendynamik, die zu immer größerer Expansion führt, durchbrochen wird. Wir müssen uns überlegen, wie wir den Perfektionismus in den Fachverwaltungen brechen, der zu immer mehr Aufwand führt.

Die Menschen denken dabei an nichts Schlimmes. Sie möchten ihre Arbeit möglichst gut machen. Wenn wir es aber bis in die Fachverwaltungen hinein nicht schaffen, dieses Denken zu ändern, kommen wir aus dieser fatalen Eigendynamik nicht heraus. Wir zerbrechen uns den Kopf über die Entwicklung und neben uns gibt es immer

mehr Perfektionismus und mehr Aufwand. Wir in der Politik, aber auch die Damen und Herren in der Verwaltung brauchen den Mut zur vertretbaren Lücke. Ich sage: zur vertretbaren Lücke. Man kann natürlich nicht überall beliebig Lücken lassen. Wir haben in diesem Sinne am Dienstag im Fraktionsvorstand eine im Haus beratene Regelung gestrichen, weil wir keinen zwingenden Regelungsbedarf gesehen haben.

Aus meiner Sicht sind diese Prüfungen dringend notwendig.

Wir werden uns über die Zukunft des öffentlichen Dienstes noch mehr den Kopf zerbrechen müssen. Wir haben den Menschen im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren immer wieder einiges zumuten müssen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren wahrscheinlich weitere Haushaltsschwierigkeiten haben werden, dann kann es natürlich keine Perspektive sein, dass in einer solchen Fortsetzungsgeschichte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes immer wieder in diesem Umfang mit dabei sind.

Wenn wir aber gleichzeitig eine hohe Personalausgabenquote mit einer atemberaubend ansteigenden Versorgungsquote haben, müssen wir uns generell überlegen, wie wir mittelfristig mit weniger Personal auskommen. Das geht jedoch nicht dadurch, dass wir einfach Personal wegstreichen, sondern wir müssen Aufgaben abbauen, und damit stehen wir alle miteinander vor der Frage, wo eine zumutbare Lücke ist. Wir müssen es dann auch miteinander durchstehen, zumutbare Lücken zuzulassen. Ich möchte dem öffentlichen Dienst in Bayern ausdrücklich unsere Anerkennung für die Qualität unserer Staatsverwaltung aussprechen. Das gilt für alle Bereiche.

(Anhaltender Beifall bei der (CSU))

Herr Maget, dass die Verwaltung so gut ist, steht im hohen Maße damit in Zusammenhang, dass wir nicht wie dort, wo Sie regieren, das Leistungsprinzip durch das Gesinnungsprinzip ersetzt haben, sondern damit, dass in Bayern immer und auch weiterhin das Leistungsprinzip gilt. Eine starke Verwaltung ist auch immer ein Stück Kontrolle gegenüber der Politik.

(Beifall bei der CSU – Hoderlein (SPD): Das ist ein dicker Hund! – Maget (SPD): Wie viele Sozialdemokraten gibt es denn bei Ihnen? – Frau Radermacher (SPD): Wie viele Sozialdemokraten gibt es in der Staatskanzlei und in den Ministerien?)

Meine Damen und Herren, ich hatte mir hier noch das Stichwort Kommunen aufgeschrieben. Nachdem ich aber schon ein Zeichen wegen der Redezeit bekommen habe, will ich das einmal beiseite lassen.

(Maget (SPD): Heuchler!)

Lassen sie mich aber noch ein Thema ansprechen, welches mir Sorgen macht. Es ist die Situation der Menschen in der Landwirtschaft.

(Frau Radermacher (SPD): Heuchler hoch zwei !)

Frau Radermacher, Heuchler hoch zwei, das ist Ihr Niveau. Schauen sie doch lieber einmal in den Spiegel hinein.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Herr Glück, das ist aber geheuchelt!)

Fragen Sie doch einmal selbst, woran es liegt, dass auch nach 40 Jahren Regierungsverantwortung dieser Partei die bayerische Staatsverwaltung bundesweit ein so hohes Ansehen genießt.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, Sorgen macht es mir, wie die Menschen in der Landwirtschaft ihre Situation sehen. Die Situation ist einmal bestimmt durch die EU-Erweiterung und zum anderen durch die EU-Agrarreform. Ich möchte aber auch ganz offen eine Entwicklung ansprechen, deren Folgen die Skandalisierung der Politik in den verschiedensten Bereichen ist. Diese Entwicklung führt zu äußerster Vorsicht. Solange die Methode „Kopf ab“ gilt, weil man jemand schuldig sprechen könnte, solange bei einem bestimmten Problem der die meiste Resonanz hat, der Skandal schreit, geraten wir in eine Entwicklung, die wir momentan in der Landwirtschaft exemplarisch verfolgen können.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann hätten sie doch etwas gegen BSE gemacht!)

Mit dem Tierarzneimittelgesetz haben wir eine bundesrechtliche Regelung, welche in der Wirklichkeit vieler landwirtschaftlicher Betriebe praktisch nicht vollzogen werden kann.

(Beifall bei der (CSU))

Auch unter dem Aspekt des Tierschutzes ist diese Regelung in vielen Situationen nicht zu vertreten. Den Betrieben bleibt in manchen Situationen nur die Wahl, entweder illegal zu handeln, um den Tieren zu helfen, oder Regeln des Tierschutzes zu verletzen und insgesamt in Schwierigkeiten zu kommen. Wie paradox manche Situationen sind, darf ich ihnen an einem Beispiel deutlich machen. Ein Landwirt, den ich gut kenne und dessen Gewissenhaftigkeit ich vor allem kenne, sagt mir, er führe kein Stallbuch, wie es vorgeschrieben sei. Denn wenn er dabei erwischt werde, begehe er nur eine Ordnungswidrigkeit. Wenn er aber bei einem seiner vielen Tiere in seiner Mutter-Sauen-Haltung nur einen falschen Eintrag mache, wäre es strafrechtlich relevant. Das kann so nicht bleiben.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, von der Opposition, helfen sie mit in den Beratungen im Bundestag und im Bundesrat Regelungen zu schaffen, die den natürlich notwendigen Verbraucherschutz garantieren, die aber auch im Vollzug praktikabel sind. Natürlich darf es im Verbraucherschutz keine Einschränkungen geben, die wir den Menschen nicht zumuten können. Beseitigen wir das Klima, unter dem heute viele Menschen in der Landwirtschaft leiden. Sie sehen sich einer Generalverdächtigung ausgesetzt und empfinden das nicht ganz zu unrecht als Demütigung.

(Beifall bei der (CSU))

Nur eine kurze Zwischenbemerkung, bevor ich mit Blick auf die Redezeit auch einen kurzen Schluss mache. Ich habe in Vorbereitung auf diese Rede den ungeordneten Teil meiner Ablage durchgeblättert und bin dabei auf eine Mappe mit dem Titel „Gewaltdiskussion nach Erfurt“ gestoßen. In dem Moment ist mir der Gedanke gekommen, dass wir zwar die eine oder andere Sicherheitsvorkehrung und Strafrechtsnorm eingeführt haben. Allerdings fürchte ich, dass wir in der Substanz in Deutschland keinerlei Veränderungen erreicht haben, weder in den Medien noch in anderen Bereichen. Im Zweifelsfall wird der Anspruch auf Freiheit immer höher bewertet als die notwendigen Begrenzungen. Ich fürchte, dass wir uns in einer gefährlichen Entwicklung befinden, bei der wir auch Glaubwürdigkeit verlieren. Bei der nächsten Gewalttat wird es in Deutschland wieder eine kollektive Aufregung geben, anschließend aber wird wieder wenig passieren. Ich möchte diese Aufgabe uns allen gemeinsam mitgeben, ich deute nicht auf irgendeine Seite. Mich bedrückt diese Situation, wenn ich mir sie vor Augen halte.

Heute stellt sich in Deutschland die Grundsatzfrage, woher diese fatalen Fehlentwicklungen kommen. Die vielen Probleme lassen sich letztlich auf eine zentrale Ursache zurückführen. Es ist der verhängnisvolle Trend von immer mehr Staat und immer weniger Eigenverantwortung. Dieser Trend führt uns zu Lähmung, Entmutigung, Reglementierung und damit auch -

(Maget (SPD): Stimmt doch nicht!)

Herr Maget, wenn das nicht stimmt, haben Sie, glaube ich, die Schlüsselprobleme in Deutschland noch immer nicht richtig verstanden.

(Beifall bei der CSU)

Die Antwort von rot-grün heißt bei jedem Problem immer noch mehr Staat.

(Maget (SPD): Die Staatsquote ist doch gesunken!)

Es geht doch nicht nur um die Staatsquote. Diese Feststellung stimmte doch wirklich in den letzten vier Jahren, und sie stimmt in diesen Wochen wieder ganz besonders.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Sie trauen den Menschen nichts zu. Sie reglementieren. Die Antwort der FDP heißt radikale Entstaatlichung. Das kann aber auch nicht unsere Antwort sein. Unsere Antwort heißt eine Verantwortungsgemeinschaft von Bürger und Staat. Dabei ist einiges noch auszubalancieren. Nur so werden wir die Kräfte in Deutschland wecken können. Dass wir in Bayern eine so überdurchschnittlich gute Entwicklung haben, hängt wesentlich damit zusammen, dass wir in diesem Land hinsichtlich Einstellungen, Verhaltensweisen, Solidarität, Leistungsbewusstsein, Verbindung zur Tradition, Gemeinschaftsleben und all dem, was der Ministerpräsident als Lebensqualität beschrieben hat, eine höhere Grundübereinstimmung haben.