Protocol of the Session on April 3, 2019

Denn es darf nicht sein, dass sich die Regierungsfraktionen zwar im Ausrufen von Zielen überbieten, sich im Erreichen dieser Ziele aber gegenseitig ausbremsen. Deswegen, um beim Thema dieser Debatte zu bleiben: Enthusiasmus und Realis mus dürfen sich nicht ständig gegenseitig ein Bein stellen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Landesregierung ist genau in diesem Problem gefangen – dem Problem, dass die Grünen nicht zwischen Idealismus und Ideologie unterscheiden können

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Hey!)

und dass die CDU mit dem Wort „Realismus“ ihre eigene Re alitätsverweigerung verbergen möchte. So kommen wir dem Ziel eines effektiven Klimaschutzes nicht näher. Wieder ein

mal wird deutlich: Die wichtigsten Probleme in diesem Land kann diese Regierung definitiv nicht lösen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Abge ordneten der FDP/DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜ NE: Eine Steilvorlage für den Umweltminister! – Zu ruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Glück das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Das macht ja schon richtig Spaß hier heute Morgen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: So ein Glück! – Zu rufe von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, der Ti tel der Aktuellen Debatte ist richtig gewählt.

(Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Es ist etwas – wie soll ich sagen? – verwunderlich und bemer kenswert, wenn man betrachtet, wer diese Debatte beantragt hat. Offensichtlich herrscht in dieser Koalition hier so ein Knatsch, dass man das Instrument der Aktuellen Debatte wäh len muss, um beim zuständigen Minister Gehör zu finden. Das ist doch wirklich bemerkenswert.

Ich finde aber diesen Debattentitel in der Tat richtig gut. Es braucht eine gewisse Begeisterung und einen Enthusiasmus, um Dinge anzustoßen. Aber es braucht auch Augenmaß und Realismus, um eine Entwicklung so umsetzen zu können, dass sie wirklich erfolgreich ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Enthusiasmus und Augenmaß – nur eines von beidem, das ist zu wenig. Beim Enthusiasmus scheinen sich die Regierungs fraktionen einig zu sein, beim Thema Augenmaß leider nicht.

Gerade am Beispiel des Klimaschutzgesetzes in Baden-Würt temberg wird doch klar: Das Land schreibt Ziele für den Kli maschutz in Baden-Württemberg fest, obwohl die gesetzge berische Kompetenz zum größten Teil nicht beim Land, son dern woanders liegt – meist beim Bund oder auf europäischer Ebene oder, gerade wenn es um das Thema Umsetzung geht, auch bei den Kommunen. Es zeugt eben gerade nicht von Au genmaß, wenn man Ziele formuliert, zu deren Erreichbarkeit man selbst eigentlich nicht beitragen kann.

Auf das damalige Klimaschutzgesetz folgte die Verordnung, nämlich das IEKK. Am 26. Juni 2014 wurde von einem Red ner der CDU gesagt – vielleicht kommen einem diese Aussa gen bekannt vor; ich zitiere –:

Das IEKK ist eine Ansammlung von Ideen und Maßnah men, denen jegliche Prioritätensetzung, jeglicher Zeit plan und jegliche Finanzierungszusagen fehlen.

Einem solchen sinnlosen Konzept können wir einfach nicht zustimmen.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Das waren damals die Aussagen des Redners der CDU. – Die se Kritik kam leider schon damals zu spät. Denn erst einem Gesetz zuzustimmen, das eine Verordnungsermächtigung ent hält, und anschließend über die Verordnung zu schimpfen – das war einfach auch zu spät.

Auch in Ihren Koalitionsverhandlungen wurde genau dieser damalige Kritikpunkt

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Ihres energiepolitischen Sprechers offensichtlich vom Tisch gefegt. Denn im Koalitionsvertrag wurde eine Fortschreibung des IEKK und auch des Klimaschutzgesetzes vereinbart. Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, sehen Sie, wohin das führt, nämlich dahin, dass Minister Unterstel ler ein Eckpunktepapier vorlegt, und Kernpunkt des Papiers ist z. B. eine Minderung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 42 %.

Man ignoriert hierbei völlig, dass man die bisherigen Ziele, die man sich seitens des Landes gesetzt hat, völlig verfehlt hat. Wieder wird, ohne die maßgebliche gesetzgeberische Kompetenz im Land zu haben, einfach irgendetwas als Ziel rausgeknallt.

Die Kompetenzen liegen nämlich ganz klar beim Bund und in Europa. Beim Bund ist das EEG ansässig; beim Bund ist z. B. die steuerliche Abschreibbarkeit der energetischen Ge bäudesanierung ansässig. Bei Europa ist der Punkt „Emissi onshandel für CO2“ wichtig, ebenso wie die Effort Sharing Regulation, z. B. zu den Flottenzielen im Verkehrssektor.

Auch die Kommunen haben wichtige Schlüsselfunktionen bei der Umsetzung, gerade wenn es darum geht, einen Flächen nutzungsplan zu erstellen. Das ist nämlich nach Artikel 28 des Grundgesetzes schlicht und einfach in der Kommunalverwal tung anzusiedeln.

Deswegen sage ich der Landesregierung ganz klar: Konzent rieren Sie sich seitens des Landes doch jetzt erst mal auf die Dinge, die Sie tatsächlich umsetzen können und bei denen Sie gesetzgeberische Kompetenz haben. Bauen Sie keine Luft schlösser, sondern kümmern Sie sich z. B. darum, dass jedes landeseigene Gebäude Fotovoltaik auf dem Dach hat. Das können Sie. Kümmern Sie sich darum, dass die energetische Sanierung unserer Landesgebäude entsprechend auf Vorder mann gebracht wird. Das können Sie. Kümmern Sie sich da rum, dass im Fuhrpark dieser Landesregierung z. B. auch al ternative Antriebe zum Einsatz kommen. Damit meine ich jetzt nicht nur Elektromobilität, sondern das meine ich tat sächlich technologieoffen.

Eine Energiewende wird nämlich nur dann gelingen, wenn je der seine Stärke beitragen darf und wenn man nicht versucht, die Schwächen zu Stärken zu machen. Ich möchte es an die ser Stelle noch mal ganz klar sagen: Baden-Württemberg kann einen besseren Beitrag zum Thema Klimaschutz leisten als z. B. durch das Aufstellen von Windkraftanlagen an Stellen, an denen diese Anlagen dann meist stillstehen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Wir können bessere Beiträge liefern, gerade was das Thema Energieeffizienz angeht, gerade was das Thema Wärmeeffizi enz angeht und gerade was das Thema „Innovation und For

schung“ angeht. Das sind die Kernkompetenzen Baden-Würt tembergs bei der Energiewende, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Herr Abg. Glück, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Oh!)

Außerdem möchte Herr Minister Untersteller in seinem Pa pier sicherstellen, dass die Regierungspräsidien künftig in al len Bauleitplanverfahren zur Regelung von Standorten für er neuerbare Energien wie Windenergie und Freiflächenfotovol taik beteiligt werden. Zudem möchte der Minister in seinem Papier die Einführung einer verbindlichen kommunalen Ver kehrsplanung unter Einbindung der Regierungspräsidien. Da rin sollen sich die Kommunen selbst verbindliche Klima schutzmaßnahmen im Verkehrssektor auferlegen. Des Weite ren soll eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung für Stadtkreise und Große Kreisstädte festgeschrieben werden.

Durch diese geforderten Maßnahmen möchte die Landesre gierung die Kommunen und Kreise ans Gängelband der Re gierungspräsidien nehmen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann nicht sein. Die Kommunen sind sauer, und zwar zu Recht. Die Kommunen brauchen keinen Oberaufpas ser in Klimafragen, sagt Gemeindetagspräsident Roger Keh le. Er hat recht. Die Kommunen sind beim Thema Klima schutz in manchen Bereichen schon viel weiter, als es das Land Baden-Württemberg ist.

Allgemein: Auf Deutschland entfielen im Jahr 2016 gerade mal 2,1 % des weltweiten CO2-Ausstoßes. Hätten wir damals selbst jeglichen Ausstoß eingespart, hätten wir zwar unsere Wirtschaft kaputt gemacht, aber dem Weltklima wäre das herzlich egal gewesen. Jetzt sage ich deswegen aber nicht, dass wir nichts tun sollen, sondern ich sage, wir sollen das Richtige tun und das Falsche lassen. Da sollten wir erst mal mit den Fakten anfangen: Es gibt eben kein eigenes Klima in Deutschland, und es gibt kein eigenes Klima in Baden-Würt temberg – außer vielleicht innerhalb der Landesregierung, und da ist es schlecht.

(Heiterkeit des Abg. Jürgen Keck FDP/DVP – Zuruf)

Richtig ist es deswegen, internationale und kontinentale Ver einbarungen beim Klimaschutz zu stärken. Es gibt nämlich nur dieses eine Weltklima.

Gerade der CO2-Zertifikatehandel der Europäischen Union ist hier ein sehr, sehr guter Ansatz und sollte unserer Meinung nach auch auf andere Sektoren wie z. B. den Verkehrssektor angewandt werden. CO2 braucht einen Preis.

Oft wird jetzt an diesem CO2-Zertifikatemarkt kritisiert, dass der Preis für die CO2-Zertifikate zu niedrig ist. Herr Minister Untersteller, genau in diesem Punkt sind wir uns einig: Die CO2-Zertifikate sind zu billig, um eine Steuerungsfunktion entfalten zu können. Beachtlich ist nur, dass Sie zu denen ge hören, die zu diesen niedrigen CO2-Zertifikatspreisen beitra gen; denn jeder nationale Alleingang – ich zitiere jetzt sinn gemäß – wird zu nationalen Milliardensubventionen für er neuerbare Energien führen und wird dazu beitragen, dass kon

tinentale Emissionshandelssysteme wie z. B. das der Europä ischen Union keine wirksamen Preise entwickeln können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder nationale Al leingang wird eine kontinentale Einigung unterminieren. Das sagt nicht die FDP/DVP, sondern das sagt der Weltklimarat IPCC in seinem Fünften Sachstandsbericht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mit Ihrer Forderung, Herr Minister, nach höheren Vergütungs ansprüchen für Windräder in windschwachen Mittelgebirgen sind Sie mitverantwortlich, wenn diese CO2-Zertifikate zu künftig eben keine Steuerungsfunktion entfalten können, weil sie einfach zu billig sind.

Das ist bedauerlich. Denn die Entwicklung der Preise für CO2Zertifikate im vergangenen Jahr sah so aus: Im Januar des letz ten Jahres hat eine Tonne CO2 ungefähr 8 € gekostet. In die sem Jahr sind wir bereits bei 24 €. Das heißt, jetzt wird der Preis seine Steuerungsfunktion entwickeln können. Doch was macht Deutschland? Deutschland plant wieder einen Kohle kompromiss, der unglaublich teuer ist und nur dazu führen wird, dass man hier bei uns für viel Geld den Ausstoß von CO2 reduziert und andernorts in Europa wieder entsprechend mehr emittiert wird. Das bringt dem Weltklima überhaupt nichts, rein gar nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Eine echte Energiewende kann nur gelingen, wenn sie inter national oder zumindest kontinental organisiert ist. Sie muss marktwirtschaftlich organisiert sein, damit jeweils die güns tigste Technologie zum Einsatz kommt. Es braucht dieses marktwirtschaftliche System, damit wir eine Technologieof fenheit haben. Denn die Politik weiß eben nicht, was die Zu kunftstechnologie von morgen sein wird. Das wissen die For schungsabteilungen, das wissen die Universitäten, das ent scheidet letztlich auch der Markt – aber die Landesregierung weiß es eben nicht.