Protocol of the Session on January 23, 2019

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Ich überlege. Das ist jetzt eine rhetorische Pause auf eine rhe torische Frage. Mir fällt kein Grund ein, und auch Ihnen wird kein Grund einfallen, der diese Ungleichbehandlung rechtfer tigen würde, Frau Ministerin, zumindest kein Grund, den Sie hier laut nennen können, nennen wollen oder besser: den Sie mit Rücksicht auf den Koalitionspartner nennen dürfen. Die Grenze von 41 Schülern ist ja auf der Homepage des KM schon veröffentlicht worden. Auch hat sonst niemand hier sub stanziell begründet, warum die Qualifikation von und die An forderungen an Grundschulleitungen bei einer Schulgröße von 41 Schülern eine Besoldung in Höhe von A 13 rechtfertigen, diese Besoldung aber bei einer Schulgröße von 40 Schülern in weite Ferne rücken lassen.

Jetzt bin ich ja auch finanzpolitischer Sprecher meiner Frak tion. Geld beflügelt manchmal die Fantasie.

(Abg. Raimund Haser CDU: Schwierig, wenn man dann über Bildung spricht!)

Kurze Beine, kurze Wege. Knappe Kassen, lange Wege? Dass die Kassen so knapp sein sollen, dass Sie diese wichtige An passung nicht vornehmen wollen, dafür fehlt mir nach diesem Nachtragshaushalt jegliches Verständnis und jegliche Fanta sie. Immerhin waren Ende des vergangenen Jahres locker mal 230 zusätzliche Stellen in der Umweltverwaltung drin. Die Kassen sind nicht knapp; vielmehr sind Ihre Prioritäten die falschen.

Wir sind die Letzten, die in Zeiten gigantischer Steuereinnah men dazu aufrufen, jedes Maß zu verlieren und mit dem Füll horn durch die Lande zu spazieren. Aber hier geht es nicht um neue Stellen, sondern um eine dringend gebotene Anpassung der Besoldung von Landesbeamten, die einen wichtigen Job erfüllen, die mit Herzblut bei der Sache sind und die für die Zukunft unseres Landes wichtige Weichenstellungen vorneh men.

Gewährt man der finanzpolitischen Fantasie weiteren Frei gang, stößt man unweigerlich auf den wahren Grund dieser

willkürlichen Größenklasse von 40 Schülern. Es geht um Schulschließungen – das haben wir heute schon des Öfteren gehört –, um nichts anderes als Schulschließungen. Da ist der Einspareffekt noch viel größer. Da geht es nicht mehr um die Differenz zwischen A 12 mit Zulage zu A 13 bei ein paar Schulleitungen, nein, da geht es um fünf, acht oder zehn Lehrerstellen pro Schule, die langfristig wegfallen, indem die Schule geschlossen wird und in der Nachbarschule größere Klassen gebildet werden können. Den Rest erledigt dann die Pensionierungswelle.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Diesen Trick mit der Mindestgröße hat ja die Vorgängerregie rung erfolgreich angewandt, um die Hauptschulen und die Werkrealschulen plattzumachen und an deren Stelle die Ge meinschaftsschule zu etablieren.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die Leitungen der Gemeinschaftsschulen erhielten dann eben falls einen satten Aufschlag; da war dann plötzlich A 14 und A 15 möglich. So viel zur Gleichbehandlung.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau!)

Damals haben viele Bürgermeister mitgespielt – nicht des halb, weil sie vom pädagogischen Konzept der Gemeinschafts schule überzeugt gewesen wären,

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Doch!)

sondern deshalb, weil sie ihren Schulstandort retten wollten. Manche sprachen sogar von Erpressung. Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU wissen das sehr genau.

Ich frage mich nur, was die Gegenleistung zum Schließen der Grundschule sein wird. Begeisterung werden Sie damit nicht auslösen. So viel ist sicher.

Ihr Kalkül sieht anders aus: Sie hoffen einfach darauf, dass sich die verbleibenden Bewerber auf die A-13-Stellen kon zentrieren und sich dadurch das Problem von allein löst.

Aber es ist ja noch nicht zu spät. Kehren Sie um, und überlas sen Sie es den Schulen und den Beteiligten vor Ort, zu ent scheiden, ob es noch Sinn macht, mit 40 oder weniger Schü lern weiterzumachen. Das hat doch auch etwas mit den örtli chen Gegebenheiten zu tun. Da spielt es doch auch eine Rol le, ob Alternativen in der näheren Umgebung bereitstehen und wie die Schullandschaft dort aussieht. Da ist es auch eine Fra ge des ÖPNV – vor allem im ländlichen Raum –, ob ein Schul standort einfach wegfallen kann. Es wäre ehrlicher, eine Schu le einfach zu schließen, als sie über die Besoldung allmählich auszutrocknen.

Es gibt aber noch einen besseren Weg, einen ebenso ehrlichen Weg: Entlassen Sie die Schulen in die Freiheit, und geben Sie kleinen Grundschulen eine Chance, egal, was die Fraktion GRÜNE dazu sagt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Sascha Bin der SPD)

Nun darf ich Frau Minis terin Dr. Eisenmann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich herzlich dafür bedanken – gerade auch stellvertretend, Herr Walter, Herr Haser –, dass wir uns gemeinsam darauf verständigt haben, dass wir für die Schulleitungen hier im Land Baden-Württemberg etwas tun müssen, was über ein reines Senden eines Signals hinausgeht, sondern aus dem auch deutlich wird, dass sich die Arbeit, die dort geleistet wird, die sich natürlich in den letzten zehn, 15, 20 Jahren massiv verändert hat, auch in dem widerspiegelt, was wir als Grundlagen künftig in diese Positionen geben. Das ist Teil unseres Koalitionsvertrags, und diesen setzen wir um.

Herr Fulst-Blei, es stimmt, dass das eine gewisse Zeit ge braucht hat. Das ist richtig. Aber ich glaube, gerade bei einem solchen Thema, bei dem es um alle Schularten geht, geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Wir – das Kultusministerium und ich selbst – haben in vielen Gesprächsrunden mit Betroffenen der unterschiedlichen Schul arten darüber diskutiert und gesprochen: Was ist der richtige Ansatz? Was brauchen sie? Was hilft ihnen, ihre wichtige und sehr gute Arbeit – für die ich mich auch ausdrücklich bedan ken möchte – künftig noch besser gestalten zu können?

Dieses Konzept liegt nun vor, und im Grundsatz umfasst es vielerlei Maßnahmen, etwa den Ausbau der Assistenzsysteme für die Schulleitungen in unterschiedlichen Bereichen, die Einführung einer Zulage für kommissarische Schulleitungen, den Ausbau sowie die Weiterentwicklung der Fortbildungs- und Beratungsangebote und – auch dies ist ein klares Ziel und definiert –, sobald es die Lehrerversorgung wieder zulässt, auch die Erhöhung der Leitungszeit sowie – auch dieses ist uns wichtig, und das kommuniziere ich auch in aller Offen heit – das Rückgängigmachen der Kürzung des allgemeinen Entlastungskontingents aus der letzten Legislaturperiode, weil es ein Fehler war und weil es in die völlig falsche Richtung zeigt.

(Beifall bei der CDU)

Es geht natürlich um das Thema „Anhebung der Besoldung der Rektorinnen und Rektoren an den Grundschulen und den Haupt- und Werkrealschulen“. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiges Signal ist.

Herr Fulst-Blei, Sie haben das Thema Schulkindergärten an gesprochen. Es stimmt, das ist nicht Teil dieses Konzepts. Aber Verbesserungen auch im finanziellen Bereich für die Lei tungen bei Schulkindergärten sind Teil unseres Konzepts. Ver besserungen im Bereich Fachlehrer und Fachlehrerinnen: Auch dieses Konzept wird demnächst vorgelegt, und in diesem Zu sammenhang signalisieren wir auch, wie wichtig uns die Be deutung der Schulkindergärten ist. Ihre Anmerkung ist des halb berechtigt. Das wird kommen, aber nicht im Rahmen die ses Konzepts. Aber auch das haben wir im Blick.

Es ist so, dass wir künftig – so der Vorschlag – grundsätzlich bei den Haupt- und Werkrealschulen – auch das sollte man er wähnen – Angleichungen machen im Rahmen von A 14, orien tiert an Funktionsstellen bei Realschulen und Gemeinschafts

schulen. Es ist ein klares Signal, dass wir nicht nur davon re den, Haupt- und Werkrealschulen zu stärken, sondern dies halt auch tun. Auch dies sind übrigens wichtige Signale in den ländlichen Bereich.

Was das Thema „Kleine Grundschulen“ angeht, stehe ich nicht in Gefahr, mich hier nicht deutlich genug geäußert zu haben. Als der Landesrechnungshof vor knapp einem Jahr sein Gut achten vorgelegt hat und empfohlen hat, dass kleine Grund schulen im Sinne der Ressourcenverantwortung im Rahmen der regionalen Schulentwicklung mit bewertet werden soll ten, habe ich das klar und deutlich zurückgewiesen: Mit mir als Kultusministerin wird es kein Schließkonzept für kleine Grundschulen geben.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Denn es ist eben – da kann ich mich der Argumentation ver schiedener meiner Vorredner nur anschließen – ein wichtiges Signal. Gerade im ländlichen Bereich hat sich der Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ bewährt. Denn die Bedeutung ei ner Schule geht über das reine Bildungswissen und Vermit teln hinaus. Sie hat Bedeutung für den Standort, für die Ge meinden, für die Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie ist Anlaufpunkt, sie ist eine soziale Einrichtung, die man nicht hoch genug bewerten kann. Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns klar dazu bekennen und nicht durch die Hinter tür, was Zahlen angeht, Schließungen vornehmen wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist auch nicht Teil des Konzepts, und das will auch nie mand, zumindest niemand in unserer Koalition. Vielmehr geht es darum, widerzuspiegeln, wo Handlungsbedarfe sind.

Das Kultusministerium hat im Rahmen seines umfangreichen Konzepts vorgeschlagen, was die Besoldungsgrenze angeht, die Absenkung von 80 Schülern – so ist die bisherige Zahl – auf 40 Schüler vorzunehmen. Das ist ein Diskussionsvor schlag. Ich finde es gut, dass wir darum ringen, was der rich tige Weg ist. Die Rektorinnen und Rektoren haben übrigens auch verdient, dass man sich damit befasst.

(Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Der Vorschlag „Unter 40 und über 40“ aus dem Kultusminis terium, über den wir sehr lange diskutiert haben, basiert dar auf, dass wir eben gerade nicht – da hat Raimund Haser völ lig recht – pädagogisch zweifeln. Kleine Grundschulen sind zwar tatsächlich in der Relation sehr teuer, aber sie sind in der Qualität und in dem, was bei Leistungsvergleichen heraus kommt, in der Regel relativ gut, weil die Schüler-Lehrer-Re lation eine andere ist. Deshalb kann ich die Aussage, das sei in Bezug auf den pädagogischen Erfolg immer grenzwertig, überhaupt nicht nachvollziehen. Dafür gibt es übrigens auch bei uns überhaupt keinen Beleg. Aber natürlich ist es unter Ressourcengesichtspunkten definitiv eine Herausforderung.

(Abg. Raimund Haser CDU: Sehr gut!)

Bei vielen Schulen mit weniger als 40 Schülerinnen und Schü lern müssen wir aufgrund der Unterrichts- und der Lehrerver

sorgung jahrgangsübergreifend unterrichten. Das ist nicht Teil des Konzepts, aber es begegnet einem dort sehr häufig. Da sa gen wir, unter pädagogischen Gesichtspunkten erklärt sich da durch aus unserer Sicht eine Zahl über 40 deutlich. So kommt unser Vorschlag zustande.

Dass wir das diskutieren, halte ich insgesamt für richtig. Das gilt auch für die Frage: Kann man mehr machen, und in wel che Richtung kann es tatsächlich gehen?

Ich glaube, es ist ganz entscheidend, deutlich zu machen, dass wir uns die Schulen sehr genau anschauen und auch im Rah men unseres Qualitätskonzepts, im Rahmen von Beratung und Begleitung künftig auch die kleinen Schulen noch besser wer den unterstützen können. Deshalb auch an dieser Stelle er kennbar ein klares Bekenntnis zu diesen Schulen.

Aber natürlich muss man sagen – auch in öffentlichen Dis kussionen weise ich darauf hin –: Wir haben 4 500 öffentli che Schulen in Baden-Württemberg, davon sind etwa 2 500 Grundschulen, weil wir uns für sogenannte Zwerggrundschu len entschieden haben. Von diesen haben ca. 100 weniger als 40 Schülerinnen und Schüler und ca. 800 weniger als 100 Schülerinnen und Schüler.

Dass wir aufgrund von zu wenig Lehrerinnen und Lehrern momentan in der Unterrichtsversorgung auf Kante genäht sind, ist natürlich eine Herausforderung. Im Grundschulbe reich ist das auch aufgrund der Vielfalt der Standorte eine He rausforderung. Ich glaube aber, diese müssen wir positiv an nehmen. Da greift auch unser Maßnahmenkatalog. Deshalb wird diese Entscheidung auch nicht ausschließlich unter Res sourcengesichtspunkten getroffen. Das wäre falsch.

Vielmehr müssen wir auch mit den Kommunen – mit denen bin ich im Gespräch – gemeinsam sehen – das haben wir er hoben –: In Baden-Württemberg gibt es 450 Städte und Ge meinden mit mehr als zwei Standorten mit weniger als 100 Schülerinnen und Schülern im Grundschulbereich. Wir müs sen also mit den Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Ge meinderäten in der Frage: „Mit welchem Konzept können wir Schulen – auch mit Außenstellen – zusammenführen?“ ins Ge spräch kommen. Es muss von den Kommunen getragen sein. Schule ist etwas, was vor Ort gelebt wird, in der Kommune, in der Gemeinde, in der Groß- und in der Kleinstadt, mit ho her emotionaler Bedeutung – Gott sei Dank. Das werden wir tragen und auch abbilden.

Wir werden diesen Vorschlag diskutieren. Es gibt für alles gu te Argumente. Aber klar ist – das ist mir wichtig –: Das Schul leiterkonzept macht Wertschätzung und Anerkennung deut lich. Damit beginnen wir endlich, abzubilden, wie Schullei terinnen und Schulleiter in der heutigen Zeit arbeiten müssen. Wir stellen uns modern auf. Das haben die Rektorinnen und Rektoren auch verdient.