Protocol of the Session on December 14, 2022

Denn die Betroffenheit der Menschen und auch der Unterneh men in diesem Land, was die aktuelle Situation angeht, ist durchaus sehr unterschiedlich. Nach Angaben des Sparkas senpräsidenten konnten in unserem reichen Land Baden-Würt temberg schon vor der Coronakrise 40 % der Privathaushalte am Ende des Monats kein Geld ansparen und keine Rückla gen bilden, sind also jeden Monat nur so einigermaßen über die Runden gekommen – nicht 5 % oder 10 % der Privathaus halte, sondern 40 %. Während der Krisen, der Coronakrise und auch der aktuellen Energiepreiskrise mit gestiegenen Le benshaltungskosten, ist diese Zahl inzwischen auf über 60 % der Privathaushalte angestiegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bedeutet, dass viele Menschen am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen zahlen sollen, und in der aktuellen Situ ation Angst davor haben, dass sie aus ihren Wohnungen flie

gen, wenn sie ihre Miete oder ihre Nebenkosten nicht mehr zahlen können.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen genau für diese Menschen ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen der Unterstützung. Deswegen fordern wir von Ihnen, dass Sie über die Vergabe zinsverbilligter Kredite für Unternehmen hi naus endlich auch einen Härtefallfonds einrichten, damit Men schen, die sonst nicht über die Runden kommen, die Hilfe be kommen, um in ihren Wohnungen bleiben zu können, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie betonen immer ganz besonders, dass Sie ja so tatkräftig und schnell gehandelt hätten. Andere Bundesländer haben Entscheidungen getroffen, bei denen es um ganz andere Zahlen geht. Das Land Niedersachsen mit ei ner Regierung aus SPD und Grünen hat Unterstützungsmaß nahmen im Umfang von knapp 1 Milliarde € beschlossen, z. B. einen Härtefallfonds. Das Land Thüringen – sehr viel kleiner und mit einem Haushalt, der nur einen Bruchteil des Landeshaushalts von Baden-Württemberg umfasst – hat zu sätzlich zu den Maßnahmen der Bundesregierung unterstüt zende Maßnahmen im Umfang von 470 Millionen € beschlos sen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, reicht es nicht, hier nur zu sagen, es werde schon irgendwie klappen. Wir, die SPD-Fraktion, hatten am letzten Mittwoch hier für Unternehmer, für die Wirtschaft eine Veranstaltung zum The ma „Versorgungssicherheit und Energiepreissicherheit in der Zukunft“. Da waren z. B. Vertreter der Metzgerinnung und der Bäckerinnung bei uns und haben in sehr deutlichen Wor ten gesagt, was es einem Unternehmen hilft, das im Moment Energiekosten in drei- oder vierfacher Höhe zu zahlen hat, wenn dieses Unternehmen jetzt die Hoffnung auf einen zins verbilligten Kredit bekommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die klare Aussage dieser Unternehmer, dieser Innungs chefs hier war: Ein zinsverbilligter Kredit hilft Unternehmen in einer Drucksituation, in der es nur noch darum geht, ob die Rechnungen bezahlt werden können, nicht. Einen zinsverbil ligten Kredit bekommen sie auch von ihrer Hausbank.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Keinen zinsverbillig ten!)

Der bürokratische Aufwand für die Beantragung dieses zins verbilligten Kredits ist groß. Diese Unternehmen drohen uns verloren zu gehen. Das sind Bäcker, die Ende 50, Anfang 60 sind. Die werden keine Insolvenz anmelden. Die werden ein fach ihren Ofen ausschalten, das Licht ausschalten, und damit geht in diesem Land Versorgungsstruktur verloren. Diesen Un ternehmen muss jetzt geholfen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dann – ganz offen gesagt – reicht es denen auch nicht, wenn neben den zinsverbilligten Krediten ein Beratungsangebot zur Energieeinsparung steht. Das ist ganz nett, aber 4 Millionen € für die Energieberatung für Unternehmen, die heute in einer

konkreten, akuten wirtschaftlichen Not sind, das ist, mit Ver laub, auch kein Instrument, das diesen Menschen hilft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben sich hier mehrfach – auch der Ministerpräsident – auf Ihre Rücklagen bezogen. Ich habe in meiner Rede etwas dazu gesagt, ob es wichtiger ist, das Geld in der Kiste zu haben, oder zu verhin dern, dass die Wirtschaft am Ende in der Kiste liegt. Jeder Wirtschaftswissenschaftler, jeder Ökonom, jeder Volkswirt, mit dem wir derzeit sprechen – wir haben bereits einige in un sere Fraktion eingeladen und hatten mit einigen Diskussionen –, hat auf meine Frage: „Macht es Sinn, in der aktuellen Situ ation jetzt vom Geld, das da ist,“ – ich spreche nicht von Kre diten, sondern vom Geld, das da ist – „Rücklagen zu bilden für mögliche Risiken in der Zukunft, oder macht es nicht mehr Sinn, jetzt konkret denen zu helfen, die jetzt in der Krise ste cken, durch diese Krise zu kommen?“ eindeutig geantwortet:

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

„Auf welche Krise wollen Sie denn noch warten?“ Jetzt müs sen wir den Menschen, den Privathaushalten, aber auch den Unternehmerinnen und Unternehmern helfen. Wenn die ein mal weg sind, werden sie nicht wieder zurückkommen. Des wegen sage ich: Helfen Sie in größerem Umfang, als es in die sem Haushalt vorgesehen ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe in meiner Rede – auch Sie, Herr Ministerpräsident, haben das getan – auch darauf hingewiesen, dass es neben der Bewältigung der aktuellen Krisen auch wichtig ist, dass wir die richtigen Investitionsentscheidungen treffen. Sie haben die Investitionsquote des Landes angesprochen, und Sie haben gesagt, dass in den Bereichen, in denen es jetzt notwendig wä re, auch Investitionen erfolgen.

Ich sage Ihnen: Aus unserer Perspektive ist das zu wenig. Sie haben vorhin wieder das Schaubild hochgehalten, was das Thema Windkraft angeht. Ich widerspreche Ihnen doch über haupt nicht darin, dass insbesondere das, was auf der Bundes ebene im Bundeswirtschaftsministerium bei Herrn Altmaier passiert ist, für den Ausbau der Windenergie in Baden-Würt temberg insgesamt kontraproduktiv war. Aber, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, das ändert doch nichts an unserer Feststellung, die ich vorhin in meiner Rede vorgetragen hat te: Sie haben im vergangenen Jahr, als Sie einen Koalitions vertrag zwischen Grünen und CDU abgeschlossen haben, den Menschen versprochen, 1 000 neue Windräder zu bauen. Mei ne sehr geehrten Damen und Herren, da war alles schon be kannt, was die Ausgangsbedingungen angeht.

(Zuruf: Ja!)

Da war bekannt, welche Absprunghöhe wir haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben die Leute mit dieser Aussage im Koalitionsvertrag offensichtlich hinter die Fichte geführt. Sie wollen sehr viel und machen zu wenig. Das ist Ihr Problem bei der Energiewende in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Sie sprechen dann immer das Nord-Süd-Gefälle an. Die Fra ge ist, warum ein Land wie Rheinland-Pfalz, das nur halb so

groß ist, doppelt so viele Windräder hat wie Baden-Württem berg.

(Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Weil es früher angefangen hat!)

Rheinland-Pfalz hat die gleichen Rahmenbedingungen.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Wir haben eine Tabelle, aus der Sie ersehen können, wie viel Fläche für Windkraft verwendet wird. Ich habe es vorhin in meiner Rede gesagt: Da ist Baden-Württemberg mit 0,2 % der Landesfläche auf dem letzten Platz. Rheinland-Pfalz hat den fünffachen Faktor, nämlich 1 % der Landesfläche, obwohl es sich von der Topografie her, glaube ich, nicht so sehr von un serem Land unterscheidet.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren vor allem von den Grünen, müssen Sie sich schon Ihrer Verantwortung stellen: Warum funktioniert es in anderen Bundesländern un ter den gleichen Rahmenbedingungen gut und ausgerechnet in Baden-Württemberg nicht?

Weil Sie so gern nach Bayern blicken, Herr Ministerpräsident: Wie sieht es denn beim Zubau der Flächenfotovoltaik aus? Da hat Bayern in den letzten Jahren um den Faktor 8 mehr zuge baut als Baden-Württemberg. Sie haben offensichtlich sogar einmal in einer Pressekonferenz gesagt: Ja, diesen Vorwurf müssten Sie annehmen, da sei zu wenig passiert.

Ja, liebe Leute, wann wollen wir denn eine Energiewende um gesetzt haben, wenn wir es in Baden-Württemberg nicht schaf fen, die notwendigen Energiemengen hier nachhaltig zu er zeugen? Wir können nicht nur aus der Atomkraft und der Koh le aussteigen, wir müssen ja irgendwann auch einsteigen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

Nur zu versprechen, irgendwo einzusteigen, reicht nicht. Wir sagen: Das Wollen reicht nicht – das Machen muss hinzukom men, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Schauen wir uns, lieber Kollege Mack, die konkrete Politik der Landesregierung an. Nur 2 % der Landesgebäude haben eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Erklären Sie das ein mal den Leuten, die zukünftig vom Klimaschutzgesetz betrof fen sind, in dem Sie vorschreiben, dass die Leute auf ihren Hausdächern – auch auf Wohngebäuden – Fotovoltaikanlagen installieren müssen.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Erklären Sie doch mal, warum das Land das nicht hinbe kommt. Wir haben schon vor Monaten vorgeschlagen: Grün den Sie eine Projektgesellschaft, die die Aufgabe hat, inner halb der nächsten zwei bis drei Jahre auf allen geeigneten Lan desgebäuden Fotovoltaikanlagen zu installieren. Warum pas siert hier nichts? Warum nicht? Sie tun es nicht.

(Abg. Gabriele Rolland SPD: Genau! Nichtstun!)

Sie versprechen nur, Sie handeln nicht.

Zuletzt der größte Knüller: das Thema Auerhuhnflächen. Frau Umweltministerin Walker hat gemeinsam mit dem Landwirt schaftsminister offensichtlich einen Vorstoß unternommen, damit in der Abwägung zwischen Natur- und Artenschutz im Zuge der Energiewende mehr Flächen genutzt werden kön nen. Im Ergebnis sagen uns Bürgermeister aus dem Schwarz wald: Durch diese Maßnahmen der Landesregierung können weniger Windräder gebaut werden und nicht mehr. Das ist ge nau das Gegenteil dessen, was Sie den Menschen in diesem Land versprechen.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend noch zum Thema Bildung, Herr Ministerpräsi dent.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wozu? – Gegen rufe: Bildung!)

Ich gebe Ihnen an einer Stelle recht: Bildung, bildungspoliti sche Maßnahmen und vor allem die Frage, wann diese wir ken – das ist ein extrem schwerer Tanker. Denn zwischen der Maßnahme und der Wirkung vergehen im Bildungssystem re lativ lange Zeiträume. Da müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen;

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Bei der Windkraft ist das auch so!)

da muss sich übrigens auch die bis 2011 von der CDU geführ te Landesregierung an die Nase fassen lassen. Wir waren in Baden-Württemberg bis 2011 in – heute jedenfalls erkannt – so wichtigen Bereichen wie der frühkindlichen Bildung bun desweit Schlusslicht. Einen Betreuungsplatz zu finden war für Kinder bzw. Familien in Baden-Württemberg mit Abstand am schwierigsten. Wir hatten in Baden-Württemberg die wenigs ten Betreuungsplätze; wir hatten auch die geringste Qualität, was die Versorgung mit Personal, mit Erzieherinnen und Er ziehern anging.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien wir ehrlich: Die Grundschule hat in den bildungspolitischen Debatten der letzten 20 Jahre meist nur eine Nebenrolle gespielt. Gleich zeitig höre ich aber in fast jeder Sonntagsrede, dass es auf den Anfang ankomme.

Wenn Sie mit Bildungsökonomen sprechen, ist es ziemlich eindeutig: In einer sich verändernden Gesellschaft – das kön nen wir bejammern, dass sich die Gesellschaft verändert, dass sich familiäre Strukturen, soziale Kontexte verändern – ist es extrem wichtig, früh in der Bildungsbiografie eines Kindes anzusetzen.

Das heißt nichts anderes, als dass wir in Baden-Württemberg viel zu lange so getan haben, als ob frühkindliche Bildung nur eine Betreuungs- und Verwahrungseinrichtung wäre, und nicht über Qualität geredet haben. Das ist einer der entscheidenden Schlüssel für die nächsten Jahre.

Auch das Thema Grundschule hängt natürlich davon ab, dass man erkennt, dass die Kinder mit einer ganz unterschiedlichen Fördernotwendigkeit an die Schulen kommen. Die Frage, wie heterogen die Felder in den Klassen sind, hat in den letzten Jahren leider viel zu wenig eine Rolle gespielt.

Herr Ministerpräsident, hier gilt das Gleiche, was ich vorhin gesagt habe. Sie haben vorhin die bildungspolitischen Errun genschaften der letzten Jahre angesprochen: Stärkung der frühkindlichen Bildung, Einführung der Gemeinschaftsschu le, Einführung der Ganztagsschule in Baden-Württemberg. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass das zwischen 2011 und 2016 passiert ist.