Protocol of the Session on July 10, 2019

dass man eben auch sagt, dass Sie oder andere z. B. durch Ihr Agieren möglicherweise Gewalttaten hervorrufen.

Aber das führt doch zu nichts. Wir müssen uns endlich daran gewöhnen, dass die Rede frei sein muss, und wir dürfen nicht jedes Mal irgendwelche Strafhandlungen damit verbinden.

Die wohlfeile Behauptung, hier würde die Sprache verrohen, stimmt doch auch nicht. Schauen Sie sich die Plenarsitzungen der vergangenen Jahrzehnte an. Dort wurde sehr hart gefoch ten.

Hier dient das nur dazu, bestimmte Positionierungen zu ver unmöglichen, zu skandalisieren und aus dem politischen Dis kurs auszuklinken.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Herr Abg. Dr. Fiechtner – –

Das ist der ein zige Grund, warum so gehandelt wird.

Herr Abg. Dr. Fiechtner, ich darf Sie darauf hinweisen – –

Aus diesem Grund verwahre ich mich hier gegen Beleidigungen oder Be hauptungen, ich würde irgendwelche Parlamentarier persön lich verunglimpfen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist doch kei ne persönliche Erklärung! Was ist daran eine persön liche Erklärung? – Abg. Nese Erikli GRÜNE: Das ist doch keine persönliche Erklärung! – Abg. Beate Böh len GRÜNE: Hanebüchene Rechtfertigungen und keine Erklärungen! – Unruhe – Abg. Daniel Rott mann AfD meldet sich.)

Herr Abg. Rottmann, wollen Sie auch eine persönliche Erklärung abgeben?

(Abg. Daniel Rottmann AfD begibt sich zum Rede pult. – Zurufe, u. a. Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Er ist doch gar nicht betroffen! Das wird ja im mer besser!)

Moment, Moment! – Persönliche Erklärungen können nur die Personen abgeben, die betroffen waren, die etwas zurück weisen wollen. Da Sie nicht betroffen waren, können Sie auch keine persönliche Erklärung abgeben.

(Abg. Daniel Rottmann AfD begibt sich zu seinem Abgeordnetenplatz. – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Macht doch mal einen Workshop zur Geschäfts ordnung bei der AfD! – Zuruf des Abg. Daniel Rott mann AfD)

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Karliczek bootet Baden-Württemberg aus – die Standortentscheidung zur Batteriezellenfor schung muss revidiert werden – beantragt von der Frak tion der SPD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf wie immer auch die Mitglie der der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorge gebenen Redezeitrahmen zu halten.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktions vorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Dass ausgerechnet unser Land, unser Au tomobilland Baden-Württemberg, vom Bund keine For schungsfabrik für Batteriezellen erhalten hat, ist eine herbe Enttäuschung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht nur eine Enttäuschung; es ist eine der größten wis senschafts- und industriepolitischen Fehlentscheidungen der letzten Jahre, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wer sitzt denn in der Bundesregie rung?)

Gerade für ein Land wie Baden-Württemberg, aber auch für Deutschland insgesamt stellt die Transformation im Bereich der Automobilindustrie und dort insbesondere die der An triebstechnik eine der größten Herausforderungen dar. Wir wissen alle, dass Batterien bei einem vollelektrischen Fahr zeug 40 % der Wertschöpfung ausmachen und davon wiede rum bis zu 90 % in den Batteriezellen liegen. Wer Elektromo bilität voranbringen will, der muss auch Batterietechnik und Batterien voranbringen. Dass wir diese Forschungsfabrik nicht nach Baden-Württemberg bekommen sollen, ist darum bitter. Es nützt überhaupt nichts, wenn jetzt aus den Reihen der CDU irgendwelche Trostpflästerchen präsentiert werden.

Fast alles, was wir seit der Absage der Förderung des Stand orts Ulm hierzu gehört haben, sind längst bekannte Maßnah men, denen man jetzt neue Etiketten verpasst hat. Frau Minis terin, Herr Fraktionsvorsitzender Reinhart, bieten Sie hier nicht irgendwelche Gelder aus Berlin auf, die letztlich nichts Neues sind. Wir brauchen die Förderung der Batteriezellen forschung in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Als sich Baden-Württemberg mit dem Standort Ulm bewor ben hat, haben wir einen der europaweit wichtigsten Hotspots der Batterieforschung ins Rennen geschickt. Allein das Zen trum für elektrochemische Energiespeicherung in Ulm und Karlsruhe hat international bereits einen hervorragenden Ruf und einen gewaltigen Output. Wir haben das Zentrum für Son nenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Ulm und das Karls ruher KIT, das Fraunhofer-Institut, seitens der Wirtschaft gibt es eine ganze Reihe von Partnern, allen voran VARTA in Ell wangen.

Seitens des Landes waren über 180 Millionen € zusätzlich zu den über 100 Millionen €, die das Land im vergangenen Jahr zehnt bereits in Eigenregie für diverse Batterieprojekte aus gegeben hatte, vorgesehen. Das Projekt für die Massenferti gung großer Lithiumzellen sei nur als ein Beispiel genannt.

Wir verfügen über all das, was ein Cluster ausmacht: Auto hersteller und Automotivefirmen, Batteriehersteller, For schung. Bei uns gibt es die Einrichtungen, wir haben die La bore. Wir haben vieles, was es in Münster schlicht nicht gibt und was man dort erst unter erheblichem Geld- und Zeitauf wand bauen muss. In Ulm können wir sofort loslegen. Wir dürfen keine Zeit durch falsche Standortentscheidungen ver lieren.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Ulm ist als klarer Favorit in diese Ausschreibung gegangen. Das hat nicht nur die Lan desregierung so gesehen. Nach allem, was wir inzwischen wissen, hat die Gründungskommission Ulm klar auf den ers ten Platz gesetzt. Aufgrund der Vorleistungen, der Synergien und der Nähe zur Wirtschaft hatte Ulm praktisch uneinholba re Vorzüge zu bieten.

Entscheidend sollten die fachliche Expertise – so die Aus schreibung –, die industrielle Anbindung, die finanziellen Zu sagen des Landes und das mögliche Tempo beim Aufbau sein. Auch hierbei hat Ulm wohl mehr Punkte gesammelt als alle anderen Bewerber.

Darum noch einmal: Es ist enttäuschend, es ist bitter, es ist nicht nachvollziehbar, dass die Forschungsfabrik nun in Münster und Ibbenbüren angesiedelt werden soll, in einer Ge gend, die zwar in Teilen den Wahlkreis der Bundesbildungs ministerin bildet, angeblich aber nicht einmal unter den ers ten drei Empfehlungen der Gründungskommission landete. Man darf daher die schlichte Frage stellen: Warum Münster?

(Beifall bei der SPD)

Es geht zunächst einmal um Fördermittel von einer halben Milliarde Euro. Aber auf diese wichtige Frage bekommen wir keine Antwort. Die Experten sprechen sich klar für Ulm aus, zwei Tage später votieren die Ministerien für Wirtschaft und Forschung, beide CDU-geführt, für Münster. Ministerin Kar liczek hätte viel zu erklären, erklärt aber nichts. Irgendwie ha be sie das Konzept zum Batterierecycling in Münster mehr überzeugt, hat sie am Anfang einmal gesagt. Darüber, wo Münster diesbezüglich ein besseres Konzept haben soll als Ulm, rätseln selbst die Fachleute. Dass Ulm gerade bei den umweltfreundlicheren Zellen mit kobaltfreien Elektroden ab solut führend ist, fiel dabei offenbar auch unter den Tisch der Ministerin.

Frau Karliczek hat dann auch schnell die Strategie gewech selt und erklärt seither, sie habe sich aus der gesamten Ent scheidung sowieso weitgehend herausgehalten. Diese Aussa ge ist interessant. Die Gründungskommission sieht Ulm auf Platz 1, Frau Karliczek hält sich heraus, entscheidet dann aber doch gegen das Votum der Gründungskommission. Es sei nur um den höchsten Grad an Exzellenz gegangen; den habe Münster gehabt. Mit Verlaub: Wer definiert denn hier Exzel lenz? Ist dies die Privatmeinung von Frau Karliczek, oder geht es um die wirtschaftspolitischen Interessen von ganz Deutsch land, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen?

(Beifall bei der SPD)

Als man die Ministerin dann nochmals gefragt hat, warum denn aber die Gründungskommission aus Experten die höchs te Exzellenz so klar in Ulm sah, hat sich die Ministerin noch einmal eine neue Version ausgedacht. In Wahrheit habe so wieso das Wirtschaftsministerium mit Herrn Altmaier ent schieden; sie habe das Ergebnis ja dann lediglich verkündet, könne aber eigentlich nichts dafür.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, riecht nach einem Skan dal. Nein, es stinkt zum Himmel!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf: Genau!)

Seit über einer Woche schüttelt man in diesem Land den Kopf über die Standortentscheidung für die neue Forschungsfabrik. Und seit über einer Woche macht das Wort vom Skandal die Runde und wird immer lauter. Seit einer Woche haben wir nichts, aber auch gar nichts von der Bundesbildungsministe rin gehört, was an diesem verheerenden Eindruck etwas än dern könnte.

(Zuruf von den Grünen: Ihr seid in der Regierung! In der Bundesregierung! – Unruhe)

Moment, Moment! Meine Da men und Herren! Herr Abg. Stoch, warten Sie bitte. – Es ist einfach zu laut. Ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe, damit Herr Stoch seine Rede fortsetzen kann. – Vielen Dank.

Wir wissen ziemlich genau, was die Experten sagten, nämlich: Ulm. Wir wissen auch ziemlich genau, was sie nicht sagten, nämlich: Münster. Nach allem, was wir wissen, lag Münster nicht einmal unter den ersten drei von der Gründungskommission favorisierten Bewerbungen.

Wir wissen aber nicht im Geringsten, was zur Entscheidung für Münster beigetragen hat. Die Maßstäbe, die man offiziell angesetzt hat, können es jedenfalls nicht gewesen sein. Denn nach diesen Maßstäben lag Ulm eindeutig vorn und weit vor Münster.

Alles, was bisher aus den beiden CDU-geführten Ministerien in Berlin kommt, ist Stottern und Achselzucken. Auch das möchte ich den Kolleginnen und Kollegen von CDU und Grü nen schon mal deutlich sagen: Von dieser Entscheidung ha ben selbst Regierungsmitglieder der SPD und die SPD-Bun destagsfraktion lediglich aus den Medien erfahren, nicht an ders als die Antragsteller in Stuttgart oder die Akteure in Ulm.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das lassen die sich gefallen? – Zuruf des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, man darf erwarten, dass man unsere Entrüstung als baden-württembergische Standort politik missverstehen wird. Aber das wäre grundfalsch. Es wä re in einem Maß kleinkariert, dass sich dies auch verbietet. Denn wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, dann kon kurrieren nicht Baden-Württemberg und Bayern, nicht Nie dersachsen und Nordrhein-Westfalen, sondern dann konkur riert Deutschland, dann konkurriert Europa mit Asien oder Amerika. Bei diesem Wettbewerb muss man für ganz Deutsch land den Stärksten ins Rennen schicken – nicht den, der auch einmal etwas Schönes verdient hätte.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Andrea Bogner- Unden und Jürgen Filius GRÜNE)

Diese Fördermittel, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind kein Solidarzuschlag. Sie sind auch keine Strukturförde rung. Es geht hier um die Zukunft und die Transformation ei nes der wichtigsten Industriezweige in unserem Land.

Wenn die Experten in dieser Gründungskommission uns be scheinigen, dass Ulm an der Spitze liegt, dann müssen wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wehr setzen. Viel leicht kann man der Landesregierung vorhalten, dass sie sich zu früh gefreut hat. Die Zeichen waren so klar, so deutlich, die Faktenlage war scheinbar so unumstößlich, dass wir wohl alle gedacht haben, der Zuschlag sei in trockenen Tüchern, und vielleicht war auch zu viel Selbstzufriedenheit im Spiel.