Protocol of the Session on November 21, 2018

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 75. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Dr. Fiecht ner, Herr Abg. Halder, Herr Abg. Hahn, Herr Abg. Maier, Herr Abg. Pix sowie Herr Abg. Dr. Weirauch.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt hat sich ganztägig Frau Staatsrätin Erler. Außerdem ist Herr Staatssekretär Dr. Bau mann ganztägig entschuldigt.

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der CDU für Umbesetzungen bei den Schriftführern (Anlage). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Das ist der Fall. Vielen Dank.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Oktober 2018, Az.:

1 VB 64/17 – Besorgnis der Befangenheit einer Richterin am Verfas sungsgerichtshof wegen der Ausübung eines Amtes in der Verwal tung

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung des Ministeriums für Finanzen vom 16. November 2018

Bericht der Gemeinsamen Finanzkommission – Drucksache 16/5115

Überweisung an den Ausschuss für Finanzen

3. Mitteilung des Ministeriums für Finanzen vom 20. November 2018

Mittelfristige Finanzplanung des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2018 bis 2022 – Drucksache 16/5213

Überweisung an den Ausschuss für Finanzen

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute ei nen neuen Kollegen in unseren Reihen begrüßen dürfen. Die Landeswahlleiterin hat mit Schreiben vom 6. November 2018 mitgeteilt, dass Sie, lieber Herr Daniel Karrais, mit Wirkung vom 13. November 2018 die rechtliche Stellung eines Abge ordneten des 16. Landtags von Baden-Württemberg erworben und somit die Nachfolge von Herrn Dr. Gerhard Aden ange

treten haben. Im Namen des ganzen Hauses heiße ich Sie hier im Landtag sehr herzlich willkommen und wünsche Ihnen al les Gute und viel Erfolg bei der Ausübung Ihres Mandats.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Umgang mit dem Wolf – Europa be wegt sich. Das Land bewegt sich mit. – beantragt von der Fraktion der CDU

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Gabi Rolland SPD: Der Minister sieht hierher!)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

In der Aussprache erteile ich das Wort nun für die CDU-Frak tion Herrn Abg. Haser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das wird wahr scheinlich nichts mehr mit dem Homo sapiens und dem Ca nis lupus. Da kann Kevin Costner noch so oft mit dem Wolf tanzen, unser Verhältnis zum Wolf wird immer schwierig blei ben – nicht zuletzt deshalb, weil u. a. in Bad Wildbad ein Wolf wieder gezeigt hat, wozu er fähig ist: ein Blutbad mit ange fressenen Leibern, abgerissenen Köpfen, jämmerlich veren denden Schafen.

(Zuruf von der AfD: Jesses!)

Der Wolf hat es schwer mit uns, wohingegen unser Verhält nis zu seiner domestizierten Variante, dem Canis familiaris, dem Hund, geradezu abenteuerlich vermenschlicht ist. Aus dem größten Feind des Menschen ist vor 30 000 Jahren in Me sopotamien durch Züchtung der erste Freund des Menschen, der Hund, hervorgegangen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Erst 20 000 Jahre später folgte dann mit der Zähmung der Be zoarziege und des Wildschafs sowie mit der Züchtung von Gerste, Linsen, Emmer und Einkorn endgültig der Sprung

vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer und Viehzüchter. Spätestens seit dieser Zeit ist der Wolf beim Menschen auf der roten Liste, zumindest bei jenen, die das Land bewirtschaften.

Wer sich mit der Geschichte der Kulturlandschaft beschäftigt, weiß, dass der Mensch vom Land zwischen Euphrat und Ti gris auf seinem Weg ins heutige Mitteleuropa all das im Ge päck hatte, was heute sowohl Weidetierhalter als auch Natur schützer durch die Rückkehr des Wolfes bedroht sehen: die Kulturlandschaft mit Wiesen, Kräutern, einer Vielfalt an bun ten Blumen und dazugehörigen Insekten und Vögeln.

Die Weidetierhalter sehen sich heute zum Teil außerstande, ihre Herden vor dem Wolf zu schützen. Es gibt Standorte, an denen ein Schutz durch Zäune schlicht nicht möglich ist.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Da helfen auch Zuschüsse in Höhe von 100 % der Anschaf fungskosten nichts, da würde nur eine Erstattung von 100 % der Arbeitskosten helfen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Aber diese Zusage lässt weiter auf sich warten.

Die Naturschützer wiederum haben angesichts steigender Wolfspopulationen Angst, dass durch einen drohenden Rück zug der Weidetierhalter die Offenhaltung der Landschaft und damit auch die Artenvielfalt bedroht sind.

Deshalb ist es uns, der CDU, heute wichtig, festzuhalten, dass der Wolf ein Tier ist wie jedes andere auch. Wir fragen uns, warum er dann nicht so behandelt wird, warum ein Abschuss „Entnahme“ heißt und warum ein illegaler Abschuss als Mord tituliert wird.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

2007 gab es in Deutschland etwa 100 nachgewiesene Über griffe. Diese Zahl hat sich bis 2016 verzehnfacht auf über 1 000. Das Bundesumweltministerium geht für 2017 von 60 Rudeln und 15 Paaren aus. Der Deutsche Bauernverband zählt Jährlinge und Welpen mit dazu, geht von einer Zuwachsrate von 30 % pro Jahr aus und schätzt den heutigen Bestand auf 1 100 Tiere, Tendenz rasant steigend. Aktuelle Schätzungen auf EU-Ebene, wo man nicht nach nationalen Wolfspopulati onen schaut, sondern nach der Gesamtpopulation, gehen von fast 20 000 Tieren innerhalb der Europäischen Union aus.

Um es in Bildern zu sagen, die wir aus der Natur kennen: Der Wolf vermehrt sich wie die Karnickel, benimmt sich wie die Axt im Walde, und der Mensch steht davor wie das Kanin chen vor der Schlange.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Zuruf von der FDP/DVP: Hört, hört!)

So können wir nicht ewig weitermachen, meine Kolleginnen und Kollegen. Nicht nur die Nutztierhalter verlangen Antwor ten, sondern auch der ganz normale Bürger – Antworten, die weit über das hinausgehen, was FDP/DVP und SPD im aktu ellen Gesetzgebungsverfahren fordern, und auch über das, was die EU auf die Anfrage des Umweltministers bislang geant wortet hat.

Selbstverständlich ist zunächst einmal die Europäische Kom mission am Zug. Die Grundlage der FFH-Richtlinie, erarbei tet zu Zeiten des Vertrags von Maastricht, bildet die Berner Konvention von 1979. 1979 stand die Mauer noch. Rechts da von wurden Wölfe, ohne dass die EU gefragt wurde, einfach erlegt, und links der Mauer gab es keine Wölfe, weil die Mauer nicht nur die Migration von Menschen, sondern auch die Wan derung von Wölfen unterband.

Heute steht die Mauer nicht mehr. Sachsen und Brandenburg wünschen sich bei der Frage des Umgangs mit dem Wolf die DDR zurück.

(Zuruf von den Grünen)

300 Wölfe streifen durch Brandenburg. Wissen Sie, was das Umweltministerium da macht, außer sich um den Wolf zu kümmern? Die Berichte aus diesen Ländern sind erschütternd. Und wir? Wir setzen auf Bürgerbeteiligung, auf Verständnis, auf eine forsa-Umfrage, die besagt, dass 78 % der Menschen die Rückkehr des Wolfes begrüßen, auch wenn er Probleme macht.

Ich möchte keinem dieser Antwortenden zu nahe treten, aber es würde mich schon interessieren, ob die Antwort nach ei nem Besuch auf der Schafsweide in Bad Wildbad mit mehr als 40 getöteten Tieren anders ausfallen würde.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Was tun? Nach Meinung der CDU-Fraktion, gemäß einem Be schluss unserer Landespartei und gemäß meiner tiefen Über zeugung war es ein Fehler, die FFH-Richtlinie vor drei Jah ren nicht zu reformieren. Noch nie hat ein Tier den strengen Schutzstatus verlassen. Überall sieht man, wie sich die Natur verändert, wie sich Populationen erholen – nur die FFH-Richt linie ändert sich nicht.

Aber eine solche Veränderung muss von unten kommen. Die Länder und der Bund müssen – so, wie in einer aktuellen Bun desratsinitiative geschehen – gemeinsam mit anderen Län dern, die schon weiter sind, Druck machen. Und die Natur schutzlobbyisten müssen einsehen, dass Sturheit in diesem Fall katastrophale Folgen haben kann.