Protocol of the Session on July 17, 2019

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Zum Staatsvertrag und zum Gesetz selbst muss ich nicht viel sagen. Es geht um die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, welche ich per sönlich und auch die SPD für richtig und angemessen halten. Am Ziel, die Chancen auf einen Studienplatz durch unter schiedliche Auswahlkriterien gerecht zu erweitern, ist grund sätzlich überhaupt nichts auszusetzen. Wir begrüßen die Aus gestaltung der hochschuleigenen Quoten anhand schulno tenunabhängiger Kriterien.

Der Gesetzentwurf folgt den Vorgaben des Bundesverfas sungsgerichts. Man kann, glaube ich, sagen: In Baden-Würt temberg läuft es bisher auch schon ganz gut, dass die Hoch schulen wichtige Punkte wie diese schon selbst regeln kön nen und regeln. Sie haben das ausgeführt, Frau Ministerin Bauer.

Ich möchte aber die Zeit nutzen, um den tatsächlichen gegen wärtigen Zugang zum Medizinstudium in den Blick zu neh

men. Da kann ich schon ein neues Kapitel aus der Reihe „Plei ten, Pech und Pannen“ unserer Wissenschaftsministerin an sprechen. Es geht um die Umsetzung – Sie haben es selbst er wähnt – der 150 neuen Medizinstudienplätze.

Wir haben einen Ärztemangel, der sich angesichts der Tatsa che, dass ein Drittel aller niedergelassenen Hausärzte über 60 Jahre alt ist, in den nächsten Jahren massiv zuspitzen wird. Wir haben Hunderte motivierte und größtenteils auch gut qua lifizierte Bewerberinnen und Bewerber für ein Medizinstudi um. Manche melden sich sogar bei Ihnen persönlich im Mi nisterium, haben Sie gerade ausgeführt.

Deshalb finden wir: Es ist ein Unding, dass 150 neue, zusätz liche Medizinstudienplätze in diesem Jahr noch nicht etabliert werden können,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

obwohl wir die erforderlichen Haushaltsmittel im Nachtrags haushalt eingestellt haben.

Der Fachtag zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Baden-Württemberg, bei dem es um den Standort der neuen Medizinstudienplätze ging, war im April. Hätte die Landes regierung dann zeitnah eine Entscheidung getroffen, hätten die dringend nötigen 150 zusätzlichen Studienplätze noch bis zum kommenden Wintersemester zur Verfügung gestellt wer den können. Die fünf Universitätskliniken haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie in der Lage wären, die neuen Stu dienplätze schnell und qualitätsvoll zu etablieren, das heißt, bis zum Wintersemester. Warum wurde und wird so lange ge wartet?

Es ging um die Frage: fünf Universitätskliniken oder Stuttgart und Karlsruhe? Wer auch immer da Einfluss genommen hat und die fachliche Meinung eines Ausschusses aus Expertin nen und Experten nicht hören wollte – man hört, da gab es Stimmen aus dem Off oder von ganz oben –, ich sage: Plei ten, Pech und Pannen; im Ergebnis eine Pleite für Sie, Frau Ministerin, dass Sie den Starttermin im Wintersemester 2019 versiebt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von der Pleite zum Pech: Nun gibt es die Kabinettsvorlage, oder, wie Sie gerade gesagt haben: „Die Vorbereitung ist im Gang.“ Doch diese wird aus den Reihen der CDU blockiert. Fraktionsvorsitzender Dr. Reinhart kommt mit der Landarzt quote um die Ecke.

(Zuruf der Abg. Marion Gentges CDU)

Entgegen jeglicher fachlicher Meinung fällt der CDU zum be stehenden Ärztemangel nichts anderes als die Quote ein. Und wir sagen: Junge Erwachsene können sich bei der Bewerbung für ein langes Studium nicht entscheiden, zumal sie sich frü hestens erst 15 Jahre später niederlassen können. Diese Quo te wird das Problem nicht lösen.

Viel besser wäre es doch, zunächst einmal das Gesetz auf den Weg zu bringen, den Zugang zum Studium zu verbessern und dann im Studium Anreize zu setzen und die Allgemeinmedi zin im Studium zu stärken. Eine gute Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung zur Verbesserung der Situation

niedergelassener Hausärzte auf dem Land wäre aus meiner Sicht deutlich zielführender als eine Landarztquote, die am Ende doch nicht zieht.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Woher wissen Sie das? – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE: Vielleicht hat er mit Herrn Reinhart ein Bier ge trunken!)

Darüber können wir uns gern noch intensiver verständigen. – Nach den Pleiten und dem Pech droht nun auch noch eine Panne. Frau Ministerin, Sie haben angekündigt, dass Sie die erforderliche Kabinettsvorlage in der parlamentarischen Som merpause im Umlaufverfahren beschließen lassen wollen, um dann im Sommersemester starten zu können. Selbst wenn das gelingen sollte – wir sind gespannt – und Ihr Koalitionspart ner mitspielt: Sie wissen schon, dass Studentinnen und Stu denten derzeit allein in Tübingen ein Medizinstudium zum Sommersemester beginnen können. Glauben Sie ernsthaft, dass die anderen vier Standorte wegen jeweils 30 Studieren den die Türen zum Sommersemester aufmachen? Ich fürch te, das wird eine Panne.

Frau Ministerin, Pleiten, Pech und Pannen. Der Aufwuchs der dringend erforderlichen Medizinstudienplätze hätte einen bes seren Start verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat für die FDP/DVPFraktion Herr Abg. Brauer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt die un dankbare Aufgabe, kurz vor Schluss der vorletzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause über dieses wichti ge Thema zu sprechen.

(Abg. Raimund Haser CDU: Wir haben nur auf Sie gewartet!)

Danke, dass Sie auf mich gewartet haben. In der nächsten Sitzung des Wissenschaftsausschusses, in der es auch um die ses Thema geht, habe ich Geburtstag. Aber manchmal hat man halt Pech.

(Oh-Rufe – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Dann gibt es Schampus!)

Danke. – Seit ich mich mit dem Thema Hochschulzulassung beschäftige – sei es zunächst als Schüler, später als Lehrer, von dem die Schüler einen Rat wollten, oder eben jetzt als Po litiker –: Es ging immer um Gerechtigkeit. Den angehenden Studenten, ihren Eltern und der Gesellschaft geht es hier vor allem um Leistungsgerechtigkeit.

Eigentlich sollte die Note im Abitur maßgeblich sein, um ei ne Entscheidung herbeizuführen, wer einen Studienplatz be kommt und wer nicht. Wenn wir irgendwann ein deutschland weit vergleichbares Niveau der Aufgaben im Abitur haben und dann noch die Bewertungsmaßstäbe halbwegs einheitlich an wenden – das ist ja die andere Seite der Medaille –, kann die Abiturnote das wichtigste Selektionskriterium werden. Bis da hin ist es aber noch ein weiter Weg.

Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht den Ländern die Aufgabe erteilt, dem Gerechtigkeitsempfinden der Men schen Genüge zu tun, indem der Zugang zu unseren Hoch schulen anders geregelt werden muss. In Ergänzung zum Staatsvertrag beraten wir nun erstmals ein Gesetz, das die Vor gaben des Verfassungsgerichts umsetzt. 30 % der Studienplät ze sollen weiterhin über die Abiturnote, 60 % über ein Aus wahlverfahren und 10 % über eine Eignungsquote vergeben werden. So weit die Rahmenbedingungen.

Bei der Studienplatzvergabe im Land ändert sich also Folgen des:

Erstens: Abschaffung der Wartezeitquote in zentralen Verfah ren, und das ist gut so. Denn eine lange Wartezeit ist sicher kein gutes Qualitätskriterium.

Zweitens: Festschreibung des Verteilungsschlüssels 70 : 30, wobei in den 70 % diese 10 % Eignungsquote enthalten sind.

Es ist ein bisschen seltsam – Kollege Hinderer hat es ange sprochen –: Professor Dr. Reinhart hat öffentlich gefordert, dass die Landarztquote kommt. In dem Gesetzentwurf ist sie nicht vorgesehen.

(Zuruf der Abg. Marion Gentges CDU)

Die Ministerin will diese Quote auch nicht. Vielleicht können Sie sich über die parlamentarische Sommerpause darüber ver ständigen, ob diese Quote noch in den Gesetzentwurf aufge nommen werden soll. Wir sind dagegen.

Grundsätzlich können wir von der FDP/DVP-Fraktion diese Neuregelung mittragen, zumal sie ja gerade für Baden-Würt temberg kein gänzliches Neuland darstellt. Auch die wesent lichen Verbände und einschlägigen Experten halten diese Neu fassung für richtig und zielführend.

Natürlich kommen auf die Hochschulen auch Kosten zu. Das darf man nicht vergessen. Tests, deren Auswertungen, Inter views und deren Bewertungen sowie die Schaffung der tech nischen Voraussetzungen gibt es nicht zum Nulltarif.

Zudem ist noch nicht ganz klar, wie sich das Verhältnis von Bewerbern zu Studienplätzen darstellen muss, um den Hoch schulen eine gewisse Vorauswahl anhand der eingereichten Unterlagen zu erlauben. Laut Gesetzentwurf müssen es drei mal so viele Bewerber wie Studienplätze sein. Folgt man dem Vorschlag der Hochschulen für angewandte Wissenschaften, müsste ein Verhältnis von 2 : 1 genügen. Hier müssen meiner Meinung nach die Erfahrungen der Praxis abgewartet werden, bevor man sich endgültig festlegt.

Um die Hochschulen finanziell zu entlasten, soll der Gebüh renrahmen erhöht werden. Dabei darf es natürlich nicht zu ei

nem Ausschluss von geeigneten Bewerbern aus finanziellen Gründen kommen. Es geht darum, die Besten auszuwählen – nicht die Solventesten. Ein wichtiger und richtiger Ansatz punkt ist es, einen einmal absolvierten Test für mehrere Be werbungen nutzen zu können. So ist es bei den Studierfähig keitstests der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und bei denen der DHBW auch schon. Die kann man mehr fach verwenden.

Letztlich liegt es in der Verantwortung der Hochschulen, ge eignete Auswahlverfahren zu entwickeln. Hier eröffnet die Novelle sinnvollerweise die Möglichkeit hochschulübergrei fender Zusammenarbeit, um eine hohe Qualität zu sichern.

Eine Möglichkeit, beruflich Vorqualifizierten die Aufnahme eines Studiums zu erleichtern, wäre eine Vorabquote für die se Bewerber gewesen. Diese Möglichkeit wurde nicht genutzt. Der Industrie- und Handelskammertag moniert zu Recht, dass der Gesetzentwurf diese Option nicht vorsieht, obwohl der Staatsvertrag sie explizit erlaubt.

Trotz der genannten Schwächen ist der Gesetzentwurf ein ers ter Schritt zur Konkretisierung der durch das Bundesverfas sungsgericht formulierten Anforderungen und des durch den Staatsvertrag gesetzten Rahmens für eine gerechtere Studien platzvergabe.

Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Beobach tungspflicht ist natürlich eine Evaluation der Auswirkungen des Gesetzes in der Praxis dringend geboten, um zu sehen, ob alles klappt. Diesen Prozess werden wir – wie immer – kri tisch begleiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Her ren, gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache damit beendet.

Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6536 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu überweisen. – Damit sind Sie ein verstanden. Das ist so beschlossen.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Wir sehen uns morgen, am 18. Juli, um 9:30 Uhr wieder. Da findet dann die nächste Sitzung statt.

Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen einen guten Abend.