Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über das soge nannte Demokratiestärkungsgesetz sprechen, dann empfiehlt es sich, glaube ich, zunächst einmal unser Land und seine Si tuation als Ausgangsgrundlage zu nehmen. Wenn wir unser Land ansehen, dann, denke ich, sind wir alle der gleichen Überzeugung: Baden-Württemberg ist wirtschaftlich erfolg reich. Es ist vielleicht eine der erfolgreichsten Regionen in Europa und sicher auch in der Welt.
Baden-Württemberg ist ein Hochtechnologieland mit Spitzen unternehmen, es ist im Automobilsektor führend. Es ist ein Land der Tüftler, der Erfinder, der Patente und daneben auch ein lebenswertes Land. Selbst die Geburtsschwierigkeiten, die Badener und Württemberger vor 60 Jahren hatten, haben wir zwischenzeitlich überwunden.
Ich glaube, wenn man sich das vor Augen führt und die Grund lage dieses Erfolgs sieht, dann muss man auf die Verfassung zu sprechen kommen. Denn die Verfassung ist das, was den Rahmen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwick lung bildet, und der Erfolg des Landes ist somit auch gleich zusetzen mit dem Erfolg unserer Verfassung. Diese Verfas sung legt eine repräsentative Demokratie als Grundlage fest, und sie gibt nur in eingeschränktem Umfang Elementen der direkten Demokratie Zugang.
Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit mit Stuttgart 21 bereits ein Beispiel gehabt, wie auch eine Volksabstimmung für das Funktionieren dieser bestehenden Verfassung und der
bestehenden Systeme votieren kann. Wir hatten eine Volksab stimmung. Diese Volksabstimmung war erfolgreich, und am Ende dieser erfolgreichen Volksabstimmung hat auch eine Be friedung in einer sehr strittigen Frage in Baden-Württemberg stattgefunden. Die Verfassung lebt, und sie ist erfolgreich.
Aber nichts ist natürlich so gut, dass man es nicht noch ver bessern könnte. Deswegen haben wir uns im Jahr 2015 vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen und viel leicht auch der zur Abstimmung gestellten Frage mit Stutt gart 21 interfraktionell mit Verbesserungen, mit Anpassungen an die veränderte gesellschaftliche Situation beschäftigt. Ziel war, mehr Bürgerbeteiligung, wie wir das bei den Kommunen bereits haben, auch in die Landesverfassung und die Landes ebene aufzunehmen. Nach langen Diskussionen haben alle da mals beteiligten Fraktionen zu einem Kompromiss gefunden.
Der Volksantrag wurde eingeführt. Mit den Unterschriften von 0,5 % der Wahlberechtigten, also 40 000 Bürgern, kann ein Volksantrag eingebracht werden. Jetzt haben Sie in Ihrem Ge setzentwurf vorgeschlagen, dieses Quorum auf 0,1 % abzu senken, sodass es dann nur noch 8 000 Bürger wären. Darü ber kann man sicherlich diskutieren. Aber wenn man vor zwei, drei Jahren intensiv darum gerungen und einen Kompromiss gefunden hat, dann ist das mit Sicherheit auch kein so welt bewegender neuer Vorschlag, dass man da von einer Demo kratiestärkung sprechen könnte.
Ähnlich beim Volksbegehren: Bisher sind hierfür 10 000 Un terschriften nötig; Sie schlagen eine Absenkung auf 8 000 Un terschriften vor.
Beim fakultativen Referendum haben Sie Elemente aufge nommen, wie sie in Thüringen vorgeschlagen sind. Sie wol len eine Absenkung auf 1 % und ca. 80 000 Unterschriften er reichen.
Sie schlagen weiter vor, dass 10 % der Gemeinden ein solches Referendum zur Einleitung bringen können. Dazu ist natür lich zu sagen – das sollten Sie mittlerweile auch aufgenom men haben –, dass dies schlicht unmöglich ist. Die Gemein den haben keine Stimmberechtigung und sollten deswegen auch nicht über die Möglichkeit eines Referendums abstim men können.
Zu Änderungen der Landesverfassung: Es wären meines Er achtens erhöhte Anforderungen gegenüber dem, was Sie ein gebracht haben, notwendig.
Soweit Sie Quoren für das Volksbegehren und die Volksab stimmung einbringen, sind die Hürden, die Sie hier ansetzen, einfach zu niedrig. Das gibt es nicht in Bayern, das gibt es so auch nicht in der Schweiz, und das sollte es so auch nicht in Baden-Württemberg geben.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Ihr Vorschlag allgemeine Ablehnung bei allen beteiligten Kräf
ten gefunden hat. Der Landkreistag stimmt dagegen, der Städ tetag stimmt dagegen, der Gemeindetag stimmt dagegen; so gar der Verein „Mehr Demokratie e. V.“ stimmt dagegen.
Erlauben Sie mir abschließend vor diesem Hintergrund eine persönliche Anmerkung, auch im Hinblick auf die Debatten und Äußerungen von Repräsentanten Ihrer Partei in der Öf fentlichkeit in anderem Zusammenhang; ich denke an einen Herrn Höcke, ich denke an eine Frau Weidel, und ich denke nicht zuletzt auch an Herrn Gauland. Ich glaube, ich brauche nicht zu wiederholen, was diese Personen in der Öffentlich keit gesagt haben.
Sie können nicht auf der einen Seite – so schätze ich Sie ein – im Ständigen Ausschuss sachlich an Demokratieverände rungsgesetzen mitwirken, sich gleichzeitig aber von solchen Äußerungen, die auch das Klima in einer Demokratie voll kommen vergiften, nicht distanzieren. Zu einer solchen Dis tanzierung fordere ich Sie an dieser Stelle auf.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Stefan Räpple AfD: Aber Bomben auf Syrien! Das ist natürlich menschlich! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Lassen Sie ihn ruhig reden. Er dis qualifiziert sich regelmäßig selbst, wenn er dazwischenruft. Insofern – –
Da sollten Sie einmal nachschauen, wie sich das verhält. Re den Sie vielleicht auch einmal mit den kommunalen Landes verbänden und fragen, was diese von Ihrer Rechtsauffassung halten.
Wir haben auch schon Volksabstimmungen gehabt. – Ich weiß nicht, ob Sie gebürtiger Baden-Württemberger sind. – Es ha ben schon Badener über die Frage abgestimmt, ob sie zu Würt temberg hinzukommen wollen,
Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode dann zusam mengesetzt und haben darüber diskutiert, wie wir die Elemen te der direkten Demokratie für Baden-Württemberg weiter verbessern können, und haben nach Abschluss dieser Verhand lungen die rote Laterne, die Baden-Württemberg bis dahin trug, abgegeben. Damit sind wir in puncto Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg fortschrittlich, und da brauchen wir von Ihnen keine Nachhilfe.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU – Zu ruf: Bravo!)
Jetzt reden Sie immer vom „Volk“, vom „deutschen Volk“, das mitentscheiden soll, das wehrhaft sei und entscheiden soll, welche Gesetze erlassen werden und, vor allem, wie die Ver fassung verändert wird. Aber Sie reden ja nie von allen. Sie wollen das Abstimmungsquorum abschaffen. Das heißt im Klartext: Der Kollege Hagel, die Kollegin Razavi, der Kolle ge Dr. Rülke, der Kollege Kenner, der Kollege Gall und ich stimmen einem Gesetz zu, und alle anderen gehen nicht zur Wahl. Und damit – –
(Abg. Udo Stein AfD: Schön, dass Sie es erkennen! – Abg. Stefan Räpple AfD: Wie war das mit dem Hei ko-Maas-Zensurgesetz? Da haben 50 Leute darüber abgestimmt!)
Demokratie wird durch Mehrheiten bestimmt. In einer Demo kratie bestimmen Mehrheiten Gesetze und verändern Verfas sungen, aber nicht Minderheiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU – Abg. Bernd Gögel AfD: Wie viele sitzen denn hier, die Gesetze bestimmen?)
Nur weil Sie für Ihre Auffassungen keine Mehrheiten bekom men, müssen Sie nicht den Weg zu denen finden, damit Sie mit Minderheiten Gesetze ändern. Das meint direkte Demo kratie beileibe nicht, Kolleginnen und Kollegen von der AfD.