Protocol of the Session on January 30, 2019

Immerhin lag der Energieverbrauch für Wärme in BadenWürttemberg nach Zahlen des Bundesamts für 2017 bei ca. 130 bis 140 TWh. Wir nutzen also doppelt so viel Energie für Wärme wie für die Erzeugung von Strom, wo der Wert etwa bei 70 bis 75 TWh liegt.

Die Karlsruher Landesanstalt für Umwelt sagt klipp und klar: Eine Energiewende ist ohne Wärmewende nicht möglich. Doch wo bleibt sie, die seit Jahren angekündigte Wärmewen de? Warum kommt die Landesregierung nicht endlich in die Gänge und ergreift notwendige Maßnahmen?

(Abg. Alexander Schoch GRÜNE: Machen wir doch!)

In dem 320 Seiten langen Evaluationsbericht, der dieser Tage vorgelegt wurde, bescheinigen die vier evaluierenden Institu te der Landesregierung, dass von einer Landeswärmewende bisher keine Rede sein kann.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört! – Abg. Daniel Ren konen GRÜNE: Haben Sie den Bericht gelesen?)

Sie können das auf Seite 20 lesen. – Von schleppendem Aus bau der erneuerbaren Wärme ist die Rede. Das kann auch nicht weiter verwundern. Die Untersteller-Behörde war in den letz ten zehn Jahren noch nicht einmal imstande, vernünftiges Da tenmaterial beizubringen.

(Lachen bei der AfD)

Bei wichtigen Kennzahlen des Wärmesektors tappt sie völlig im Dunkeln. Seit Jahren werden Anträge und Anfragen aller hier im Landtag vertretenen Fraktionen völlig unzureichend beantwortet. Der heute zur Debatte stehende Antrag Drucksa che 16/1828 zum Stand der Umsetzung des E-Wärme-Geset zes ist dafür symptomatisch. Die Landesregierung bringt es fertig, auf zehn Fragen neun Mal sinngemäß mit „Wir wissen es nicht so genau“ zu antworten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris tina Baum AfD: Das ist ja peinlich!)

Die vier Evaluierer drücken es so aus:

Die unterschiedlichen Datenquellen sind teilweise inkon sistent und lassen sich z. T. auch nicht unabhängig vali dieren.

Es ist peinlich und beschämend, welche Datenfitzelchen die Landesregierung den Instituten zur Verfügung gestellt hat. Welche Erkenntnisse verspricht man sich eigentlich von ei nem Gutachten, dessen Datenbasis derart löchrig ist? Es hat übrigens 500 000 € gekostet – aber das spielt ja offensichtlich keine Rolle. Wir haben es ja.

(Abg. Emil Sänze AfD: Das spielt ja keine Rolle! Man hat es ja! – Zuruf von der AfD: Das ist ja nur Geld des Steuerzahlers! – Weitere Zurufe von der AfD, u. a.: Hört, hört!)

Warum nimmt es das Umweltministerium achselzuckend hin, dass ein Großteil der Schornsteinfeger ihren gesetzlichen Ver pflichtungen nicht nachkommen und bei abnahmepflichtigen Heizungsumbauten keine Meldungen bei der Baurechtsbehör de machen? Bürger unterliegen seit der Novellierung – das haben wir ja schon gehabt – der Pflicht, 15 % erneuerbare Energie zu nutzen. Warum schafft es das Ministerium nicht, die bestehenden Nah- und Fernwärmenetze vollständig zu er fassen, deren Ausbau und Optimierung sie in dem Integrier ten Energie- und Klimaschutzkonzept doch eine Schlüsselrol le zugewiesen hat?

Wie sollen Gebietskörperschaften auf Grundlage kümmerli cher Daten des Energieatlasses Wärmepläne erstellen können? Dass das Datenmaterial völlig unzureichend ist und sich der Wärmebedarfsatlas nicht als Planungsgrundlage eignet, sagt nicht etwa die AfD, sondern unsere Landesregierung selbst.

Wieso hat das Umweltministerium noch nicht einmal Kennt nis davon, wie viele Kommunen in Baden-Württemberg über einen Wärmeplan verfügen? Fragt man nach Zahlen, bekommt man zur Antwort: Eine Erhebung würde zunächst eine Defi nition des Begriffs „Wärmeplan“ erfordern.

(Lachen bei der AfD)

Diesen Begriff, diese Begriffsdefinition gibt es natürlich auch nicht.

Warum kommt das Landeskonzept Abwärmenutzung in Un ternehmen erst jetzt, im Laufe des Jahres 2019, zur Anwen dung? In Anlehnung an ein Bonmot des scharfzüngigen Ana lytikers Mehmet Scholl

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wie heißt der Mann?)

muss ich sagen: Auch ich habe manchmal den Eindruck, dass sich das Umweltministerium an dieser Stelle wund liegt.

Hören Sie auf, die Einsparungen von 100 000 oder 150 000 t CO2-Äquivalenz, die der Evaluationsbericht dem famosen E-Wärme-Gesetz wohlwollend zugesteht, wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Das sind gerade einmal 0,2 % der jähr lichen Gesamtemissionen an CO2 in Baden-Württemberg in Höhe von rund 70 Millionen t – 0,2 %, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wir fordern Sie auf: Heben Sie endlich das enorme Einspar- und Effizienzsteigerungspotenzial, das der Wärmesektor bie tet. Erheben Sie endlich Daten, auf deren Grundlage es sich vernünftig planen lässt. Kurzum: Tun Sie endlich Ihre Arbeit – oder schaffen Sie dieses Gesetz ab.

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP spricht jetzt Herr Abg. Glück.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, wurde das erste EWärmeG von Schwarz-Gelb im Jahr 2009 beschlossen.

(Abg. Emil Sänze AfD: Jetzt wissen wir es!)

Wir hatten uns davon tatsächlich versprochen, in Baden-Würt temberg modernere Heizungsanlagen zu erreichen und die Modernisierungsrate in die Höhe zu treiben. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den darauffolgenden Jahren hat sich gezeigt, dass gerade bei den Heizungsaustauschraten ein Rückgang stattfand.

Jetzt kann man in der Politik, insbesondere in der Energiepo litik, die eine oder andere gute Idee haben. Aber wenn man feststellt, dass eine Idee vielleicht doch nicht so gut ist, darf man auch in der Politik dazulernen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wer einen Fehler begeht und diesen nicht berichtigt, begeht einen zweiten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Unruhe)

Es war eine völlig andere Situation, als im Jahr 2015 sehen den Auges eine grün-rote Landesregierung unter grüner Füh rung

(Zuruf von den Grünen – Gegenruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Hellwach bis zum Schluss!)

diesen Fehler fortgeführt und ihn – ja – sogar noch verschärft hat. Denn eines ist völlig klar – das zeigt sich jetzt auch im Evaluierungsbericht –: Die Heizungsaustauschraten sind deut lich zurückgegangen. Ich weiß, die Landesregierung wird nun gleich die Meinung vertreten, in diesem Evaluationsbericht könne man lesen, alles wäre gut, und das Gesetz habe seine Daseinsberechtigung. Es wird von CO2-Einsparungen in ei ner Größenordnung von 110 000 bis 170 000 t pro Jahr ge sprochen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, liest man die sen Evaluierungsbericht genau, dann stellt man fest, dass ne ben den groben Schätzungen mit einer erheblichen Schwan kungsbreite die Bilanz auch einen möglichen Sanierungsstau leider ausblendet.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau!)

Womöglich nämlich wäre ohne das Gesetz noch mehr einge spart worden.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Ja!)

Hierauf gibt es indirekt Hinweise. Frau Kollegin Niemann, ich möchte Ihnen das nun gern mit Seitenzahlen belegen. Auf Seite 69 des Berichts heißt es z. B. eindeutig, dass BadenWürttemberg im Bundesvergleich einen überdurchschnittlich hohen Anteil an alten Ölheizungen ohne Ölbrennwerttechnik hat. Insofern liegt doch zumindest die Vermutung nahe, dass wir mit diesem Gesetz genau das Gegenteil dessen erreichen, was wir eigentlich erreichen wollen.

(Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Woher kommt dann die CO2-Einsparung?)

Der Seite 102 – das ist ein anderer Beleg – können Sie ent nehmen, dass 80 % der Schornsteinfeger bestätigen, dass vie le Menschen wegen des hohen finanziellen Aufwands keinen Kesselaustausch vornehmen, sondern ihren alten Kessel repa

rieren lassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss doch eine Alarmstimmung bei uns auslösen!

Auf Seite 96 schreibt dieses Konsortium aus Wissenschaft lern, die den Evaluationsbericht angefertigt haben, selbst, dass es eigentlich notwendig gewesen wäre, noch eine dritte Kon trollgruppe zu untersuchen. Das steht da so drin – ich darf zi tieren –:

Eine dritte als Kontrollgruppe denkbare Gruppe von Haushalten, die nicht zu den EWärmeG-Verpflichteten ge hören, aber derzeit... einen Heizungsaustausch hinaus zögern und auch noch nicht planen, hätte nur durch eine zusätzliche Befragung ermittelt werden können. Im Hin blick auf die Schwierigkeiten bei der Ermittlung... wur de im Rahmen dieser Studie darauf verzichtet.

Wenn sogar derjenige, der die Studie anfertigt, diese Fehler in der eigenen Methodik aufzeigt, dann bedeutet das, dass dies mit einer ganz, ganz hohen Unsicherheit verbunden ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Jetzt haben wir einen Evaluierungsbericht, der eine halbe Mil lion Euro an Steuergeldern gekostet hat und mit dem nicht nachzuweisen ist, dass dieses Gesetz einen Wert hat, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da muss sich doch die Lan desregierung ein klein bisschen so fühlen, wie Goethe es be schrieben hat:

Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor...

und zudem auch noch eine halbe Million Euro ärmer.