Protocol of the Session on January 30, 2019

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Glück.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen haben den Bericht der Kohlekommission anscheinend wieder einmal zum Anlass ge nommen, reflexartig eine Standarddebatte zu beantragen, in der nachher Minister Untersteller mit hehren Worten zum Kli maschutz auftrumpfen soll. Dass man ein bisschen erahnen kann, dass das schon öfter stattgefunden hat, darin hat mir der Kollege Haser vorhin schon indirekt recht gegeben, indem wir nämlich schon sehr genau sagen können, was der Minister nachher in der Regel an Antworten bringen wird.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das wissen wir bei Ih nen aber auch schon!)

Die Kohlekommission kam also zu einem Kompromiss. Of fensichtlich sollen 40 Milliarden € an Strukturhilfen an die Länder fließen, die vom Kohleabbau in besonderer Art und Weise betroffen sind. Dies hat zunächst einmal mit BadenWürttemberg nicht sehr viel zu tun. Ich glaube, darüber soll ten wir froh sein und sollten es nicht instrumentalisieren, dass andere Länder aufgrund des Kohleabbaus in der Vergangen heit große Lasten zu tragen hatten.

Wenn ich der Kohlekommission in einem Punkt recht gebe, dann ist es die folgende Aussage – ich zitiere –:

Die Regionen und die dort lebenden Menschen erwarten völlig zu Recht die Solidarität von Gesellschaft und Po litik.

Das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber der Kohlekompromiss stellt uns aus unserer Perspekti ve vor einige Probleme. Betrachten wir doch einmal das welt weite Klima. Ein Klima ist immer weltweit; das Klima hört nicht an den Grenzen Deutschlands auf. Deutschland hat im Jahr 2016 gerade einmal 2,1 % des weltweiten CO2-Aussto ßes verursacht. Selbst wenn wir im Jahr 2016 alle CO2-Emis sionen eingespart hätten, wäre das dem Weltklima erst einmal herzlich egal gewesen.

(Abg. Anton Baron AfD: Wurscht egal! – Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜNE – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Die Weltretter!)

Ich sage jetzt ausdrücklich, dass wir nicht nichts tun sollen, sondern wenn wir etwas tun wollen, was unter dem Strich ei nen Wert hat, dann darf es nicht sein, dass wir hier nationale Alleingänge wählen. Vielmehr müssen wir Instrumente wäh len, bei denen wir möglichst viele andere Länder mit an Bord haben. Alles andere ist weiße Salbe.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was ist denn die „Under2 Coaliti on“?)

Natürlich ist Baden-Württemberg auch betroffen. Wir haben hier übrigens einen Primärenergiebedarf bei der Kohle von ungefähr 22 % und bei der Verstromung sogar von 37 %. Ja, wir haben auch 18 Steinkohlekraftwerke in Baden-Württem berg.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Es geht uns also doch was an!)

Es ist schon klar: Das ist ein Problem, dem wir uns auch stel len müssen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Aha!)

Aber die Frage ist doch: Wollen wir uns dem Problem so stel len, wie wir Liberalen das fordern, nämlich mit einer wirt schaftlichen Energiewende, einer technologieoffenen Ener giewende, wonach die jeweils beste Technologie zum Einsatz kommen kann,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wer spricht da dage gen?)

und einer europäischen Energiewende, die eben über die Gren zen Deutschlands hinausgeht?

(Abg. Raimund Haser CDU: Wie z. B. in Dänemark!)

Oder wollen wir hier Planwirtschaft, nationale Alleingänge und teure Vorhaben haben, so wie das der Kohlekompromiss aus unserer Sicht ist, meine sehr geehrten Damen und Her ren?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Des Weiteren ist unsere Bereitschaft, gegenüber anderen Tech nologien so kritisch zu sein, etwas, was wir uns eigentlich nicht leisten können. Ich bin auch der Überzeugung, dass wir unsere Positionierung beim Thema CCS noch einmal über denken sollten, ob wir dieser Technologie gleich im Anfangs stadium letztlich eine Abfuhr erteilen wollen.

Das andere große Problem, das ich bei diesem nationalen Al leingang sehe, ist der europäische Zertifikatehandel. Dieser ist kurz davor, seine Steuerungsfunktion zu entfalten. Genau an diesem Punkt, wo das ETS bald seine Steuerungswirkung entfalten würde, machen wir einen nationalen Alleingang, spa ren somit CO2-Emissionen ein, die aber über die Zertifikate an anderer Stelle in Europa herausgeblasen werden können. Das bringt in der Bilanz, das bringt für das Weltklima rein gar nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Raimund Haser CDU: Das kann man ändern!)

Des Weiteren stellen wir uns auch noch anderen Problemen, so z. B. bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Wie wollen wir denn vorgehen? 68 % der Kohlekraftwerke in Deutschland haben eine Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn wir jetzt einfach bloß sa

gen: „Wir schalten die Kohlekraftwerke ab“, wie wollen wir denn dann die Wärmeversorgung vor Ort machen?

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Sonne! Sonne- Wärme-Kopplung!)

Ich möchte nicht sagen, dass das nicht geht. Ich sage nur, dass es unglaublich aufwendig ist, an dieser Stelle neue Technolo gien reinzubringen.

Noch einmal zum europäischen Zertifikatehandel. Während wir noch vor einem Jahr beklagt haben, dass dieser europäi sche Zertifikatehandel – – Darüber, dass er gut ist, herrscht Einigkeit unter uns.

Es wurde immer beklagt – insbesondere vonseiten der Grü nen und meiner Meinung nach auch zu Recht –, dass der Preis für die Zertifikate zu niedrig war. Und ja, noch vor einem Jahr lag der Zertifikatspreis für 1 t CO2 bei 8 €. Betrachten wir doch aber einmal den Preis jetzt. Wir sind ein Jahr später bei einem Äquivalent von 24 € pro Tonne CO2. Das ist eine Verdreifa chung des Preises innerhalb eines Jahres.

Wenn man sich jetzt einmal die Studien anschaut, ab wann dieser Zertifikatehandel anfängt, an der Merit-Order, an der Reihung, welche Energieform als Nächstes reinkommt, zu re gulieren, stellt man fest: Bereits ab 25 € pro Tonne CO2 wer den alte Steinkohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt. Ab 36 € wird die Braunkohle herausfallen, und es wird in Richtung Steinkohle gehen. Ab 42 € ist die Braunkohle kom plett weg. Ab 43 € wird auch das modernste Steinkohlekraft werk wirtschaftlich nicht mehr funktionieren und gegen Gas kraft ausgetauscht.

Das heißt, wir stehen unmittelbar davor, dass dieser europäi sche Zertifikatehandel seine Steuerungsfunktion erreicht. Sie wählen aber jetzt an dieser Stelle wieder einen nationalen Al leingang und finden ihn gut. Das kann ich leider nicht nach vollziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Raimund Haser CDU: Die Alternative ist, dass man nichts macht!)

Nein, nicht nichts tun, sondern wir müssen diesen Zertifika tehandel – – Herr Kollege Haser, ich komme noch zu dem Punkt, was wir tun müssen.

Ich möchte noch aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ von vor vier Tagen zitieren:

Die Energiewende werde gelingen, wenn man sie markt wirtschaftlich organisiere, hatte der deutsche Wirtschafts minister Peter Altmaier kurz vor Beginn der Kommissi onssitzung gesagt. Das wäre die erwachsene Antwort auf die Klimaerwärmung. Doch die deutsche Praxis ist eine andere: verordneter Ausstieg aus der Kernkraft sowie ein staatlich vorgegebener Plan für den Zubau mit Erneuer baren, den die Konsumenten bisher mit etwa 200 Milliar den € bezuschusst haben. Und jetzt soll also auch noch der verordnete, Dutzende Milliarden Euro teure Ausstieg aus der Kohle dazukommen. Zwischen Anspruch und Re alität klafft eine immer größere Lücke.

Deswegen: Was wir tun sollten, ist, uns auf den Weg zu ma chen, Kollege Haser. Lassen Sie uns den europäischen Zerti

fikatehandel weiterhin stärken. Wir müssen für die Zukunft die festgeschriebenen, rückläufigen Mengen an CO2 weiter streng verhandeln. Außerdem muss dieser CO2-Zertifikate markt auf andere Sektoren angewendet werden, z. B. auf den ganzen Verkehrssektor. Das ist das Sinnvolle, was wir tun kön nen. Soll eine Energiewende gelingen, dann darf sie eben nicht nur weiße Salbe sein und aus nationalen Alleingängen beste hen, sondern sie muss marktwirtschaftlich, technologieoffen und eben europäisch sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles, was wir ein sparen, was wir an CO2 nicht emittieren, wird irgendwo an ders rausgeblasen. Lassen Sie uns die Kirchturmpolitik ver lassen, lassen Sie uns gemeinsam eine ernst zu nehmende Energiewende europäisch, marktwirtschaftlich, technologieof fen anfangen, damit wir unseren schönen Planeten den nach folgenden Generationen erhalten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos] – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

(Abg. Andreas Stoch SPD zu Minister Franz Unter steller: Ganz kurz und prägnant!)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen Abgeordnete! Es gibt energiepolitische Entscheidungen und Ergebnisse von Diskussionen, die durchaus den Begriff historisch verdienen. Das war beispielsweise die erste Ent scheidung in Sachen Atomausstieg im Jahr 2001.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das war die Entscheidung zum Atomausstieg wenige Mona te nach der Laufzeitverlängerung im Jahr 2010, als die Kanz lerin nach Fukushima entschieden hat, das Ruder umzuwer fen.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Dafür habe ich bis heute größten Respekt vor ihr. Es ist näm lich nicht ganz einfach, eine solche Entscheidung zu treffen.