Protocol of the Session on July 18, 2019

In einem solchen Parlamentarismus und in einer solchen Re publik bedarf es einer starken Legislative, eines demokrati schen Miteinanders und eines wertschätzenden Miteinanders dann nicht mehr. Da sage ich Ihnen: Das wollen wir bewusst nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Deshalb will ich für uns, für die SPD-Fraktion, sagen: Ja, Sie haben schon einen Anteil daran, dass wir die Geschäftsord nung jetzt auch in Bereichen ändern,

(Zurufe von der AfD: Aha! – Abg. Anton Baron AfD: Jetzt also doch!)

in denen es in der Vergangenheit überhaupt keinen Anlass für Änderungen gab.

Dass Sie nun über die vermeintliche Beschneidung, Herr Ba ron, der Oppositionsrechte fabulieren, passt vielleicht in Ihre Verschwörungstheorien, hat aber mit der Realität in diesem Haus gar nichts zu tun. Einer Beschneidung der eigenen Rech te in diesem Parlament würden wir, die SPD-Fraktion, auf grund unserer geschichtlichen Erfahrungen nie im Leben zu stimmen,

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

und zwar schon deshalb nicht, weil wir aus unserem Selbst verständnis heraus, was Parlamentarismus anlangt, eine völ lig andere Grundeinstellung haben als Sie, meine Damen und Herren von der AfD.

Deshalb stimmen wir der neuen Geschäftsordnung zu, denn sie regelt neue Sachverhalte, wird veränderten Rahmenbedin gungen gerecht, stellt aber auch sicher, dass wir in Situatio nen, die bislang gar nicht möglich schienen – wir mussten sie aber zur Kenntnis nehmen und Erfahrungen mit ihnen machen –, arbeitsfähig bleiben. Ja, diese neue Geschäftsordnung schützt jedenfalls ein Stück weit auch den demokratischen Parlamentarismus, wie wir ihn uns wünschen und wie er sich in mehr als 60 Jahren dieser Republik bewährt hat, ohne dass dabei Oppositions- und Minderheitenrechte verletzt werden.

Deshalb: Die SPD-Fraktion signalisiert Zustimmung zu die ser Änderung der Geschäftsordnung.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der AfD, u. a.: Minderheitenrechte! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Minderbemitteltenrechte, das könnt ihr einfordern!)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Artikel 32 unserer Lan desverfassung stellt fest:

Der Landtag gibt sich eine Geschäftsordnung, die nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abge ordneten geändert werden kann.

An elf weiteren Stellen verweist die Landesverfassung auf die Geschäftsordnung des Landtags. Deutlich wird so, welch zen trale Rolle der Geschäftsordnung des Landtags in unserer par lamentarischen Demokratie zukommt. In ihr wird weitgehend festgelegt, wie im Landtag, dem Herzen der Demokratie in Baden-Württemberg, unser parlamentarischer Alltag funktio niert.

Mit den Regelungen der Geschäftsordnung wird entschieden, wie Abgeordnete ihren von den Wählerinnen und Wählern ge gebenen Auftrag wahrnehmen können.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Auch wir!)

Angesichts der Bedeutung der Geschäftsordnung ist es rich tig und wichtig, dass es für eine Änderung einer Zweidrittel mehrheit bedarf. Es muss sichergestellt sein, dass die Ge schäftsordnung nicht zum Instrument der Einschränkung der Opposition wird.

Nun beklagt die AfD, die vorliegenden Änderungen der Ge schäftsordnung seien gegen sie gerichtet.

(Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Anton Baron: Zum Teil, ja! Warum ändern Sie die Regelung zum Alters präsidenten?)

Nein, einzelne Änderungen sind nicht gegen die AfD gerich tet, sondern gegen einen Missbrauch der Geschäftsordnung, der die Handlungsfähigkeit des Landtags einschränken soll.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Die Geschäftsordnung kennt die AfD auch nicht. Die Ge schäftsordnung kennt nur Abgeordnete,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Fraktionen, Mehrheiten und Minderheiten. Und wir, die FDP/ DVP, in der Opposition würden ganz sicher keine Änderung der Geschäftsordnung mittragen, die die Minderheit im Land tag schwächt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Zurufe von der AfD)

Ganz im Gegenteil, wir haben in den letzten zwei Jahren er folgreich dafür gekämpft, die Minderheitenrechte zu stärken.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau!)

Zukünftig wird es die Geschäftsordnung nicht mehr zulassen, dass eine Parlamentsmehrheit verhindern kann, dass Forde rungen der Minderheit an die Landesregierung überhaupt ab gestimmt werden. Der verfassungsrechtlich mehr als fragwür dige Umgang mit Änderungsanträgen, die Anträge in ihr Ge genteil verkehren, wird Geschichte sein.

Auch für die anderen Änderungen sprechen gute Argumente. Alterspräsident soll zukünftig der werden, der am längsten dem Landtag angehört.

(Zurufe der Abg. Dr. Heiner Merz AfD und Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos])

Es geht also um das parlamentarische Leben. Die Anknüpfung an die Lebenserfahrung im Landtag ist angesichts der Aufga be des Alterspräsidenten bei der ersten Sitzung eines jeden neuen Landtags so naheliegend, dass man sich durchaus fra gen kann: Warum hat man nicht schon viel früher auf die Zu gehörigkeit zum Landtag abgestellt?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die AfD hat nun kurzfristig elf Änderungsanträge vorgelegt. Was nach viel Arbeit aussehen soll, ist allerdings nur eine schlechte Show. Die Änderungsanträge entsprechen weitge hend der bisherigen Rechtslage. Es hätte also gereicht, den Antrag von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP abzulehnen. Wenn Sie aber schon Änderungsanträge schreiben, hätten Sie diese zumindest auch schriftlich begründen sollen. So aber haben Sie sich vor dieser Debatte der inhaltlichen Diskussion entzogen. Sie gerieren sich als Opfer, das Sie nicht sind.

Die AfD ist wie alle Fraktionen in der Geschäftsordnungs kommission vertreten, hätte sich mit Vorschlägen und Argu menten auch einbringen können. An den Sitzungen der Kom mission hat sie allerdings, anders als die anderen Fraktionen, nicht immer teilgenommen. Wo aber keine Argumente stehen,

kann auch keine Meinung überzeugen. Ihre Änderungsanträ ge werden wir ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zurufe von der AfD)

Als Verfahrensrecht des Landtags wird die Geschäftsordnung immer wieder mit neuen Fragen konfrontiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Nicht immer bedarf es dabei einer Ergänzung bisheriger Re geln. Manche sind aber unvermeidlich. So musste die Ge schäftsordnungskommission klären, ob Abgeordnete in Aus schüssen Mitglied bleiben, in die sie von einer Fraktion ent sandt wurden, der sie mittlerweile nicht mehr angehören. Der Ansatz, dass die Mitgliedschaft im Ausschuss mit der Mit gliedschaft in der Fraktion steht und fällt, wird der tatsächli chen Bedeutung der Fraktionen in der Arbeit des Parlaments gerecht.

Zum Ende meiner Rede will ich noch etwas Wasser in den Wein schütten. Den Antrag zur Änderung der Geschäftsord nung haben wir gemeinsam mit Grünen, CDU und SPD ge stellt. Dies bedeutet aber nicht, dass wir mit den anderen Frak tionen in allem übereinstimmen. Daher ist auch die Betitelung „Kartellparteien“ unsinnig.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Wir, die FDP/DVP-Fraktion, hätten uns zumindest eine wei tere Änderung der Geschäftsordnung gewünscht. Entspre chend der Situation im Bundestag wollten wir, dass sich der Ministerpräsident einmal im Jahr den Fragen der Abgeordne ten im Plenum stellen muss. Wenn sich die Bundeskanzlerin vier Mal im Jahr den Fragen der Abgeordneten stellt, dann wäre es doch für den Ministerpräsidenten des Landes BadenWürttemberg keine Überforderung gewesen, sich einmal pro Jahr den Fragen der Abgeordneten zu stellen. Doch dieser Vor schlag fand leider keine ausreichende Unterstützung.

Mehr Mut wagen, mehr lebendigen Parlamentarismus wagen, mehr Selbstbewusstsein gegenüber der Exekutive wagen: Lie be Kolleginnen und Kollegen, hier hoffe ich auf Sie bei der nächsten Änderung der Geschäftsordnung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsident, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Nach § 82 Absatz 6 der Geschäftsordnung grüße ich ausdrück lich nicht die anwesenden Zuschauer sowie die Zuschauer über den Livestream. Das ist mir nämlich nach unserer Ge schäftsordnung nicht gestattet, weil wir offensichtlich keine volksnahe Politik machen dürfen.

Das, was Sie hier abliefern, ist schon erbärmlich. Man muss wirklich sagen: Kartellparteien, Altparteien –

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

sogar die FDP macht bei diesem Schmierenstück mit – ma chen eine Lex AfD.