Die Prüfung dieses Urteils durch diese Landesregierung hat relativ lang gedauert, weil blöderweise nicht das darin stand, was sie sich erwartet hatte. Es stand nicht darin: „Die Landes regierung muss jetzt a, b, c, d tun“,
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig, ge nau!)
sondern darin steht: Abwägungen, welche Maßnahmen denk bar sind und welche Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit besonders zu prüfen sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Automatismus, den Sie ab leiten, existiert nur in Ihren Köpfen und in Ihrer Ideologie.
Dann schauen wir uns an, was zur Frage der Reduzierung der Schadstoffe, insbesondere der Stickoxide, im Urteil steht. Bei der Maßnahme der Einführung von Fahrverboten für Fahrzeu ge mit Euro 4 oder Euro 5 – wir kommen wieder zu den Sün denböcken; Sie erinnern sich – spielt es eine ganz erhebliche Rolle, welche Auswirkungen die einzelnen Maßnahmen auf die Menschen in diesem Land haben. An dieser Stelle haben Sie keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Antwort auf die Fragen „Welchen Effekt hat diese Maß nahme?“ – übrigens gibt es dazu auch ein Gutachten, das u. a. von Bosch eingeholt wurde – und „Was würde passieren, wenn wir alle Diesel unter Euro 6 sofort von der Straße neh men würden?“ – so viel zum Thema „Was passiert nächsten Sommer?“ – lautet: Auch wenn das passieren würde, würde die Schadstoffgrenze von 40 Mikrogramm im Schnitt immer noch überschritten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Dann müssen wir noch mehr machen! – Zuruf von der AfD: Genau, richtig!)
Das heißt, es ist scheinheilig, wenn Sie behaupten: „Euro5-Fahrzeuge sind von Fahrverboten ausgenommen.“ Das, was Sie vereinbart haben, ist ein Automatismus, dass Euro-5-Die sel ab dem nächsten Jahr nicht mehr fahren dürfen.
(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD – Abg. Hermann Katzenstein GRÜ NE: Dann machen Sie doch mal einen Vorschlag!)
Wir haben uns erlaubt, nachzufragen: Welchen Effekt haben denn diese Fahrverbote, insbesondere für die Euro-4-Diesel? Diese Fahrverbote mit all den Ausnahmen, über die diskutiert wird und die offensichtlich vereinbart werden sollen, zeigen eines ganz deutlich: Wenn Sie zum 1. Januar des nächsten Jah res die Euro-4-Diesel – Euro 4 und schlechter – von der Straße nehmen, dann werden Sie den Effekt haben, dass die Schad stoffbelastung um etwa 4 Mikrogramm sinkt. Das ergibt sich aus der Stellungnahme zu einem Antrag, den die SPD-Land tagsfraktion gestellt hat.
Aber, lieber Kollege Schwarz – da werden Sie sich den Glo rienschein wieder umlegen wollen –: Allein durch den Wech sel in der Fahrzeugflotte, allein durch die anderen Maßnah men im Bereich der Schadstoffreduzierung wird ein Jahr spä ter diese Schwelle von selbst erreicht – ohne die Menschen zu drangsalieren, ohne den Menschen zu sagen: „Dein Fahrzeug ist nichts mehr wert.“ Wer so handelt, der handelt gegen vie le Menschen in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD – Zuruf des Abg. Hermann Katzen stein GRÜNE)
Ich zitiere Ihnen gern aus dem Urteil des Bundesverwaltungs gerichts – Sie haben es ja mit Urteilen, an die Sie sich halten wollen –:
Hinsichtlich von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sieht zudem das einfache Recht in § 47 Absatz 4 Satz 1
BImSchG ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entspre chend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind....
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Region Stutt gart sind 180 000 Besitzer von Euro-4-Diesel-Fahrzeugen von diesen Verboten betroffen. Wer dies ausblendet, der verstößt gegen die Rechtsordnung, der verstößt auch gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP, Abgeordne ten der AfD sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Ich fasse zusammen: Diese Landesregierung ist nicht in der Lage, die Probleme dieses Landes, vor allem nicht die The men Mobilität und Gesundheitsschutz, zu lösen. Die einen, getrieben von grüner Verbotsideologie,
wollen den Menschen vorschreiben, wie sie sich fortbewegen sollen, die anderen sind nicht in der Lage, diesem Treiben Ein halt zu gebieten, und sie interessiert auch nicht, dass viele Menschen nicht 30 000 € auf dem Konto haben, um sich ein neues Fahrzeug zu kaufen. Diese Landesregierung macht kei ne Politik für die Menschen, sondern diese Landesregierung macht Politik gegen die Menschen in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Verehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die De batte, die wir hier führen, ist eine wichtige Debatte, aber sie ist in keiner Weise für billige Polemik geeignet –
in überhaupt keiner Weise. Natürlich scheint die Frage erst einmal einfach: Dieselverbote – ja oder nein? Aber sobald man sich ein wenig Mühe macht, in die Materie einzudringen und sich mit den Gerichtsurteilen zu befassen, wird es kompliziert.
Jeder weiß: Es müssen wichtige Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden, die allesamt ein großes Gewicht haben.
Wir müssen in einer Lage eine Lösung finden, in der sich die wesentlichen Akteure – der Bund – geweigert haben, die Ver antwortung zu übernehmen – Stichwort „Blaue Plakette“ –, wir müssen sorgsam vorgehen und die unterschiedlichen In teressen und Anliegen unter einen Hut bringen, um unser Land dabei so gut wie möglich zusammenzuhalten und es nicht zu spalten.
(Die Tonübertragung knistert. – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das sind atmosphärische Störun gen! – Weitere Zurufe – Heiterkeit)
(Ministerpräsident Winfried Kretschmann begibt sich zu seinem Platz. – Zuruf von der SPD: Sie haben noch ein paar andere Probleme! – Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Sie haben da Probleme verur sacht! – Abg. Nicole Razavi CDU: Seit die SPD ge sprochen hat! – Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber manchmal gibt es einfach technische Probleme. – Jetzt ist das Problem beho ben. Vielen Dank.
Deswegen gibt es in dieser Frage keine einfachen Lösungen. Ausgangspunkt ist die schlichte Tatsache, dass wir in Stuttgart die europäi schen Grenzwerte für Stickoxide noch nicht einhalten. Wenn ich von „noch nicht einhalten“ spreche, dann liegt die Beto nung auf „noch“, denn die Luft ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt besser geworden.
Und wenn wir es auch noch nicht ganz geschafft haben, so kann ich klar versprechen: Wir werden dieses Problem lösen.
Inzwischen ist das Feinstaubproblem so gut wie gelöst. Die Feinstaubgrenzwerte werden, außer am Neckartor, inzwischen im ganzen Land eingehalten, und auch am Neckartor haben wir gute Chancen, die Grenzwerte in diesem Jahr einzuhal ten. Im Jahr 2006 wurde der Feinstaubgrenzwert dort an 175 Tagen überschritten, 2017 noch an 45 Tagen und in diesem Jahr bislang nur noch an 16 Tagen bei 35 zulässigen Tagen im Jahr. Darauf, Herr Kollege Stoch, bezog sich der Vergleich. Er bezog sich auf die Feinstaubgrenzwerte; diese müssen wir bis Ende 2017 einhalten.
Wenn wir das nicht können, dann müssen auch dort rechtmä ßige Verkehrsbeschränkungen greifen, um das Verkehrsauf kommen um 20 % zu reduzieren. Jeder sieht aber, dass wir die sehr gute Chance haben, dass wir die Grenzwerte einhal ten. – So weit zu Ihrer Kritik an diesem Vergleich.