Die große Mehrheit der Menschen hierzulande wünscht sich eine digitale Verwaltung und würde Onlineverwaltungsange bote nur allzu gern nutzen. Aber es ist doch klar: Dazu brauch te es auch ein attraktives Angebot.
Eine Deloitte-Studie stellte kürzlich heraus, dass Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung bis zu einem Vier tel ihrer Arbeitszeit mit sich wiederholenden Routinetätigkei ten verbringen. Es muss unser Ziel sein, dass solche Routi neaufgaben künftig von Algorithmen oder künstlicher Intelli genz erledigt werden. Das würde die personellen Ressourcen freisetzen, die wir in anderen wichtigen Bereichen des Staa tes mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Verwaltung dringend brauchen. Und es würde die Menschen von mono toner Arbeit entlasten und somit einen wichtigen Beitrag zur Humanisierung von Arbeit leisten.
Durch Chatbots oder Dokumentenklassifizierung können bei spielsweise die Leistungen für Bürgerinnen und Bürger effi zienter und kostengünstiger gestaltet werden. Geben wir den Menschen also die Lebenszeit zurück, die sie heute noch in den Amtsstuben vergeuden müssen!
59 % der Bürger wollen nicht, dass ihre persönlichen Daten unter Behörden ausgetauscht werden. Damit ist das OnceOnly-Prinzip gemeint. Dadurch müssten Bürger ihre Daten nur einmal an eine staatliche Stelle geben. Das schaffen wir aber nur, wenn auch ein entsprechendes Vertrauen in die Be hörden gegeben ist. Die bestehenden öffentlichen Register müssen also so organisiert werden, dass der Bürger jederzeit Souverän seiner Daten ist und die Behörden gleichzeitig effi zient zusammenarbeiten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt aber auf der Hand, dass wir solch ambitionierte Ziele nur mit den besten Köpfen aus der IT-Branche erreichen werden. Daher sollten wir in be stimmten Bereichen neu darüber nachdenken, wie wir die bes ten Köpfe beispielsweise mit IT-branchenüblichen Gehältern gewinnen können.
Ich komme zum Fazit: Baden-Württemberg wird derzeit weit unter Wert regiert, und das gilt in allererster Linie für den Be reich Digitalisierung.
Wegen der wenig ambitionierten grün-schwarzen Koalition verschlafen wir wichtige Zeit im internationalen Vergleich. Das kann sich Baden-Württemberg als Industriestandort von Weltruf nicht länger leisten. Oder anders gesagt: Unser Indus triestandort von Weltruf kann sich die Provinzialität dieser grün-schwarzen Landesregierung beim Thema Digitalisierung nicht mehr leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Baden-Württemberg braucht beim E-Government und bei der Digitalisierung viel mehr Tempo und mehr Kreativität. Vor al lem aber braucht es in einer Regierung Verantwortliche, die sich dieser Aufgabe voll und ganz verschreiben. So, wie Sie
Herr Minister, Sie haben ja freundlicherweise darauf hinge wiesen, dass die FDP/DVP für ein eigenständiges Digitalisie rungsministerium ist. Sie haben gesagt, das wäre nicht sinn voll, und Sie haben darauf hingewiesen, im Grunde solle oder müsse sich jedes Ministerium selbst um die Digitalisierung kümmern. Nun, dass sich jedes Ministerium selbst um die Di gitalisierung kümmern soll, macht in etwa genauso viel Sinn, wie wenn man den Ministerien auftragen würde, ihre Gebäu de eigenhändig zu warten.
Nach meiner festen Überzeugung brauchen wir deshalb ein eigenständiges Digitalisierungsministerium, in dem kreative Köpfe, professionelle Digitalexperten und agile Management methoden zusammenkommen. Nur so wird es Baden-Würt temberg gelingen, die großen, bisher brachliegenden digita len Potenziale der Verwaltung zu nutzen, um den Bürgerin nen und Bürgern ihre wertvolle Lebenszeit zurückzugeben und „Analogistan“ endgültig hinter uns zu lassen.
Meine Damen und Her ren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und schlage Ih nen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/4537 zur weite ren Beratung an den Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration zu überweisen. – Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes – Drucksache 16/4760
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Lieber Herr Kern, erlauben Sie mir einen Satz zu Ihrer Suada. Schauen Sie sich bloß einmal unsere Digitalisierungs strategie in Medizin und Pflege an. Die ist bundesweit abso lut an der Spitze. Das wollte ich nur sagen; da hat es mich jetzt gejuckt. – Ist okay. Sie machen das.
Werte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt haben wir doch ein Thema, das ein sehr gutes ist, und zwar ein gemeinsames:
die Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes. Die Ausweitung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz seit dem 1. Juli 2017 war ein längst fälliger Schritt. Die Abschaffung der Begrenzung der Leistungsdauer auf sechs Jahre und die Abschaffung des Höchstalters von zwölf Jahren ist für viele Alleinerziehende eine wesentliche Entlastung, auf die sie lan ge gewartet haben. Jetzt können mehr Alleinerziehende für ih re Kinder sorgen, ohne auf SGB-II-Leistungen angewiesen zu sein.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen: Es war Baden-Würt temberg, das im Bundesrat dafür gesorgt hat, dass diese Ge setzesreform nicht in die SGB-II-Logik kam. Da gab es ur sprünglich leider auch aus den A-Ländern wie Hamburg an dere Ansätze. Das, was uns heute vorliegt, ist eine ausgespro chen gute Lösung.
Aber selbstverständlich gilt: Dieses Ziel ist nicht für umsonst zu erreichen. Die Ausgaben aufgrund des Unterhaltsvorschuss gesetzes sind stark gestiegen. Bund sowie Land und Kommu nen haben in Baden-Württemberg vor der Reform im Jahr 2016 zusammen rund 71 Millionen € ausgegeben. Stand 30. Sep tember 2018 sind es bereits 124 Millionen €.
Der Bund hat zwar seinen Anteil an den Ausgaben von einem Drittel auf 40 % erhöht; gleichwohl ergeben sich erhebliche Mehrkosten für das Land und die Kommunen, die mit der Er höhung des Bundesanteils nicht ausgeglichen werden.
Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Durchführungsge setzes zum Unterhaltsvorschussgesetz stellt sich das Land sei ner finanziellen Verantwortung gegenüber den Kommunen. Es gleicht den Kommunen die mit der Reform verbundenen Mehrkosten entsprechend der Landesverfassung aus. Das ist der sogenannte Konnexitätsausgleich.
Wir haben mit den kommunalen Landesverbänden intensiv über einen angemessenen Ausgleich verhandelt. Dieser Ge setzentwurf – darauf sind wir gemeinsam sehr stolz – ist das Ergebnis der Verhandlungen. Er wird von den Kommunen mitgetragen.
Um die kommunale Mehrbelastung von ca. 7,5 Millionen € jährlich auszugleichen, ändern wir die Höhe der Beteiligung der Kommunen an den Ausgaben und an den Einnahmen für die Unterhaltsvorschussleistungen. Wir reduzieren die Betei ligung der Kommunen an den Kosten von bisher 33,3 % auf nunmehr 30 %. Im Gegenzug wird die Beteiligung an den Ein nahmen aus den Rückgriffen auf die Unterhaltspflichtigen er höht, und zwar von derzeit einem Drittel auf 40 %.
Ja, natürlich, es ist und bleibt wichtig, die Rückgriffsquote weiter zu erhöhen. Baden-Württemberg war im Jahr 2017 mit einer Rückgriffsquote von 28 % bundesweit der Spitzenreiter. So wurden die Einnahmen 2017 gegenüber dem Vorjahr von 23 Millionen € auf 24 Millionen € gesteigert. Wir haben den Anspruch, diese Position 1 beizubehalten. Deswegen setzt die gefundene Regelung zur Aufteilung der Einnahmen für die Kommunen höhere Anreize.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die konkrete Entwicklung der reformbedingten Mehrausgaben aufgrund des Unterhalts vorschussgesetzes ist natürlich nicht zuverlässig prognosti zierbar. Daher wird der Konnexitätsausgleich bereits im Jahr 2020 überprüft. Die Überprüfung kann zu einer Anpassung des Ausgleichs führen, wenn die Mehrbelastung der Kommu nen durch die Reform des Unterhaltsvorschussrechts erheb lich geringer oder höher ist. Hierbei liegt die Schwelle bei der Abweichung bei 10 % im Jahr.
Sollte nach der Überprüfung eine Anpassung notwendig sein, werden wir auch diese rückwirkend für den Überprüfungs zeitraum umsetzen. Im Jahr 2020 werden wir dann auch die Daten haben, auf deren Grundlage sich die kommunale Mehr belastung besser abschätzen lässt.
Ich denke, dass wir dann auch bei der Überprüfung die ein vernehmliche Lösung mit der kommunalen Seite weiter tra gen. Ich möchte schon an dieser Stelle sagen: Das ist ein ak tiver Beitrag zur Verbesserung der Teilhabechancen von Al leinerziehenden. Es ist auch ein Stück Armutsprävention und Stärkung des soziales Miteinanders.
Ich glaube, uns ist ein außergewöhnlich gutes Durchführungs gesetz auf Landesebene mit den Kommunen geglückt. Ich bit te um Ihre Zustimmung.