Protocol of the Session on November 12, 2002

Ich sage Ihnen zum Schluss noch eines: Sie haben hier beantragt, auf die Absenkung der linearen Gebäudeabschreibung solle verzichtet und die degressive Gebäudeabschreibung im bisherigen Umfang beibehalten werden. Sie wissen ganz genau, dass das, was Sie hier schreiben, nicht mehr stimmt. Die Meinung in Berlin hat sich geändert. Man geht nicht auf 2% Abschreibung, sondern auf 3% für die ersten acht Jahre.

Das Allerhöchste an der Geschichte ist: Glauben Sie, wir haben vergessen, was Sie vor sechs oder sieben Jahren noch selbst beantragt haben? Damals hatten Sie eine Steuerreform gemacht, bei der Sie genau das forciert haben, was Sie jetzt dieser Regierung vorwerfen. Das ist unlauter. Ihre Steuerreform sah vor, dass die Abschreibung für den Mietwohnungsbau auf jährlich 2% reduziert wird. Das kritisieren Sie jetzt lauthals und machen das der Bundesregierung zum Vorwurf.

Damit habe ich das Wesentliche gesagt.

(Zuruf von der CSU: Es reicht!)

Wenn Sie sagen, es reicht, dann müsste ich eigentlich weiterreden. Ich erspare Ihnen das, damit Sie geschont werden.

Ich finde, es ist unlauter, dass Sie diesen Dringlichkeitsantrag stellen. Ich fände es ausgesprochen hilfreich, wenn Sie diesen Antrag zurückziehen würden. Damit wäre der Sache eher gedient.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Pschierer.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema der Aktuellen

Stunde heißt „Auswirkungen der Vorhaben der Bundesregierung auf die Wirtschaft in Bayern“. Ich will abschließend zu dieser Aktuellen Stunde vielleicht doch ein paar grundsätzliche Dinge sagen.

(Wahnschaffe (SPD): Das ist sehr schön, dass Sie es noch einmal anführen!)

Herr Wahnschaffe, Ihr Redebeitrag hat mich wirklich dazu ermuntert. Die Zitate, die ich jetzt anführe, stammen nicht von der Landesleitung der CSU, und sie stammen auch nicht von mir. Sie stammen aus der Presse über den Freistaat Bayern oder sogar aus der überregionalen Presse: „mutlos, kraftlos, konzeptlos“. Das sind die Bezeichnungen, die man auf diese Bundesregierung derzeit anwendet.

(Beifall bei der CSU)

Ich muss eines deutlich herausstellen: Kollege Dr. Kaiser hat sich hier hingestellt und hat zwei Begriffe in den Mund genommen, nämlich Konsolidieren und Reformieren. Da habe ich mich ernsthaft gefragt, ob man es ihm aufgeschrieben hat. Ich kenne ihn ja, ich kann mir nicht vorstellen, dass er das selbst glaubt. Das Wort Konsolidieren sollten Sie als Sozialdemokraten derzeit nicht mehr in den Mund nehmen. Sie haben den Wählern vor der Bundestagswahl erzählt, die Haushaltssituation sei solide. Sie haben den Blauen Brief aus Brüssel bis zum 22. September mit großer Mühe abgewehrt. Danach ist er gekommen. Das heißt, das Land in der Europäischen Gemeinschaft, das den Euro mit auf den Weg gebracht hat, ist nicht mehr in der Lage, die Stabilitätskriterien zu erfüllen.

(Gartzke (SPD): Der Euro steigt doch!)

Dann behaupten Sie, das sei eine Konsolidierung der Staatsfinanzen. Das ist Wählertäuschung, sonst gar nichts.

Nächster Punkt. Reformieren. Sagen Sie mir einen Punkt, mit dem Sie in den letzten Wochen auch nur den Ansatz dafür gezeigt haben, ein Reformkonzept auf den Weg zu bringen. Ich will beim Thema soziale Sicherungssysteme beginnen. Bei den sozialen Sicherungssystemen sind Sie vor der Bundestagswahl angetreten und haben gesagt: stabil, solide finanziert, keine Beitragserhöhungen. Wir haben im nächsten Jahr einen Spitzenwert bei der Beitragsbemessungsgrenze. Sie haben den Betrag auf 5100 Euro angehoben.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Wir haben Spitzenwerte bei den Belastungen. Sie sind Spitzenreiter, wenn es um das Abzocken geht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Gartzke (SPD): Das ist Gerechtigkeit!)

Nein. Sie haben vor der Wahl etwas anderes gesagt, und das werden wir Ihnen vorhalten. Übrigens sollten Sie als bayerische SPD nicht so laut sein. Sie sind aus dieser Bundestagswahl als der eindeutige Verlierer hervorgegangen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von Abgeordneten der SPD)

Es wundert mich sowieso immer, wie Sie hier mit stolzgeschwellter Brust auftreten. Die 28% der Bevölkerung, die Sie gewählt haben, haben Sie meist aus Mitleid gewählt und nicht aus Überzeugung.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von Abgeordneten der SPD)

Kommen wir jetzt ganz konkret zu den Auswirkungen Ihrer Politik auf Bayern. Um die Auswirkungen zu überprüfen, müssen wir feststellen, wie die Ausgangssituation in Bayern ist. Ich kann Ihnen eine Studie zitieren von einem renommierten Institut, und zwar von Cap, Gemini, Ernst & Young. Das ist ein international renommiertes Institut. Auf die Frage, wer von den 16 Bundesländern das unternehmer- und unternehmensfreundlichste Bundesland ist, findet man dort die Antwort: Mit weitem Abstand ist das der Freistaat Bayern. Nehmen Sie uns deshalb bitte ab, dass es uns ernsthaft darum geht, die Auswirkungen, die von Ihnen aus Berlin kommen, kritisch zu hinterfragen.

(Wahnschaffe (SPD): Dann tun Sie doch was!)

Ich komme noch einmal zum Thema Steuerpolitik. Angefangen von der Mehrwertsteuer über die Ökosteuer bis zur Spekulationssteuer: Vieles was Sie jetzt in die Steuergesetzgebung hineinschreiben dient nur dazu, Ihre leeren Haushaltslöcher zu füllen. Ihre Sozialpolitik hat massivste Auswirkungen auf die Beschäftigten im Freistaat Bayern durch die Anhebung der Sozialversicherungspflicht, der Beitragsbemessungsgrenze und des Sozialversicherungsbeitrags. Die größte Täuschung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, machen Sie derzeit mit Ihrem Hartz-Konzept. Was das Marketing angeht, ist das wirklich perfekt. Sie geben vor, mit dem Konzept Arbeitsplätze zu schaffen.

(Wahnschaffe (SPD): Das hat nie einer behauptet!)

Wissen Sie, was Sie machen? Sie betreiben Etikettenschwindel, indem Sie bisherige Arbeitslose zu Lohnempfängern machen. Anstatt die Leute an eine Personalserviceagentur zu geben, könnten Sie sie auch gleich verbeamten. Das hätte den gleichen Effekt.

(Wahnschaffe (SPD): Was sind Ihre Alternativen?)

Damit haben Sie die Arbeitslosigkeit nicht beseitigt. Zum Thema Ich-AG. Das ist das Höchste. Allein die Formulierung. Sie haben sich dagegen gewehrt, als wir damals sagten, wir wollen das Scheinselbstständigkeitsgesetz rückgängig machen. Jetzt machen Sie das selbst, und zwar in verschärfter Form. Ich warne Sie deshalb schon heute: Sie werden bei der Ich-AG erleben, dass es zu gewaltigen Mitnahmeeffekten kommt. Das haben Sie nicht bedacht.

Nächster Punkt: Finanzplatz Freistaat Bayern. Herr Staatsminister Wiesheu hat eben ausgeführt, dass es uns darum geht, privates Beteiligungskapital auch weiterhin für Investitionen in Firmen mobilisieren zu können.

Das kann man aber nicht, wenn man den Aktienmarkt kaputt macht. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass wir am neuen Markt alle schwierigen Zeiten durchlebt haben. Aber mit der Politik, die Sie jetzt machen, machen Sie den Fiinanzmarkt Bayern kaputt.

Letzter Punkt: Auswirkungen im Bereich der Landwirtschaft. Stellen Sie sich doch einmal vor, was es bedeutet, wenn Sie an die Durchschnittsermittlung bei den Gewinnen an § 13 des Einkommensteuergesetzes, an § 24 der Umsatzsteuerpauschalierung und an ähnliche gesetzliche Vorgaben herangehen.

(Beifall des Abgeordneten Kuchenbaur (CSU))

Allerletzter Punkt: Außenwirtschaftspolitik. Ich werfe Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD vor, dass die Außenpolitik der Bundesrepublik derzeit nur vom Bayerischen Ministerpräsidenten und dem Bayerischen Wirtschaftsminister gemacht wird. Auf Sie hört in Asien, China und Amerika kein Mensch. Aber genau dorthin müssen wir nun einmal unsere Produkte verkaufen. Machen Sie eine andere Politik, eine andere Steuerpolitik, dann bekommen Sie von uns gelegentlich auch wieder ein Lob.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kupka.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zur Nummer 3 des Dringlichkeitsantrags 14/10797 kurz Stellung nehmen und Ihnen anhand des § 23 des Einkommensteuergesetzes aufzeigen, wie unser Staat die Bürger zunächst täuscht, sie dann lockt, Investitionen zu tätigen, um sie anschließend skrupellos – ich betone skrupellos – auszubeuten. Und er macht dies in einer Situation, in der die Bürgerinnen und Bürger keine Chance haben, ihre Lebenssituation und ihre Lebensplanung zu ändern. Viele, die hier sitzen, sei es auf der Besuchertribüne oder auf der Abgeordnetenbank, sind vielleicht selbst davon betroffen.

Der § 23 des Einkommensteuergesetzes sah zunächst einmal die Versteuerung von Gewinnen aus Spekulationsgeschäften vor. 1998 mutierte er zu einem Besteuerungstatbestand für Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken usw., und zwar rückwirkend auf zehn Jahre. Jetzt beabsichtigt die Bundesregierung, diesen Paragrafen zu einem Spekulationsparagrafen auf Lebenszeit zu degenerieren. Sie haben damit überhaupt keine Chance mehr, aus einer Steuerverstrickung herauszukommen. Das passiert Menschen, die sich mit erspartem Geld eine Wohnung gekauft haben. Diese Wohnung wird künftig versteuert, ganz gleichgültig, ob sie beim Verkauf Gewinn gemacht haben oder nicht.

Ich will Ihnen hierzu zwei Beispiele nennen, damit Sie wissen, wovon ich rede. Nehmen wir einen mittelständischen Unternehmer, der vor 15 Jahren für 500000 Euro ein Mehrfamilienhaus gekauft hat. Jetzt verkauft er es für 750000 Euro. Er hat auf dieses Haus Hypotheken in Höhe von 300000 Euro aufgenommen. Davon hat er

100000 Euro bezahlt. Wissen Sie, wie die Rechnung lautet, wenn er das Haus für 750000 Euro verkauft? Auf die 750000 Euro werden 150000 Euro Abschreibungsgewinn hinzugerechnet. Er muss also 900000 Euro gegenüber dem Anschaffungswert von 500000 Euro versteuern. Wenn er die Steuer bezahlt hat, reicht der verbliebene Gewinn wegen des noch anfallenden Solidaritätszuschlags nicht aus, seine Hypothekenschulden zu bezahlen. Meine Damen und Herren, das ist eine Erdrosselungssteuer! Das hat nichts mit einem soliden Staat zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Sie brauchen sich doch nur einmal die Investoren anzuschauen, die auf Geheiß der Bundesregierung im Osten investiert haben. Sie werden hunderttausende Euro Schulden haben, aber keine Wohnung mehr. Hinzu kommt, dass es nicht nur um Steuerfragen geht. Hier werden ganze Lebensplanungen zerstört. Es tritt eine Katastrophe auf dem Wohnungsmarkt ein. Vor allem aber führt das zu einem Vertrauensverlust in die Politik. Über eines muss man sich klar werden: Wenn der Bürger das Gefühl hat, dass es dem Staat an Unrechtsbewusstsein fehlt, warum sollte er dann Rechtschaffenheit an den Tag legen? Auch er wird unrecht handeln. Wir sehen doch schon heute, wohin das führt. Es wird Unterverbriefungen geben und Kapitalflucht. Es wird nicht diejenigen treffen, die große Vermögen haben, meine Damen und Herren. Die sind doch bereits jetzt bei Steuerberatern und Rechtsanwälten und machen Konstruktionen mit GmbH und Co. KGs. Der kleine Mann aber, der eine oder zwei Wohnungen hat, der sich eine teurere Beratung nicht leisten kann, wird abgezockt. Wenn er heute seine Wohnung verkaufen will, um sich einen Altenheimplatz zu kaufen, dann bleiben ihm außer Schulden nichts übrig. Das ist ein Saustall!

(Beifall bei der CSU)

Zu dieser Erdrosselungssteuer tritt nun noch eine umfangreiche Gift-Liste: Heruntersetzung der linearen AfA, Abschaffung oder Reduzierung der degressiven AfA und noch etwas, was ich überhaupt nicht verstehe, meine sehr verehrten Damen und Herren. Man muss sich einmal vorstellen, was beabsichtigt ist. Werbungskosten bei fremd vermieteten Wohnungen sollen nur dann in voller Höhe abgezogen werden dürfen, wenn der Vermieter mindestens 75% der ortsüblichen Miete verlangt. Wenn sich also ein Vermieter sozial gibt, wird er durch einen geringeren Abzug der Werbungskosten bestraft. Wer ist denn der Leidtragende? – Das sind doch die kleinen Leute, die Mieter, die Sie hier treffen. Das sind nicht die Großen. Das ist unglaublich, das ist keine soziale Politik.

(Beifall bei der CSU)

Sie aber bezeichnen das – fast schon zynisch – als Subventionsabbau. Einer der davon betroffen ist, hat zu mir gesagt: Es kommt mir so vor, wie wenn ich jemand mit einem Fußtritt niedergestreckt habe und dann spucke ich ihm noch ins Gesicht.

So denken die Bürger allmählich. Sie haben keinen Respekt mehr vor diesem Staat.

Der Exodus hat schon begonnen, meine Damen und Herren. Ein Bürgermeister in meinem Stimmkreis hat mir Folgendes gesagt: „Kennen Sie die Anschrift Koogstraat Nummer 3 in 25870 Norderfriedrichskoog?“ Eine Hallig! Dorthin wandern jetzt massenweise seine Betriebe und begehen Steuerflucht. Andere machen es über andere Systeme. Oder man geht nach Österreich.

Es ist doch eine Schande für unser Land! Wenn Sie von Österreich nach Bayern fahren, heißt es: „Letzte Tankstelle vor der Landesgrenze“. Man meint, dort wird ein Volksfest gefeiert. Wissen Sie, was dort los ist? Man spart dort in großem Umfang die Ökosteuer. Sie könnten genauso gut hinschreiben: „Hier verlassen Sie die wirtschaftsfreundliche Zone und kommen in die Bundesrepublik!“