men und Herren! Zur Wahrheit eines Asylverfahrens gehört eben auch, dass nicht jedes Schutzgesuch positiv beschieden wird. Das ist auch richtig so, denn das Asylverfahren und auch die Schutzfunktion des Asylrechts für verfolgte und bedrohte Menschen würden infrage gestellt, wenn das nicht so wäre.
Zur Wahrheit gehört auch, dass Menschen aus vielen Grün den zu uns kommen. Darunter sind natürlich die, die einen im Grundgesetz oder in der Genfer Flüchtlingskonvention be gründeten Schutzstatus erwirken können. Und es gibt natür lich auch Menschen, die aus wahrscheinlich guten Gründen ihre Heimat verlassen, aber hier keinen Flüchtlingsschutz er warten können.
Wir halten es für den falschen Ansatz, das Thema Migration lediglich aus dem Blickwinkel der Ausreisepflichten zu be trachten. Das ist eindeutig zu kurz gegriffen. Nach Schätzung des UNHCR gibt es weltweit rund 68 Millionen Menschen, die auf der Flucht oder zwangsvertrieben sind, rund 25 Milli onen Menschen sind Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flücht lingskonvention, und rund drei Millionen Menschen sind Asyl suchende. Die Hälfte der Flüchtlinge weltweit sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Zur Wahrheit gehört auch, dass die allermeisten Geflüchteten und Migrantinnen und Mi granten auf dieser Welt nicht in Europa, nicht in Deutschland oder in Baden-Württemberg, sondern zu 85 % in den Ländern leben, die wir als Entwicklungsländer bezeichnen.
Wenn wir diese Flüchtlingszugänge zu verzeichnen haben und über Migration und auch über die Ausreisepflicht und die Not wendigkeit, diese Ausreisepflicht durchzusetzen, sprechen – es gehört auch dazu, dass der Staat die Ausreisepflicht durch setzen und, wie der Kollege gesagt hat, als Ultima Ratio zur Abschiebung greifen muss –, so bedeutet das, dass es eine Kri se gibt, die viele Menschen bedroht. Diese Krise besteht nicht bei uns, sondern in den Herkunftsländern. Das bedeutet dort Krieg, Vertreibung und Verfolgung. Die Gründe können aber auch Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Armut und Klima wandel sein, auch hier in Europa. Wenn wir also über Flucht und Migration, Aufnahme und Abschiebung sprechen, geht es auch um diese globale Dimension, und es geht auch um die Frage von Ernsthaftigkeit und Tonlage.
Wir glauben, dass es nicht darum gehen kann, diese Frage al lein auf Zahlen zu reduzieren, was der Kollege im Übrigen auch gar nicht getan hat. – Das sage ich, damit das jetzt nicht falsch verstanden wird. – Wir stellen von grüner Seite auch in keiner Weise das Aufenthaltsrecht so, wie es besteht, und die damit verbundene Pflicht zur Ausreise infrage.
Es lohnt sich aber, einen reflektierten Blick auf diese Vorgän ge zu richten. In den Jahren 2015 und 2016 sind sehr viele Menschen zu uns gekommen. Um diese Menschen und deren Integration in Gemeinden, in das Gemeinschaftsleben, in Un ternehmen haben sich Betriebe, Mitarbeiterinnen und Mitar beiter der Betriebe und auch viele ehrenamtliche Helferinnen
und Helfer sehr verdient gemacht und sich teilweise bis an ih re eigene Belastungsgrenze eingesetzt.
Wir, die Politik, haben diese Menschen und auch diese Unter nehmen ausdrücklich dazu ermutigt und uns auch ausgiebig dafür bedankt. Wir haben die Unternehmen ermutigt, sich bei der Eingliederung von Menschen in den Arbeitsmarkt zu en gagieren. Jene, die unterstützt haben, die Helferinnen und Hel fer, die Unternehmerinnen und Unternehmer und deren Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter, fragten in dieser Zeit nicht da nach, wie die Bleibeperspektiven dieser Personen sind.
Aber diese Menschen fragen sich heute, warum sie das teils mit erheblichem eigenen Aufwand auf sich genommen haben. Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich, warum sie mit Kosten Flüchtlinge in ihren Firmen geschult, aufgenom men, eingegliedert, ausgebildet und weitergebildet haben, um sie zu voll einsatzfähigen Mitarbeitern heranzuziehen. Diese Unternehmen fragen sich heute, wenn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien nun abgeschoben werden sollen, wofür sie das alles getan haben und warum sie von der Politik dazu ermutigt worden sind.
Manche Unternehmer können rückblickend sagen, sie haben Glück gehabt, weil sie beispielsweise einem syrischen Staats angehörigen einen Arbeitsplatz angeboten haben und jetzt, zwei Jahre später, nicht damit konfrontiert sind, dass plötzlich eine Ausreisepflicht besteht. Aber es gibt eben auch viele Un ternehmen, die beispielsweise gambische oder afghanische Staatsangehörige beschäftigt haben und nun akzeptieren sol len, dass diese von der Werkbank weg abgeschoben werden.
Anstatt uns hier selbst ein Bein zu stellen, brauchen wir end lich pragmatische Regelungen beispielsweise in Form von stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelungen.
Deshalb begrüßen wir es auch grundsätzlich, dass die Bun desregierung einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz in den Bundestag eingebracht hat. Der Deutsche Bundestag hat entschieden, die Regelungen dieses Gesetzentwurfs, die sich auf Flüchtlinge beziehen, von diesem abzutrennen und einen eigenen Gesetzentwurf hierzu zu erarbeiten. Das kann man machen, aber das Entscheidende ist am Ende doch, dass prag matische und wirklich humanitäre, helfende Lösungen dabei herauskommen, die eine Verbesserung und eine Lösung für die Situation bedeuten, in der sich diese Menschen befinden.
Mit Blick auf den dort gegenwärtig vorliegenden Gesetzent wurf haben wir noch erhebliche Bedenken, dass die darin nie dergelegten Regelungen tatsächlich zielführend sind. Wir ha ben erlebt, dass der Bundesrat genau in diesem Sinn klare Wünsche an die Bundesregierung gerichtet hat, und wir hof fen, dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf Bundes ebene wirklich dazu kommt, dass diese Wünsche an die Bun desregierung und an den Deutschen Bundestag umgesetzt wer den.
Das Thema klingt verheißungsvoll und gut: „Ausreisepflicht durchsetzen – für Humanität und Ordnung in der Migrations politik“. Wir, die Alternative für Deutschland, fordern bereits seit Jahren die konsequente Umsetzung der Ausreisepflicht. Wir fordern Grenzkontrollen; wir fordern: Keine Einreise oh ne Identitätsnachweis.
Wir sind die Partei, die dafür steht, dass nur diejenigen unser Land als Asylbewerber betreten, die auch eine Chance auf Asyl haben. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte die gan ze Flüchtlingsproblematik nie diese Dimension angenommen, weil viele Menschen gar nicht erst in unser Land gekommen wären.
Ich brauche hier gar nicht von sicheren Herkunftsländern und sicheren Drittstaaten zu reden, denn das scheint viele in die sem Land – und möglicherweise auch einige in diesem Parla ment – nicht zu interessieren.
Ich möchte auf Ihre Formulierung zu sprechen kommen, lie be Kollegen von der CDU. Sie sprechen von „Ausreisepflicht durchsetzen“. Das ist ein Appell, den wir teilen. Aber an wen ist er denn gerichtet?
Letztlich ist dieser Appell an Sie selbst gerichtet, an Sie, lie be Abgeordnete von der CDU. Denn Sie haben es unterlassen, Ihren grünen Koalitionspartner in die Pflicht zu nehmen, sei ne Blockadehaltung in dieser Frage aufzugeben. Sie haben es unterlassen. Vermutlich haben Sie es aus guten Gründen un terlassen. Denn so weit geht die Liebe zur Ausreisepflicht in der CDU nun doch nicht, als dass Sie dafür den Koalitions frieden auf das Spiel setzen würden.
Dass Sie unsere Vorschläge zum Thema „Ausreise, Asyl“ übernehmen und als Ihre eigenen verkaufen, das sind wir ja schon gewohnt. Die einzige Überraschung ist – da wissen wir nicht, wann es mal wieder so weit ist; heute ist es so weit –: Die CDU bringt das Thema „Ausreisepflicht durchsetzen – für Humanität und Ordnung in der Migrationspolitik“ auf die Tagesordnung. Es ist aber AfD pur.
Nach Jahren fast völliger politischer Abstinenz im grünen Ko alitionstaumel fällt der CDU in der Frage der Ausreise- und Asylpolitik plötzlich ein, dass man wieder einmal etwas ma chen muss. Ach so, es sind ja Wahlen in diesem Jahr. Sind Sie selbst darauf gekommen, oder hat der Druck der Mitglieder und Wähler Sie langsam dazu gebracht?
Sie verwenden hier die Formulierung „Ordnung in der Mig rationspolitik“. Da frage ich mich schon, von welcher Ord nung Sie sprechen, insbesondere von welcher Ordnungspoli tik im Bereich Migrationspolitik. Sie können das Wort „Ord nung“ doch kaum noch buchstabieren. Denn Politik bedeutet aktives Handeln, und davon kann bei der CDU hier im Land tag von Baden-Württemberg keine Rede mehr sein
aktive Politik bestenfalls im Sinne eines Laufenlassens. Viel leicht muss auch von einem Unterlassen gesprochen werden, wenn wir das einmal auf die Opfer Ihrer Politik beziehen.
Ich möchte Sie schon fragen, liebe Kollegen von der CDU: Schlafen Sie noch gut, wenn Sie an die Opfer von Gefährdern und Asylbewerbern denken? Können Sie den Hinterbliebenen noch in die Augen schauen?
Meine werten Kollegen von der CDU, Sie agieren nicht, Sie reagieren bestenfalls auf Meinungsumfragen, und dann nur mit viel Wind, ohne dass das Boot der Ausreisepflichtigen wirklich Richtung Heimat Fahrt aufnimmt.
Obwohl Abschiebung Ländersache ist, das Land beträchtliche Möglichkeiten hat und der Herr Innenminister die Abschiebe behörden befehligt, fordern Sie großspurig die Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dann machen Sie es doch!
Ihre Bilanz ist erschreckend. Von Juni 2017 bis 2018 sind von 8 030 geplanten Abschiebungen 4 886 gescheitert. Für alle, die rechnen können: Das sind mehr als 50 %. Von 1 989 ge planten Abschiebungen aus den Landeserstaufnahmen sind 1 406 gescheitert – ungefähr 75 % –, davon 796 aus dem ganz profanen Grund, dass die Betroffenen beim Abschiebeversuch nicht da waren, wo sie nach dem Willen der Akten und Para grafen sein sollten. Das ist CDU-Politik.
Die Zahl der Abschiebungen sank – sie sank, meine Damen und Herren! – von 3 638 im Jahr 2016 auf 3 018 im Jahr 2018 – ein toller Erfolg, Herr Innenminister –, obwohl die Zahl der Ausreisepflichtigen in diesem Zeitraum gewaltig zunahm. Gibt es eine vernichtendere Bilanz, einen desaströseren Miss erfolg? Sie wollen uns weismachen, dass Sie die Ausreise pflicht durchsetzen. Wenn das ein nicht so ernstes Thema wä re, würde ich jetzt anfangen zu lachen.
Warum klaffen bei Ihnen von der CDU Worte und Taten so weit auseinander? Nehmen wir den Landesflüchtlingsrat, den Migrantenlobbyverein par excellence. Seit vielen Jahren – und bis heute – halten die Grünen die schützende Hand über ihn. Er erhält Landeszuschüsse im Hunderttausenderbereich, ob wohl er Abschiebungen nach Kräften sabotiert und damit die Staatskosten erhöht.