Protocol of the Session on December 12, 2024

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 110. Sitzung des 17. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Fischer und Herr Abg. Herkens.

Seitens der Regierung haben sich aus dienstlichen Gründen entschuldigt: Herr Ministerpräsident Kretschmann, Frau Mi nisterin Schopper, Frau Staatsrätin Bosch, Herr Staatssekre tär Hoogvliet

(Unruhe)

meine Damen und Herren, es ist wirklich laut – sowie ab 13 Uhr Herr Staatssekretär Florian Hassler.

Außerdem entschuldigt ist Herr Minister Dr. Bayaz.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Mitglie der der Regierung, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie auf die Präsentation der LAG SELBSTHILFE Ba den-Württemberg e. V. in der Eingangshalle hinweisen. Die Landesarbeitsgemeinschaft vertritt mehr als 150 000 Men schen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen so wie deren Angehörige und ist die Dachorganisation von der zeit mehr als 60 Selbsthilfeverbänden in Baden-Württemberg. Sie sind herzlich eingeladen, von diesem Informationsange bot Gebrauch zu machen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte – Auf dem Weg zum Drama: Wie geht es weiter mit der Staatsoper? – beantragt von der Fraktion der SPD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Rivoir.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Debat te mitten in unseren Haushaltsberatungen. Bei den Haushalts beratungen geht es um große Zahlen, bei dieser Aktuellen De batte auch: Kosten in Höhe von bis zu 2 Milliarden € für die Sanierung der Staatsoper hier in Stuttgart werden genannt. Nach neuesten Untersuchungen gibt es vier Jahre Verzug, ob

wohl das ganze Projekt eigentlich noch gar nicht begonnen hat. Statt 2029 soll im Jahr 2034 aus dem Opernhaus ausge zogen und ins Interim umgezogen werden. Der Wiedereinzug soll dann 2044 stattfinden.

Man hört nun auch, dass durch die verlängerte Nutzung des Littmann-Baus etwa 100 Millionen € zusätzliche und hinter her verlorene Investitionen für dieses alte Haus notwendig sind, um den Spielbetrieb so lange aufrechtzuerhalten.

Also, meine Damen und Herren: große Zahlen, lange Zeiträu me, große Unwägbarkeiten, alles unberechenbar.

Vor diesem Chaos – so nenne ich es mal – stehen nun Stadt und Land. Ich will es auch in aller Deutlichkeit sagen: An die sem Chaos oder an diesen Verzögerungen ist die Stadt Stutt gart schuld. Nicht wir haben hier falsche Berechnungen ge macht, sondern unser Partner, die Stadt Stuttgart, hat dieses Projekt schlampig vorbereitet.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es aus unserer Sicht unabdingbar, dass nun in negehalten wird, dass wir ein Moratorium machen, dass wir noch mal ernsthaft die Randbedingungen dieses Projekts prü fen und dass wir hinterfragen, ob der Weg, den wir nun alle gemeinsam eingeschlagen haben, der richtige ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, meine Fraktion war mehrfach im Littmann-Bau bei einer Sanierungsführung. Wir haben die Ar beitsbedingungen der 1 400 Mitarbeitenden im Staatstheater gesehen, und wir wollen, dass sich diese schnell und deutlich verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass die Opernsanierung gelingt und ein Mehr wert für Stuttgart und für das Land entsteht. Es geht bei die ser Sanierung um die Qualität der Arbeitsplätze, es geht um die Technik, es geht um den Brandschutz, es geht natürlich auch um die Gastronomie für die Zuschauer. Es geht darum, dass man dieses Haus, das nun tagsüber meist verschlossen ist, als dritten Ort öffnet und dort auch tagsüber Menschen sein können. Es geht um die Qualität der Arbeitsplätze von 1 400 Beschäftigten. Es geht insgesamt um die Strahlkraft der Württembergischen Staatstheater Stuttgart, künstlerisch wie auch als Arbeitgeber.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, wer will, dass dieses Projekt ge lingt und diese Investitionen, die wir dort machen müssen, auf Akzeptanz bei der Bevölkerung stoßen, der muss jetzt noch mal – so meinen wir – ernsthaft Alternativen prüfen. Deswe gen brauchen wir dieses Moratorium und eine ernsthafte Prü fung von anderen Wegen zu dem von mir schon formulierten Ziel. Der Spruch „Geht nicht, gibt’s nicht!“ muss die Über schrift über dieser Prüfung sein, die nach unserer Vorstellung jetzt erfolgen muss.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, nicht jeder kennt sich aber in die sem Projekt im Detail aus. Ich will deswegen kurz skizzieren, wie das Ganze ablaufen soll. Ursprünglich war geplant: Im Jahr 2029 zieht die Oper aus in ein Interimsgebäude, wo sie dann zehn Jahre spielen wird. Dieses Interimsgebäude soll an den Wagenhallen hier in Stuttgart entstehen, drum herum die sogenannte Maker City, die dann in diesen zehn Jahren ge nutzt wird, um den Betrieb der Oper aufrechtzuerhalten.

Nach zehn Jahren – so war der Deal – sollte dieses Gebäude wieder abgebaut und verkauft werden nach München oder Zü rich, wo auch Opernsanierungen anstehen. Jetzt aber sagt der Staatssekretär: „Vergiss doch mal das Wort ‚Interim‘; jeder weiß doch, dass dieses Gebäude stehen bleibt.“ Auch seitens der Stadt Stuttgart und deren Vertretern wird gesagt: „Na ja, abreißen tun wir das Ding nicht. Das lassen wir stehen. Da gibt es schon irgendeine kulturelle Nutzung.“

Meine Damen und Herren, dann sind wir doch am Punkt. Wenn wir jetzt für viel Geld an den Wagenhallen eine neue Oper bauen, die dann eh stehen bleibt, dann lasst uns das Ding doch gleich richtig machen und schauen, dass wir ein neues Opernhaus für Stuttgart bekommen,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

ein neues Opernhaus mit hoher architektonischer Qualität, mit Strahlkraft weit über die Stadt Stuttgart und das Land BadenWürttemberg hinaus. Das ist unser Ziel.

Der Nebeneffekt von dieser ganzen Angelegenheit ist, dass wir den Littmann-Bau hier drüben eben nicht mehr als Opern haus mit den ganzen Bühnen, die rauf- und runtergefahren werden können, und einer mühsam eingebauten Kreuzbühne nutzen, sondern dass wir dieses Haus sanieren können, damit dort zukünftig Ballett und Konzerte gespielt werden können. Das wäre der Weg, der die Dinge am Schluss berechenbarer und preiswerter macht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Reinhard Löff ler CDU – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Es wird uns und auch mir immer vorgeworfen: Diese alterna tiven Standorte sind doch alle geprüft, und das geht doch al les nicht. Also, zum Thema „Geht nicht, geht nicht, geht nicht“ will ich Folgendes sagen: Die letzte Prüfung von Standorten ist fünf oder mehr Jahre her. Da war z. B. das Thema „Stutt gart 21 und die frei werdenden Flächen“ in der Zeitachse weit weg.

(Abg. Michael Joukov GRÜNE: Gilt ja noch immer! – Abg. Daniel Lede Abal GRÜNE: Hat gut funktio niert! – Vereinzelt Heiterkeit bei den Grünen)

Das ist jetzt viel, viel näher, meine Damen und Herren.

(Unruhe)

Na ja, wenn Ihr Kollege im Bundestag, Herr Gastel, dafür sorgen würde, dass die Flächen frei werden, und nicht solche blöden Gesetze machen würde, Herr Joukov,

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der CDU – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Bravo!)

dann hätte die Stadt Stuttgart hier Entwicklungschancen. Auch Ihre und meine Heimatstadt Ulm hätte für den Bahnhofsbe reich Entwicklungschancen. Also kehren Sie, bevor Sie sol che Zwischenrufe machen, einfach mal vor der eigenen Haus tür.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der CDU – Abg. Michael Joukov GRÜNE: Stuttgart 21!)

Meine Damen und Herren, ein Standort wäre auf dem Gelän de von Stuttgart 21,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Endlich einmal wieder eine Stuttgart-21-Debatte!)

ein anderer wäre natürlich in Verlängerung dieser Achse hier, dort, wo die Schule ist. Jetzt ist die Schule von der Stadt Stutt gart für sakrosankt erklärt worden. Dort kann nichts passie ren. Das ist wieder so ein Thema, bei dem ich sage: Meine Damen und Herren, da verkompliziert die Stadt Stuttgart die Randbedingungen. Da werden mit Bebauungsplänen Rand bedingungen geschaffen, die das Projekt unnötig verteuern und verzögern. Wir meinen, dass auch dieser Standort dort drüben, wo auch die Schule jetzt ist, erneut daraufhin geprüft werden muss, ob dort ein neues Stuttgarter Opernhaus entste hen kann.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Mack CDU)

Ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir lassen so ein Spiel seitens der Stadt Stuttgart – „Wir lassen uns da jetzt bei den Wagenhallen einen neuen Stadtteil entwickeln oder ma chen Dinge kompliziert und teuer, machen Randbedingungen für Bebauungspläne, dass man beispielsweise die Werkstät ten verlagern muss; wir zahlen ja nur die Hälfte davon, die an dere Hälfte zahlt ja das Land“ – nicht durchgehen. Das, mei ne ich, Kolleginnen und Kollegen, können wir, die Verant wortlichen für die Steuergelder des Landes Baden-Württem berg, nicht durchgehen lassen. Da muss sich etwas ändern.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU, der FDP/DVP und der AfD)

Ich sage Ihnen auch: Natürlich kostet auch das mit dem neu en Opernhaus, was ich jetzt hier vorgeschlagen habe, Geld. Das ist völlig klar. Vielleicht ist es am Schluss auch so, dass es genauso viel Geld kostet wie der Weg, den Sie eingeschla gen haben. Aber wir haben am Schluss einen Mehrwert, man

sieht etwas: Wir haben ein neues Opernhaus, wir haben ein schlagkräftig aufgestelltes Dreispartenhaus hier in Stuttgart mit eigener Spielstätte für jede Sparte, und wir haben einen städtebaulichen Gewinn für die Stadt, aber eben auch für das Land.

Wie es gehen kann, Kolleginnen und Kollegen, das sieht man in Karlsruhe. Die Karlsruher haben auch ein Sanierungspro jekt am Badischen Staatstheater, für etwa die Hälfte der Kos ten. Sie haben nach uns begonnen und haben uns überholt. Dort kann man schon jetzt den Rohbau eines neuen Theaters sehen. Da sieht man, wie es funktioniert, wenn Stadt und Land an einem Strick in die gleiche Richtung ziehen. Da geht es; hier geht es leider nicht, und da muss sich grundlegend etwas ändern.

(Beifall bei der SPD)