Protocol of the Session on March 7, 2024

Ich werbe deshalb hier für Ihre Unterstützung. Lassen Sie uns gemeinsam, das ganze Haus, für ein vernünftiges Geschwin digkeitsniveau auf unseren Straßen kämpfen, innerorts und außerorts, damit die von uns allen geteilte „Vision Zero – Null Verkehrstote“ auch erreicht wird. Geben wir den Kommunen mehr Handlungsspielräume für die Einrichtung von Tempo 30 durch ein modernes Straßengesetz, wie es inzwischen 1 051 Kommunen der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemein den durch angemessene Geschwindigkeiten“ wünschen.

2020 wurde der Überholabstand gesetzlich normiert. Aber lei der kann die Polizei derzeit gar nicht sicherstellen, dass die se Regeln eingehalten werden. Dabei gibt es mit dem Open BikeSensor bereits eine technische Lösung, die hierfür eine vielversprechende Grundlage bietet.

Sehr geehrter Herr Innenminister Strobl, lassen Sie BadenWürttemberg das erste Bundesland werden, das eine rechts sichere Messung von Überholabständen sowohl innerorts als auch außerorts ermöglicht. Auch das gehört zum Fahrradland Nummer 1.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. August Schu ler CDU)

Ich komme zum Schluss. Das Fahrrad war nicht nur als Eman zipator erfolgreich, es ist eine Rundumerfolgsgeschichte aus Baden-Württemberg. Es wurde vor rund 200 Jahren in Mann heim erfunden, um in der Hungersnot Getreide einzusparen und Pferde zu ersetzen. Heute stehen wir wieder vor der He rausforderung einer Mobilitätswende. Wir müssen fossile Ver brenner ersetzen. Auch hier ist das Fahrrad Teil der Lösung, ist es doch das klima- und umweltfreundlichste Verkehrsmit tel.

Aber das Fahrrad kann noch mehr: Tourismus, Wirtschaft, Ge sundheit und Teilhabe. Die RadSTRATEGIE ist dafür unsere hervorragende Grundlage, damit es im ganzen Land so wird, wie es in meiner Geburtsstadt Münster seit vielen Jahrzehn ten ist: Fahrradfahren ist völlig normal, Fahrradfahren ist ge lebte Alltagskultur.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Schuler.

(Abg. Anton Baron AfD: Jetzt spricht jemand Klar text!)

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Unser Land ist Spitzenreiter aller Bundes länder in Sachen Radkultur und Radverkehr. Das will ich zu Beginn einmal festhalten. Wir fördern den Radverkehr strate gisch und mit einem langfristigen Plan.

Das Ziel für die Zukunft ist, die Mobilität mit dem Fahrrad als modernes und vielseitiges Fortbewegungsmittel weiter zu forcieren. Damit wollen wir langfristig den Radverkehr als ei ne wichtige Säule der Mobilität stärken. Im Koalitionsvertrag haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2030 eine Steigerung des Radverkehrsanteils in Baden-Württemberg auf bis zu 20 % zu erreichen. Einige Städte wie Heidelberg, Freiburg, Karlsruhe oder Konstanz haben dies bereits geschafft und erreichen bis zu 25 %.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachhaltige Mobilität in un seren Städten bedeutet eine bestmögliche Verknüpfung aller Verkehrsträger und eine gemeinschaftliche Nutzung des Stra ßenraums, auch und vor allem mit dem Rad. Umweltfreund lich, flexibel und elektrisch – das Fahrrad erobert die Mobili tät im Alltag. Die Fakten: über zwei Millionen Radverkäufe pro Jahr, darunter etwa eine Million E-Bikes, Tendenz stei gend; über 80 Millionen Räder gibt es in Deutschland.

Damit der Radverkehr weiter vorankommt, müssen weitere attraktive, zusammenhängende und sichere Radverkehrsnet ze geschaffen werden. Dazu gehören die Umsetzung und Fort entwicklung der RadNETZ-Zielsetzungen, die Verwirklichung von weiteren Radschnellwegen bis 2030 für Berufspendler und auch Lückenschlüsse für Radwege im ländlichen Raum, die uns besonders wichtig sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Mit unserer RadSTRATEGIE unterstützt das Land die Kom munen und Landkreise als zentrale Akteure und Partner. Ob

wohl die Infrastruktur für Radfahrer immer besser wird, hat die klimafreundliche Fortbewegung ihren Preis. Leider steigt mit der Zahl der Radfahrer auch die Anzahl der Unfalltoten und Verletzten im Land. 2022 registrierte die Statistik im Land 75 tödliche Unfälle und etwa 13 000 Radunfälle.

Unser Ziel heißt: Vision Zero; das haben wir schon gehört. Auch für uns ist diese Strategie zur Vermeidung tödlicher und schwerer Unfälle im Straßenverkehr das Ziel. Radwege sol len möglichst baulich getrennt vom Autoverkehr und auch von Gehwegen verlaufen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hermann Katzen stein GRÜNE)

Von erheblicher Bedeutung erachten wir auch die systemati sche Unfallauswertung in den Kommunen. Dazu gehört eine vertiefte Verkehrserziehung als Prävention, und dazu gehören sichere Rad- und Schulwege. Doch noch immer tragen zu we nige Radfahrer Helme, und noch immer sind Radler unter wegs, die keineswegs ein verkehrstauglich ausgestattetes Bike fahren.

(Abg. Anton Baron AfD: Da brauchen wir ein neues Gutachten vom Minister!)

Und noch immer halten Pkw-Fahrer den 2-m-Abstand nicht ein. Weitere Aufklärungsarbeit ist hier notwendig. Hierfür set zen wir auch auf die erfolgreiche Partnerschaft mit den Ver bänden, wie etwa dem ADFC Baden-Württemberg und der Landesverkehrswacht. Ein großes Dankeschön an diese Ver bände für ihr großes ehrenamtliches Engagement.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Hermann Kat zenstein und Gudula Achterberg GRÜNE)

Die letzte Wirkungskontrolle unserer RadSTRATEGIE im Jahr 2022 zeigt aber auch klar auf: Es gibt noch viel zu tun. Vor Ort in den Kommunen bzw. bei den Radfahrern sind die Ergebnisse nicht überall und flächendeckend spürbar. Vom ADFC gibt es etwa kritische Töne wie „Radverkehr gestalten statt verwalten“.

Tatsache ist, dass Baden-Württemberg mit seiner RadSTRA TEGIE Vorreiter in der Bundesrepublik ist. Kein anderes Bun desland gibt dem Radverkehr so viel Aufmerksamkeit wie un ser Land. Das misst sich schon allein daran, dass der Südwes ten den höchsten Mittelzufluss des Bundes verzeichnet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Mit dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur des Landes för dert auch das Bundesverkehrsministerium mit dem Sonder programm „Stadt und Land“ den Radverkehr und somit erst mals die nachhaltige und sichere Mobilität sowie die Trans formation der Infrastruktur für den Radverkehr. Das Bundes programm soll bis 2028 fortgeschrieben werden. Unter Ein bindung der Landesfördermittel können unsere Kommunen attraktive Fördersätze von bis zu 90 % in Anspruch nehmen.

Ziel der Programme ist es, die Attraktivität des Radverkehrs sowohl in urbanen als auch in ländlichen Räumen zu steigern. Ein Ziel der RadSTRATEGIE ist die Nutzerzahlerhöhung um 30 %. Je sicherer und durchgängiger die Radverbindungen

sind, desto mehr Menschen wechseln auf das Rad. Wir, das Land, nehmen auch eine Vorbildfunktion ein wie beim im Ok tober 2020 eingeführten JobBike BW.

Unser interfraktioneller „Parlamentskreis Fahrrad“ ist bun desweit der einzige in einem Landtag zum Thema Radverkehr. Danke auch an den Kollegen Katzenstein für diese partner schaftliche Zusammenarbeit.

(Beifall des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Ich muss jetzt etwas abkürzen und komme zu den letzten Sät zen. Die RadSTRATEGIE in Baden-Württemberg ist auf ei nem guten Weg, bedarf jedoch stetiger Evaluierung und Wir kungskontrolle in den einzelnen Handlungsfeldern. Besonde res Gewicht wollen wir weiterhin auf Infrastruktur, Verkehrs sicherheit und Radtourismus legen. Land, Kommunen sowie alle Radexperten und Verbände sind dabei partnerschaftlich gefordert, um den Radverkehr in unserem Land gemeinsam zu gestalten und nicht zu verwalten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Röderer.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Da men und Herren! Baden-Württemberg ist ein Gründungsland der Mobilität. Hier wurde nicht nur das Auto erfunden, son dern auch das Fahrrad. Deswegen ist es nur konsequent, dass sich die Landespolitik wieder vermehrt diesem Fortbewe gungsmittel zugewandt hat.

Deswegen war es gut, dass bereits Anfang 2016 – wir haben es schon gehört, damals noch unter Grün-Rot – die RadSTRA TEGIE des Landes verabschiedet wurde, über die wir hier heute sprechen.

Allerdings ist das auch schon über acht Jahre her. Mit Verlaub, Herr Kollege Katzenstein und Herr Kollege Schuler, diesem Loblied auf die herausragenden Erfolge der Landesregierung kann ich an dieser Stelle natürlich nicht zustimmen.

(Abg. Thomas Dörflinger CDU: Was heißt denn das?)

Der Radverkehrsanteil am Modal Split hat sich trotz Rad STRATEGIE von 2017 auf 2022 gerade einmal um zwei Pro zentpunkte erhöht. 2022 – da ist die letzte Wirkungskontrol le erfolgt – lag er dann bei 12 %. Im Koalitionsvertrag haben Sie sich wieder einmal ein hohes Ziel gesetzt und wollen bis 2030 auf 20 % kommen. Das ist sehr ambitioniert, aber es geht halt einfach nicht voran. Herr Kollege Katzenstein, Sie haben gesagt, Sie seien auf dem Weg. Der Weg ist aber noch ver dammt lang und aufgrund des schleppenden Ausbaus eben auch verdammt holprig.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle muss man zwar anerkennen – ganz klar –: Oh ne den amtierenden Verkehrsminister und sein Engagement für das Fahrrad wäre man wahrscheinlich nicht dort, wo man heute ist.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Genau!)

Aber man muss natürlich auch sagen: Dieser verbissene Ein satz für dieses Verkehrsmittel bringt natürlich auch Defizite an anderen Stellen mit sich. Wenn der Fokus auf der perfek ten Umsetzung einiger Großprojekte liegt und man Stellen verschiebt, um diese Großprojekte umzusetzen, dann fehlt es eben an anderen Stellen.

Schauen wir noch einmal auf die Bilanz nach acht Jahren. Die größten Mängel gibt es nach wie vor in der Infrastruktur. Der Bau von Radwegen – ich habe es schon angedeutet – kommt ebenso wie der Bau von Schienenstrecken wie auch der Bau von Straßen nur schleppend und zögerlich voran. Kollege Kenner hat es in Bezug auf den Radschnellweg bei ihm vor Ort schon angesprochen. Die Unterfinanzierung der Straßen bauverwaltung, die auch für die Planung und den Bau von Radwegen zuständig ist, ist offensichtlich einer der Haupt gründe dafür.

(Beifall bei der SPD)

Bislang waren dieser Verkehrsminister und die Koalition eben nicht willens oder in der Lage, hier wirklich Abhilfe zu schaf fen. Und deswegen an dieser Stelle auch noch die knappen Planungskapazitäten in Richtung Radverkehrsinfrastruktur umzuverteilen erscheint uns angesichts der Defizite auch in den Bereichen Straße und Schiene der falsche Weg.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Wir brauchen dringend mehr Personal für alle drei Bereiche.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut!)

Der Stellenaufwuchs zur Bearbeitung und Abrechnung von Projekten des GVFG und des LGVFG – Herr Kollege Schu ler hat die hohen Förderquoten des Bundes, die auch an das Land gehen, angesprochen – hat aber in keiner Weise Schritt gehalten mit der gestiegenen Menge an Fördermitteln, die nach Baden-Württemberg geflossen sind. Die Strategie für den Rad verkehr, immer nach der perfekten Lösung zu suchen, braucht viel Zeit und Geld. Nach acht Jahren RadSTRATEGIE haben wir noch immer 500 km Netzlücken. Über 50 % des Radnet zes liegen bei uns noch unterhalb des Zielstandards, und das ist eben ganz klar eine Folge der Fokussierung auf teure Rad schnellwege. Bei den einfachen Lückenschlüssen ziehen die Kommunen mittlerweile ihre Förderanträge zurück, weil ein fach eine mittelfristige Umsetzung nicht in Aussicht steht. An spruch des Ministers und Wirklichkeit klaffen auch hier weit auseinander.