Da wurden die Ergebnisse durchgesagt. Ich weiß noch, wie ich damals gesagt habe: So bescheuert muss man sein, dass man sich daran freut.
Ich erinnere auch daran – man muss sich das vorstellen –: MV, Mayer-Vorfelder, hat regelmäßig den Landtag zum Lokalder by eingeladen; einmal nach Karlsruhe, einmal nach Stuttgart. Das würde sich heute gar niemand mehr trauen. Ich z. B. zah le unserem Nachwuchs keine Karten mehr für Hochrisikospie le, denn ich möchte, dass sie mit heilem Gebiss wieder heim kommen. Jedenfalls habe ich da kein gutes Gefühl. Die Din ge haben sich also gewaltig verändert – leider –, und natür lich sind wir alle gefordert, nachzudenken, wie man das ent schärfen kann.
Ich habe mich übrigens auch schon lange darüber amüsiert, Frau Kollegin Häffner, dass sich noch niemand größer darü ber ausgelassen hat, wie die Hymnen sich tatsächlich ähneln. Die sind über mehrere Takte tatsächlich gleich.
Wir sollten also alles tun, um diese Spannungen nicht auch noch zu kultivieren, sondern sie möglichst abzubauen.
Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen. Sie sind ge nannt worden. Es ist auch schon viel Richtiges gesagt wor den, was ich an der Stelle nicht wiederholen möchte.
Ich fürchte auch, dass die günstigen Verhältnisse der letzten Jahre eher der Ligasituation geschuldet sind und dass die Sta dionallianzen ihre Belastungsprobe – um es mal so auszudrü cken – noch vor sich haben, gerade in der kommenden Sai son, in der wir wirklich kritische Situationen bekommen wer den.
Bei alldem tun einem die Fans leid – auf die komme ich gleich noch einmal zu sprechen –, die damit gar nichts zu tun haben wollen, die das als friedlichen Sport betrachten, im Stadion ihre Ruhe haben wollen, die nicht mit Bier überschüttet wer den wollen oder Sonstiges. Das haben wir ja alles schon er lebt. Übrigens bin ich auch mal in Dortmund mit Bier über schüttet worden. Das sind hässliche Sachen, die kein Mensch braucht. Wie gesagt, die Fans tun einem leid; ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
Bei allem bleibt aber unser Ansatz: Sicherheit bei gesellschaft lichen Ereignissen aller Art – dazu gehören auch Sportereig nisse – zu gewährleisten ist Aufgabe des Staates und der Po lizei.
Staat und Polizei werden durch Steuern finanziert. Steuern sind, wie man sagt, per definitionem das allgemeine Entgelt für die Tätigkeit des Staates.
Man kann natürlich die Veranstalter auf vielfältige Weise zur Gewährleistung der Sicherheit heranziehen. Das geschieht auch durch eine Vielzahl von Auflagen. Das ist richtig. Es ist nicht nur Aufgabe des Staates und der Polizei, sondern auch der Veranstalter, die zur Verantwortung gezogen werden müs sen. Aber wir bleiben dabei: Wir wollen den Veranstaltern kei ne Rechnungen für die Polizeieinsätze schreiben,
weil damit eine Tür aufgemacht würde, die wir nicht aufma chen wollen. Denn es wird nicht bei der Diskussion über Fuß ballvereine bleiben. Das muss jedem klar sein.
Jetzt komme ich noch einmal zu den Fans. Wenn wir von den Vereinen tatsächlich Gebühren kassieren würden, was wür den denn die Vereine in diesem Spiel, in dem sie ja auch drin stehen, machen und, ehrlich gesagt, auch machen müssen? Sie würden natürlich versuchen, die Kosten auf die Eintrittsprei se abzuwälzen. Das ist doch ein ganz klarer Fall. Und dann bezahlen genau die Fans, die mit dem Krawall nichts zu tun haben wollen, die Polizeieinsätze. Auch deswegen scheint uns diese Maßnahme nicht überzeugend zu sein.
Wir raten stattdessen dringend, sich auf die sorgfältige Vorbe reitung zu konzentrieren. Nach meiner Meinung müsste es möglich sein, mit entsprechend präsenter Polizei, mit Verei nen, die eine tatsächliche Kontrolle vornehmen – es gibt eine gewaltige Bandbreite, was die Kontrollen anbelangt – – Die Zuschauer müssen eben in Kauf nehmen, dass sie zwischen durch einmal in einer Schlange stehen und auf eine Art durch sucht werden, die nicht immer angenehm ist. Aber es geht nicht anders. Doch ich meine, in der Summe der Maßnahmen müsste es möglich sein, mit diesen Herausforderungen durch die kommende Situation in der zweiten Liga fertig zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU und Dr. Heinrich Fiechtner [frak tionslos])
Frau Präsidentin Kurtz, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich zwei Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Stickelberger machen. Erstens haben Sie, Herr Kollege Stickelberger, sinngemäß gesagt: „Sie dürfen sich nicht vor der Debatte drücken, wenn es um das Kassieren von Gebühren geht.“ Ich möchte Ihnen sagen: Ich drücke mich nicht vor dieser Debatte. Allerdings bin ich an derer Auffassung als Sie, und Kollege Goll – er hat es eben ausgeführt – ist auch anderer Auffassung als Sie.
Darüber können wir gern eine Diskussion – – Ich kann Ihnen einen Dritten nennen, der beim Kassieren von Gebühren an derer Auffassung ist. Das ist der Innenminister des Landes Niedersachsen und Koordinator der SPD-geführten Länder im Bund in der Innenpolitik, der Kollege Boris Pistorius. Das wä re nach mir und dem Kollegen Goll der Dritte im Bunde. Viel leicht sprechen Sie einmal mit dem SPD-Kollegen in Nieder sachsen, der dezidiert und klar – vielleicht sogar noch ein biss chen klarer als der Kollege Goll – gegen das Kassieren von Gebühren ist.
Drei Gründe möchte ich Ihnen nur nennen. Erstens – da schließe ich mich Herrn Abg. Goll an –: Gefahrenabwehr und repressive Straftatenaufklärung sind Aufgaben der Polizei und von niemand anderem.
Zweitens: Durch das Kassieren von Gebühren beseitigen Sie die Ursachen nicht. Weder gibt es dann weniger Gewalt in Sta dien, noch senken Sie die Zahl der Einsatzstunden der Poli zei. Und wir wollen die Ursachen beseitigen und nicht bei den Vereinen kassieren.
Der dritte Punkt: Wenn Sie das Modell nehmen, das in Bre men entwickelt worden ist – einen Fonds zu bilden –, errei chen Sie eher eine kontraproduktive Entwicklung, weil Sie diejenigen Vereine, bei denen große Polizeieinsätze notwen dig sind, dann im Grunde durch mehr Geld belobigen als die jenigen Vereine, die Beiträge dazu leisten, dass Polizeieinsät ze eher in niedrigem Umfang gefahren werden können.
Es gibt noch weitere Gründe. Ich werde darauf zu sprechen kommen, warum wir unterschiedlicher Auffassung sind.
Ich möchte Ihnen damit nur sagen: Ich drücke mich nicht vor der Debatte. Aber eine andere Meinung habe ich aus den ge nannten und aus weiteren Gründen schon. Dazu später noch mehr.
Zweitens haben Sie sinngemäß gesagt: „Herr Innenminister, Sie dürfen sich nicht auf den Stadionallianzen ausruhen.“ Da von bin ich Lichtjahre weit entfernt. Indessen ist aber auch richtig, dass wir mit den Stadionallianzen auf einem bundes weit einmaligen und nach meiner Auffassung auch richtigen und guten Weg sind. Ich ruhe mich überhaupt nicht aus, weil ich weiß, dass wir auch in Zukunft große Herausforderungen zu bewältigen haben. Darauf werde ich zu sprechen kommen.
Des Weiteren sind mir die dicken Rauchwolken über der Mer cedes-Benz Arena im April 2017 beim Spiel des VfB Stutt gart gegen den Karlsruher SC, verursacht durch das Abbren nen von Pyrotechnik, natürlich noch in sehr, sehr guter Erin
nerung. Bei diesem Spiel konnten im Übrigen weder durch die Verstärkung des Ordnungsdienstes noch durch eine Inten sivierung der Durchsuchungsmaßnahmen das Einbringen und Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion verhindert werden.
Ganz offen gesprochen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Einbringen von Pyrotechnik in Stadien ist ein bundesweit bis lang noch nicht gelöstes Problem. Insbesondere bei den Ein lasskontrollen haben wir einfach noch Probleme und nicht die entsprechenden Lösungen. Der zuständige Ordnungsdienst darf beispielsweise nur eine oberflächliche Absuche an Per sonen durchführen und keinesfalls Durchsuchungen vorneh men. Auch die Polizei darf einzelne Personen nur bei ganz konkreten Anhaltspunkten durchsuchen. Das macht der Poli zei, das macht dem Ordnungsdienst die Arbeit außerordent lich schwer, um nicht zu sagen: in Wahrheit ein Stück weit un möglich.
Deswegen fordert das Innenministerium seit vielen Jahren von den Veranstaltern, die Situation bei den Einlasskontrollen bes ser zu lösen. Heute sind wir einen Schritt weiter, auch weil wir durch die Zusammenarbeit mit den Vereinen wissen, dass die Veranstalter überhaupt nicht in der Lage sind, diese unbe friedigende Situation allein zu lösen.
Daher haben wir im Anschluss an die Saison 2016/2017 ei nen anderen Weg eingeschlagen. Herr Kollege Stickelberger, lassen Sie es mich so sagen: Wir klagen nicht, sondern wir handeln ganz konkret. Ein Weg ohne einseitige Forderungen an Vereine und Verbände, ein gemeinsamer, ein partnerschaft licher Weg des Zusammenwirkens, frei von gegenseitigen Schuldzuweisungen – dieser Weg ist bundesweit einmalig, und dieser Weg hat einen Namen: Das sind die Stadionallian zen, die es in Baden-Württemberg gibt. Auf der Grundlage von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen haben wir ver einbart, intensiver mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten und alternative, lokale Lösungsansätze zu erarbeiten. Das ge schieht; das machen wir.
Ich darf zum wiederholten Mal feststellen, dass diese Zusam menarbeit nunmehr auch im zweiten Jahr erfolgversprechen de Früchte trägt. Dazu nur wenige Fakten: Bereits im ersten Jahr gab es einen Rückgang der Zahlen von Verletzten und Straftaten sowie eine deutliche Reduzierung der polizeilichen Einsatzbelastung um immerhin ca. 30 000 Stunden. Auch im zweiten Jahr kann ich eine weitere Reduktion der Einsatzstun den der Polizei und einen deutlichen Rückgang bei den Straf anzeigen vermelden. Ich verzichte aus Zeitgründen darauf, Ih nen das im Einzelnen zu berichten, aber weil Sie, Frau Kol legin Häffner, das angesprochen haben, nenne ich Ihnen im Innenausschuss gern detailliert die Zahlenkolonnen. Ich ma che es auch gern hier im Plenum, wenn Sie das wünschen. Das sind überzeugende Rückgänge.
Nicht erfreulich – da stimme ich Ihnen zu – ist die gestiege ne Anzahl von verletzten Personen in dieser Saison, aber Fakt ist auch, dass die Verletztenzahlen vergleichsweise immer noch gering sind. Bei einem Durchschnitt von 17 500 Zu schauern pro Spiel in den ersten drei Ligen haben wir rechne risch 0,7 verletzte Personen pro Spiel zu beklagen. Mit Ver laub, um es einmal plastisch zu sagen: Für einen Besucher ei nes Fußballspiels in Baden-Württemberg ist das Risiko, bei der Anfahrt zum Fußballspiel zu verunglücken, größer als das Risiko, dass ihm vor oder in dem Stadion etwas passiert, und
Ich will damit nur sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten uns nicht auf irgendetwas ausruhen – da bin ich mit Ihnen einmal total einig –, wir sollten aber auch die Lage nicht unnötig dramatisieren, sondern die Dinge immer in der richtigen Relation sehen.
Ein anderes Beispiel möchte ich Ihnen nennen, wiederum fak tenbasiert: Beim diesjährigen Stuttgarter Frühlingsfest, des sen Verlauf von der Polizei und auch von Veranstalterseite als ruhig bezeichnet wurde, sind in drei Wochen mehr Strafanzei gen erstattet worden als in der gesamten vergangenen Fuß ballsaison in ganz Baden-Württemberg.
Klar ist: Spiele, bei denen es zu Ausschreitungen kommt, sind bedauerlich, sind beklagenswert. Da arbeiten wir auch daran, dass es besser wird. Aber es ist überhaupt nicht die Regel, dass das in Baden-Württemberg passiert.
Wir werden daher unseren erfolgreich angestoßenen Weg der Stadionallianzen auch zukünftig konsequent weiterverfolgen und auf die gute Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Sicherheitsakteuren setzen. Das ist eine entscheidende Vor aussetzung für weniger Gewalt in und um Fußballstadien und eine Voraussetzung dafür, dass wir die Zahl der Einsatzstun den zurückfahren.
Noch einmal, Herr Kollege Stickelberger: Es trägt weder zur Gewaltminimierung noch zur Reduzierung des Polizeistun deneinsatzes bei, wenn wir nun die Vereine zur Kasse bitten.
Gestatten Sie mir abschließend noch einen Ausblick auf die kommende Fußballsaison. Das ist ja auch angeklungen. Durch die Ligenkonstellation, die wir in der anstehenden Saison vor finden, werden auch unsere Stadionallianzen erneut auf eine harte Probe gestellt. Wieder treffen der VfB Stuttgart, der Karlsruher SC und Dynamo Dresden in der Zweiten Bundes liga aufeinander und anderes mehr. Das ist eine echte Heraus forderung. Und Sie haben ganz recht: Wir werden wieder rich tig unter Stress kommen. Da gibt es überhaupt keinen Wider spruch. Auch der Aufstieg des SV Waldhof Mannheim in die Dritte Liga und die Zusammensetzung der Oberliga BadenWürttemberg mit Traditionsvereinen wie den Stuttgarter Ki ckers, dem VfB Stuttgart II und dem SSV Reutlingen werden zu einer Erhöhung der Belastung bei allen Beteiligten führen.
Unsere Sicherheitspartner werden also beweisen müssen – ich hoffe und bin auch guter Dinge, dass sie es beweisen können –, dass die lokalen Allianzen stabil und auch stressresistent sind. Ich räume Ihnen aber ein: Das ist eine Herausforderung. Ich will auch hier ganz klar und deutlich sagen: Ja, es kann auf diesem erfolgreichen baden-württembergischen Weg auch einmal einen Rückschlag geben, und dann wird sehr schnell die Frage kommen: Warum war bei diesem Spiel so wenig Po lizei gewesen? Ich möchte Ihnen klar sagen: Genau das ist un ser Weg, dass wir dort die Polizeieinsatzstunden herunterfah ren, weil ich die Polizei nötiger an anderer Stelle brauchen kann. Das ist der Weg der Stadionallianzen: weniger Polizei bei maximaler Sicherheit und weniger Gewalt. Ich räume ein: Auch auf diesem Weg kann es mal einen Rückschlag geben. Dann mögen Sie darüber richten.
Ich sage Ihnen aber: Mein Respekt und mein Dank gelten der Polizei und den Sicherheitspartnern. Ich habe mir bei Spielen sozusagen backstage, hinter den Kulissen, auch angeschaut, wie die Sicherheitspartnerschaft gelebt wird, und ich war vor allem von einem beeindruckt, nämlich davon, mit welcher Motivation, mit welcher Einsatzbereitschaft, ja, mit welcher Leidenschaft und mit welcher Professionalität die baden-würt tembergische Landespolizei und die beteiligten Sicherheits akteure von den Vereinen, den Kommunen und dergleichen die Sicherheitspartnerschaft aus Überzeugung gelebt haben. Ihnen allen sage ich Dank und Respekt für ihre Arbeit.
Ich freue mich über den fraktionsübergreifenden Applaus für die Sicherheitsakteure, aber ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, es nicht beim Applaus zu belassen, son dern die Sicherheitsakteure und unsere Stadionallianzen, un seren Baden-Württemberg-Weg auch in Zukunft zu unterstüt zen.