Zweite Anmerkung meinerseits zu diesem Thema: Wäre die ses Thema nicht besser in der Ausschusssitzung aufgehoben gewesen? Anscheinend nicht. Anscheinend möchten Sie, die SPD, Öffentlichkeit erzeugen, öffentlichen Druck erzeugen, um sich selbst als Retter und Streiter für die Gerechtigkeit zu inszenieren, als Retter und Streiter für die kleinen Leute, und das scheinen hier möglicherweise die Grundschullehrer zu sein.
Denn – dritte Anmerkung – jede Besserstellung einer Gruppe geht zulasten anderer Teilgruppen. Diese groß angelegte Qua lifizierungskampagne für Grund-, Haupt- und Werkrealschul lehrer, wozu hat sie geführt? Ist sie nicht vielleicht sogar eine der Ursachen für den Mangel an Lehrern ebendieser Schulart, insbesondere an Lehrern in den Grundschulen?
Hat die SPD in der vergangenen Legislaturperiode mit genau ebendieser Maßnahme, den Umschulungsmaßnahmen und Weiterqualifizierungen, einen Humbug betrieben? Diese Maß nahmen wurden in Angriff genommen, weil die Hauptschule – die viel geschmähte und häufig vernachlässigte, von vielen als „Restschule“ betrachtete Hauptschule – nicht gestärkt wur de, sondern zugunsten der Gemeinschaftsschule ausrangiert werden sollte. In diese Gemeinschaftsschule wollen zwar wie der weniger Eltern ihre Kinder schicken, aber die Weiterqua lifizierungsmaßnahmen sind in vollem Gange, mit der Kon sequenz, dass dementsprechend Haupt- und Werkrealschul lehrer nun an den Grundschulen fehlen.
Grundsätzlich erscheinen mir die Bedingungen für die Wei terqualifizierung angemessen und korrekt. Das gesamte Kon zept ist durchaus geeignet zur Qualifizierung der Lehrkräfte; da ist keine Kritik zu üben. Deshalb zitiere ich aus der Stel lungnahme zu Ziffer 9 des Antrags:
Die Zahl der Stellen bzw. die Zahl der Stellenhebungen nach Besoldungsgruppe A 13 ist abhängig von der Zahl der Lehrkräfte, die die Qualifizierungsmaßnahmen erfolg reich durchlaufen,...
Deswegen kann ich eigentlich nur folgern: Die SPD inszeniert sich hier gern als Interessenvertretung für eine bestimmte Leh rergruppe, und es fällt den Genossen dabei anscheinend schwer, sich vorzustellen, dass sie sich in einer Gesellschaft mit ei nem vielleicht unsichtbaren Gleichgewicht befinden, bis ein Genosse eingreift und dieses Gleichgewicht zerstört. Die meis ten typischen SPD-Geschenke sind unbezahlbar, manche sind sogar überflüssig.
Drei Jahre Bürgergeld statt ein Jahr Hartz IV, Anhebung des Mindestlohns, keine sinnwidrigen Sanktionen für Arbeitslo se usw. – schöne Ideen, vielleicht sogar bezahlbar, wenn man nicht die Anzahl der potenziellen Bezieher dieser Hilfen durch unkontrollierten Zugang fast unbegrenzt ausgedehnt hätte.
Eben ein typischer SPD-Antrag, dem Selbstverständnis der SPD entsprechend: gegen Ungerechtigkeit, gegen vermeint liche Unterdrückung. Dabei werden häufig die wirklich Be dürftigen vergessen. Aber das macht ja nichts. Dafür sind wir, die Alternative, schließlich da.
Sie vergessen häufig, für wessen Wohlergehen Sie eigentlich verantwortlich sind – nämlich für das gesamte Wahlvolk –, und Sie vergessen häufig, wem man mit diesen schönen Wahl geschenken schadet: dem Steuerzahler und der arbeitenden Bevölkerung.
Oft genug waren Sie in der Vergangenheit allzu leicht bereit, Ihre Ideale einem Neoliberalismus zu verkaufen. Umso be zeichnender ist es, dass sich hier im Landtag heute anschei nend eine Oppositionskoalition gebildet hat aus ebenjener SPD und der FDP, die von ihren Grundsätzen her so verschie den sind wie kaum zwei andere Parteien.
Es ist bezeichnend, dass die andere Fraktion ebenjener Oppo sitionskoalition angehört und den erwarteten Antrag einreicht, einen Antrag für die eigene politische Klientel, für die Klien tel der SPD, eine Partei, die ihre politische Mission vor allem in der Umverteilung sieht, die aber dabei ausblendet, dass je de Bevorzugung einer Gruppe eine andere Gruppe wieder be nachteiligt.
Jawohl. – Denn natürlich wird dieses Programm Geld kosten, und da keine der beiden An tragstellerinnen einen Vorschlag zur Finanzierung vorgebracht hat, sind diese Anträge aus grundsätzlichen Erwägungen ab zulehnen.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SPD geht es um Gerechtigkeit. Das ist auch gut so. Es gibt ja verschiedene Fa cetten der Gerechtigkeit. Manche sind eher, Herr Dr. Balzer, in Richtung Bedarfsgerechtigkeit unterwegs, manche in Rich tung Leistungsgerechtigkeit.
Lehrkräfte, die an Realschulen unterrichten, aber das Studi um für die Lehrtätigkeit an Haupt- und Werkrealschulen ab
solviert haben, werden den Realschullehrern in der Besoldung gleichgestellt. Sie besuchen vier fachdidaktische Module, und dann ist der Aufstieg geschafft. Alle anderen Lehrkräfte, die an Gemeinschaftsschulen unterrichten oder perspektivisch – Frau Boser hat es ja richtiggestellt – an Gemeinschaftsschu len oder Realschulen eingesetzt werden, haben es deutlich schwerer. Sie müssen zusätzliche Module besuchen. Außer dem müssen sie ein fachdidaktisches Kolloquium und eine unterrichtspraktische Prüfung bestehen.
Dies stellt tatsächlich eine gewisse Ungleichbehandlung der Lehrkräfte dar. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbe handlung außer dem, dass die einen schon an der Schule ein gesetzt sind und die anderen nicht, sucht man in der Stellung nahme des Ministeriums vergeblich. Vielleicht können Sie uns hier nachher weiterhelfen, Frau Ministerin.
Sie können sicher sein, dass wir von der FDP/DVP-Fraktion den Aufstieg durch Leistung grundsätzlich gutheißen. Eben so soll Leistung belohnt werden. Das ist nur fair.
Zur Fairness gehört aber auch, dass die Lehrkräfte, die die Fortbildung erfolgreich beendet haben, zeitnah höher einge stuft werden. Hier muss schnell die Lücke zwischen Qualifi kation und Amt geschlossen werden. Dazu gibt es auch ent sprechende Gerichtsurteile.
Konkret bedeutet dies einen Ansatz von Mehrausgaben – aber das bitte nicht erst im Doppelhaushalt 2020/2021. Man kann nicht ein Konzept für einen Aufstieg machen und nachher die Stellen nicht bereitstellen.
Es gibt aber einen weiteren Aspekt, den man berücksichtigen muss. Es gibt Lehrkräfte, die komplett vom Aufstieg ausge schlossen sind, obwohl sie dieselbe Qualifikation mitbringen und schon jahrelang ihre Schülerinnen und Schüler auf den mittleren Bildungsabschluss vorbereiten. Ich spreche von Leh rerinnen und Lehrern an den Werkrealschulen. An die haben Sie entweder gar nicht gedacht, oder Sie haben diese absicht lich ausgeklammert. Diese Beamtinnen und Beamten, die wie die Gallier im unbeugsamen Dorf namens Werkrealschule un terrichten und teilweise hervorragende Arbeit leisten, sollen gar nicht zum Zuge kommen.
Aber Vorsicht! Es gibt nicht das gallische Dorf, es gibt 682 gallische Dörfer in Baden-Württemberg. Die bekommen Sie in einer Legislaturperiode gar nicht weg – da müssen Sie sich schon sehr anstrengen –, diese 682 Werkrealschulen.
Diese Gallier wollen übrigens nicht kämpfen – keine Angst –, sie wollen einfach nur ihre Arbeit machen.
Die Hattie-Studie hat vor einigen Jahren ergeben, dass allei niges Kriterium für guten Unterricht die Qualität der Lehrer ist. Weder mediale Ausstattung noch Methode oder Sozial form sind ausschlaggebend. Nur die Fachkompetenz und die pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten der Lehrerinnen und Lehrer sind maßgeblich. Das heißt: Egal, wie Sie das Kind jetzt nennen, es kommt immer auf die Lehrer an.
Auch die Haupt- und Werkrealschullehrerinnen und -lehrer, die weiterhin an dieser Schule unterrichten, müssen zumin
dest eine Chance auf eine Aufstiegsfortbildung erhalten. Das wäre dann gerecht, und zwar bedarfs- und leistungsgerecht. Das wäre dann wirklich wahre Gleichbehandlung.
Wenn das nicht der Fall sein sollte und Sie wider besseres Wissen diese Lehrkräfte benachteiligen, wird der von Ihnen gewünschte Effekt eintreten: Die Werkrealschulen werden sterben, sie werden abgewickelt und mit ihnen die Lehrkräf te, die dort die Fahne für das vielgliedrige Schulsystem hoch gehalten haben.
Nun ist ja eine Schulart kein Selbstzweck. Sie muss eine Funktion erfüllen, sonst ist sie überflüssig. Eine Schule muss Sinn machen. Und genau das ist hier die Krux. Die Werkreal schule hat eine Funktion, und sie ist eine sinnvolle Schulart. Sie hat Schülerinnen und Schüler jahrelang praxisnah aufs Le ben vorbereitet, Schülerinnen und Schüler, die ihre hauptsäch lichen Stärken nicht im kognitiven Bereich haben, sondern vielleicht eher praktisch begabt sind, die vielleicht sehr zuver lässig und motiviert arbeiten können und nur über den Praxis bezug durch eigene Anschauung zu geistigen Erkenntnissen gelangen können.
Es gab und gibt sehr gute Werkrealschulen mit sehr guten Lehrkräften. Wir werden versuchen, diese Schulart zu retten. Wir werden in Kürze einen Gesetzentwurf einbringen, der die ser Schulart den Platz einräumt, den sie verdient: als berufli che Realschule mit noch mehr Praxisbezug und mit systema tischer Kooperation mit den beruflichen Schulen, so, wie es ursprünglich auch im Konzept der Werkrealschule angelegt war.
Eine Benachteiligung der Lehrkräfte an Werkrealschulen be deutet eine Benachteiligung der Schülerinnen und Schüler, die diese Schulart brauchen und die wiederum dringend im Hand werk und von der mittelständischen Wirtschaft gebraucht wer den, und zwar als Fachkräfte, die geistig wach sind, motiviert und gut qualifiziert, und nicht als gescheiterte Halbakademi ker, die einen Betrieb nur aus der Ferne kennen.
Wir stellen deshalb den Antrag, dass Lehrkräfte, die weiter hin an Werkrealschulen unterrichten, die Möglichkeit erhal ten, durch eine Aufstiegsfortbildung in die Besoldungsstufe A 13 zu gelangen. Bitte unterstützen Sie diesen Antrag.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für die Wertschätzung be danken – Herr Haser, Sie haben es sehr ausführlich angespro chen; auch einige andere Redner haben sich entsprechend ge äußert –, die gerade den Haupt- und Werkrealschulen gegen über zum Ausdruck gebracht wurde. Ich glaube, das ist eine Schulart, die es verdient, dass man um die Standorte, die es noch gibt, tatsächlich kämpft.
Wenn man im Land Schulstandorte besucht, findet man gera de im ländlichen Raum immer noch starke Haupt- und Werk
realschulen mit teilweise 200, 300 Schülerinnen und Schü lern, mit einer exzellenten Quote der Vermittlung in den Ar beitsmarkt, mit enger beruflicher Vernetzung und tollen Per spektiven im Handwerk, bei kleineren und größeren Unter nehmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Perspektive insgesamt erhalten.
Ich glaube, dass es auch richtig war, dass wir im Rahmen ei ner Weiterqualifizierungsoffensive, die im Endausbau immer hin 37 Millionen € – allein die Weiterqualifizierung – kostet, für die Lehrerinnen und Lehrer, die eine hervorragende Arbeit in den Haupt- und Werkrealschulen machen, während tatsäch lich bedauerlicherweise die Eltern diese Schulart nicht mehr in dem Maß wählen, wie sie es eigentlich verdient hat, eine Perspektive entwickeln, und das haben wir getan. Ich sagte es bereits: Wir stellen hierfür 37 Millionen € im Endausbau zur Verfügung und bieten letztlich die Möglichkeit, nach unter schiedlichen Weiterqualifizierungsmaßnahmen in Realschu len, in Gemeinschaftsschulen, im Bereich der sonderpädago gischen Bildung und Beratung tatsächlich nach A 13 beför dert werden zu können. Das ist richtig, und es ist auch ein wichtiges Signal.
Das setzen wir auch um, natürlich in Schritten – Frau Boser hat es dargestellt –, aber letztlich mit genau dieser Zielsetzung. Dafür werden wir – so, wie wir es vorgesehen haben – die nächsten Jahre auch brauchen, um allen die Perspektive zu bieten, wie wir es vorgesehen haben. Finanziert ist es in je dem Fall.