Protocol of the Session on October 24, 2018

Der Kollege Teufel und andere haben es erwähnt: Es ist su per, dass Baden-Württemberg etwa mit dem Projekt „docdi rekt“ vorangeht, dass wir jetzt die Pilotprojekte in Tuttlingen und in Stuttgart abgeschlossen haben und dass das seit eini gen Tagen, seit wenigen Wochen im ganzen Land ausgerollt wird.

Was heißt „docdirekt“? Was bedeutet das? Das heißt z. B., dass man, wenn sich ein Kind in der Küche verletzt und eine Schnittverletzung auf der Stirn hat, einfach bei einer bestimm ten Telefonnummer anrufen und ein Bild an diese Stelle schi cken kann.

(Abg. Anton Baron AfD: Und der Computer näht! – Abg. Rainer Hinderer SPD: Schlechtes Beispiel! – Abg. Reinhold Gall SPD: Ganz schlechtes Beispiel!)

Dort sitzt ein kompetenter Kinder- und Jugendarzt. Der sagt mir vielleicht: „Diese Verletzung ist nicht so schwer, nimm ein Klammerpflaster und klebe von links oben nach rechts un ten.“ Oder der Facharzt sagt mir am Telefon: „Das ist eine ernste Verletzung, aber Gott sei Dank ist ja gleich bei dir um die Ecke ein niedergelassener Chirurg, der das mit wenigen Stichen nähen kann.“

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Sind bei „docdirekt“ al le per du?)

Oder aber „docdirekt“ sagt dir: „Das ist eine sehr gefährliche Verletzung, bring dein Kind sofort ins Krankenhaus.“

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Rettungsdienst!)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist heute Rea lität. Gott sei Dank machen wir das in Baden-Württemberg, und Gott sei Dank ist Baden-Württemberg das erste Bundes land, in dem es so etwas gibt. Baden-Württemberg schreitet in diesem Bereich Gott sei Dank voran.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Herr Minister, es liegen Zwi schenfragen des Herrn Abg. Dr. Kern und des Herrn Abg. Glück vor. Lassen Sie diese zu?

Selbstverständlich, gern.

Herr Minister, für all diese Chancen, die Sie beschrieben haben, ist entscheidend, dass wir ein schnelles Internet haben.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Vor allem auf dem Land!)

Wie beurteilen Sie die Situation in Bezug auf die Infrastruk tur in Baden-Württemberg? Wie beurteilen Sie die Situation, was die Handyerreichbarkeit, was die Abdeckung mit Mobil funk in Baden-Württemberg angeht? Sind Sie zufrieden mit der aktuellen Situation? Oder würden Sie sagen: „Nein, es geht zu langsam, und ich habe folgenden Plan, damit wir die entsprechende Infrastruktur auch tatsächlich bekommen“?

(Zuruf: Sehr gute Frage!)

Herr Abg. Dr. Kern, dass wir ein flächendecken des Glasfasernetz in Baden-Württemberg als Basis für alle Aktivitäten brauchen, das habe ich in meinem Leben vermut lich tausendmal gesagt. Deshalb arbeiten wir jeden Tag hart daran.

Sie haben völlig recht: Das schnelle Internet in der Fläche ist sozusagen die Grundvoraussetzung für alle Digitalisierungs aktivitäten. Das ist nicht alles, was Digitalisierung bedeutet, aber ohne das schnelle Netz ist alles nichts.

(Vereinzelt Beifall)

Da hat auch der Kollege Hinderer Kritik geübt. Dazu kann ich nur sagen: Da sind wir inzwischen ganz gut unterwegs.

(Abg. Anton Baron AfD: Was? Europäisches Schluss licht!)

Es ist ja richtigerweise ausgeführt worden, dass wir für die Digitalisierungsaktivitäten der Landesregierung 1 Milliarde € zur Verfügung gestellt haben. Ungefähr die Hälfte davon fließt in die digitale Infrastruktur. Allein im Jahr 2017 555 Maß nahmen bei einer Rekordinvestitionssumme von 143 Millio nen €, das ist mehr, Herr Kollege Hinderer, als Sie in fünf Jah ren zustande gebracht haben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Herr Minister, jetzt kommt die Zwischenfrage des Herrn Abg. Glück, die Sie ja freundlicher weise zugelassen haben.

Herr Minister, vielen herz lichen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben gerade gesagt, wenn das Kind schwer verletzt ist, könne man sagen: „Fahr ins Krankenhaus.“

Geben Sie mir recht, wenn ich – insbesondere als Präsident des DRK-Kreisverbands Reutlingen und auch als Arzt – bei einem Kind, das schwer verletzt ist, nicht sage: „Fahr es ins Krankenhaus“, sondern: „Ruf den Rettungsdienst“?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist dann noch einmal eine Steigerung der Verletzung. Dann sagt „docdirekt“: „Rufen Sie den Rettungs dienst.“

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Sehr gut!)

Danke für diesen Hinweis, Herr Kollege.

Wir waren gerade bei der digitalen Infrastruktur, die selbst verständlich eine wichtige Voraussetzung ist und an der wir jeden Tag, Herr Kollege Dr. Kern, mit maximaler Geschwin digkeit arbeiten. Weil gewaltige Datenmengen zu bewältigen sind, spielt Big Data im Gesundheitsbereich natürlich eine große Rolle.

Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen: Allein zur Volks krankheit Diabetes gibt es 40 000 Fachaufsätze. Ein Arzt schafft es in seinem ganzen Leben nicht, all diese Aufsätze zu lesen, geschweige denn die gewaltigen Datenmengen im ent scheidenden Moment zu koordinieren und die richtigen Schlüsse für die Patienten daraus zu ziehen. Das gesammelte Wissen indes ist unschätzbar, um dem Patienten die bestmög liche individuelle, personalisierte Therapie zu bieten. Ein klug programmierter Algorithmus kann die 40 000 Fachaufsätze heute innerhalb von Sekunden analysieren. Das ist ein Quan tensprung in der Medizin.

Genau auf diesen Fortschritt bauen wir in Baden-Württem berg und wollen die Chancen der personalisierten Medizin et wa auch bei der Krebstherapie nutzen. Darum werden wir an den Unikliniken ein Portal zur personalisierten Medizin auf

bauen. In einer zentralen Datenbank werden die Behandlungs daten von an Krebs erkrankten Patienten gespeichert – natür lich nur mit deren Einverständnis. Damit können die Ärzte in Baden-Württemberg ihren Patienten bald schon die Therapie anbieten, die sie tatsächlich brauchen – zu 100 % auf den ein zelnen Patienten abgestimmt, individualisiert, vor allem sehr früh ansetzend. Damit haben wir riesige Chancen. Wir haben eine Chance, den Krebs zu besiegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Ich bin froh, dass Baden-Württemberg hier vorn dabei ist.

Herr Minister, es gibt weitere Wortmeldungen für Zwischenfragen, und zwar von Herrn Abg. Rottmann, Herrn Abg. Dr. Fiechtner und Herrn Abg. Dr. Balzer. Lassen Sie diese Zwischenfragen zu oder nicht?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Dann werden wir ja nie fertig!)

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil wir noch weitere Debatten haben, würde ich jetzt fortfahren.

(Abg. Anton Baron AfD: Oh! Schwach! – Abg. An dreas Stoch SPD: Danke! Der erste kluge Satz!)

Das Schlagwort ist „Künstliche Intelligenz“. KI ist eine der Schlüsseltechnologien in der Digitalisierung. Deswegen ha ben wir uns entschieden, dass wir bei diesem Thema sehr ent schlossen vorangehen wollen.

Mit dem aktuellen Nachtragshaushalt, den wir gestern im Mi nisterrat beschlossen haben, wollen wir über 100 Millionen € für diese Zukunftstechnologie bereitstellen. Das ist Zukunft. Das ist entscheidend für das Technologieland Baden-Würt temberg. Cleverle waren die Menschen in diesem Land im mer schon, jetzt werden auch die Maschinen in unserem Land clever.

Wir wollen diese Technik im Bereich der Gesundheit ganz konkret dazu nutzen, dass die Menschen in Baden-Württem berg gesund bleiben und diejenigen, die nicht gesund sind, ge sund werden, sodass Baden-Württemberg auch in Zukunft das Land ist, in dem die gesündesten Menschen leben.

Die Möglichkeiten sind gigantisch. Wir sind in Baden-Würt temberg gut aufgestellt. Ich erinnere mich an einen Besuch des KIT in Karlsruhe vor einigen Jahren und sage nur: 3-DDruck. Es gibt heute schon die Möglichkeit, aus eigenen Ge webezellen Organe herzustellen. Die erste Leber hat noch eher wie eine Presswurst in Würfeln ausgesehen. Aber Frau Dr. Schepers etwa – ich darf den Namen sagen – ist heute in der Lage, genau die Niere im 3-D-Drucker herzustellen, die im Grunde genommen Herrn Abg. Stefan Teufel gehört. Das ist heute schon eine gigantische Chance, um individuelle Arznei mittel zu dosieren. Das ist heute schon eine gigantische Chan ce, um neue Arzneimittel auszutesten und dadurch beispiels weise Tierversuche zu vermeiden.

Aber die ganz große Chance, verehrte Kolleginnen und Kol legen, ist, dass eine solche Niere in wenigen Jahren, in sehr wenigen Jahren transplantationsfähig sein wird. Schauen Sie einmal auf diesen gigantischen Fortschritt, den wir in kurzer

Zeit erzielen: In einem 3-D-Drucker kann eine transplantati onsfähige Niere aus eigenem Gewebe mit einem Abstoßungs risiko von 0 % hergestellt werden. Was das in Deutschland für Hunderttausende von Dialysepatienten bedeutet, was dies aber auch für „Spender“ in Afrika oder in anderen Regionen die ser Welt bedeutet, die für ein paar Dollar eine ihrer Nieren ver kaufen und anschließend wie ein Suppenhuhn wieder zusam mengenäht werden, kann sich sicherlich jeder vorstellen. All dies wird in wenigen Jahren, in sehr wenigen Jahren der Ver gangenheit angehören – nicht zuletzt aufgrund der Forschung, die bei uns Frau Professorin Schepers in Karlsruhe betreibt. Ich finde, das müssen wir als Landesregierung, als Politiker positiv begleiten.

Bei einer anderen KIT-Ausgründung wird daran gearbeitet, aus einem anorganischen Polymer Ersatzknochen herzustel len, die etwa bei Knochenbrüchen oder Gelenkschäden ein gesetzt werden können.

Ich denke aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch an Tuttlingen, wo eine große Firma eine Technik bereitstellt, die über Robotik ferngesteuerte Operationen ermöglicht – bis lang nur minimalinvasiv, aber mit gigantischen Fortschritten. Das heißt, dass wir sehr schnell in der Lage sein werden, zu ermöglichen, dass der Spezialist aus der Kopfklinik in Hei delberg eine komplizierte Operation in Südafrika durchführt und dass umgekehrt Spezialisten in einem bestimmten Fach, die irgendwo auf der Welt sitzen, ohne irgendwohin reisen zu müssen, hier in Stuttgart oder in Heilbronn oder wo auch im mer eine entsprechende Operation durchführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind giganti sche Chancen, die unser Gesundheitswesen revolutionieren werden. Die Digitalisierung verändert die Welt, auch in die sem Bereich, und ich glaube, die Chancen sind groß, dass die Welt dadurch ein bisschen besser wird.

Baden-Württemberg als Technologiestandort und als traditi onell starker Gesundheitsstandort soll und wird diese Entwick lungen maßgeblich mitgestalten. Wir wollen vorn mit dabei sein, und wir, die Landesregierung, werden alles dafür tun, um genau diese Chancen zu ermöglichen. Deshalb investiert die Landesregierung unter dem Dach der landesweiten Digi talisierungsstrategie „digital@bw“ bis Ende 2019 immerhin rund 26 Millionen € in digitale Gesundheitsanwendungen – also in Technologie, die dem Menschen dient, in Technologie, die in unserem Technologieland Baden-Württemberg Fort schritt und Zukunft ermöglicht, in Technologie, die Leben ret tet, in Technologie, die die Menschen gesund macht.

Wir wollen, dass bei diesen weitreichenden Möglichkeiten Baden-Württemberg vorangeht. Dazu braucht es mutige For scherinnen und Forscher, innovative Unternehmerinnen und Unternehmer, und es braucht Visionäre, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Wir haben keine Angst. Wir haben Mut, und wir sind in Baden-Württemberg bärenstark – in Tuttlingen, in Tübingen, in Stuttgart, in Karlsruhe, in Freiburg, überall im Land.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das wäre uns jetzt alles nicht eingefallen!)