Protocol of the Session on March 21, 2018

Nachdem ich im Mai 2017 zum ersten Spitzentreffen einge laden hatte, hat der Ministerrat im vergangenen Juli die Struk tur des Strategiedialogs beschlossen. Wir gehen in sieben stra tegischen Handlungsfeldern die wichtigsten Zukunftsaufga ben systematisch an.

Die Themenfelder 1 und 2 umfassen Forschung und Entwick lung, Produktion, Zulieferer, den Vertrieb und den AftersalesBereich. Hier beschäftigen wir uns auch intensiv mit der Ver änderung der Arbeitswelt und den Auswirkungen auf die Ar beitnehmer. Federführend ist hier das Wirtschaftsministerium.

Die Handlungsfelder 3 und 4 – unter der Leitung des Umwelt ministeriums bzw. des Innenministeriums – befassen sich mit energiepolitischen Fragen und der Digitalisierung.

Die vernetzte Mobilität fällt in Themenfeld 5 – unter der Fe derführung des Verkehrsministeriums –, während das For schungs- und Innovationsumfeld als Querschnittsthema im Themenfeld 6 durch das Wissenschaftsministerium bearbei tet wird.

Das Handlungsfeld „Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung“ bildet eine Klammer über alle Felder. Dieses wird von der Staatsrätin geleitet.

Sie sehen also: Kein wichtiges Zukunftsfeld bleibt außen vor, und der Strategiedialog kommt gut voran. Es gab schon über 30 Sitzungen. Über 80 Unternehmen und Institutionen wirken mit, und schon jetzt bringen wir die ersten zwölf Pilotprojek te auf den Weg.

Aber nicht nur das. Wir gehen auch bei der Batterietechnolo gie in die Offensive. Die Batterie ist die Schlüsseltechnologie der Elektromobilität. Die Batteriezellen kommen aber bisher ausschließlich aus Asien. Im Wandel der Automobilwelt ist

(Ministerpräsident Winfried Kretschmann)

die Batterie also unsere Achillesferse. Das wichtigste Bauteil des Elektrofahrzeugs sollten wir nicht kampflos anderen über lassen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD)

Gemeinsam mit dem Bund und starken Konsortien wollen wir deshalb in diesem Bereich zwei europaweite Leuchttürme schaffen. Zum einen wollen wir unser im Aufbau befindliches Zentrum für digitalisierte Batteriezellenproduktion mit Unter stützung des Bundes stärken. Wir streben ein Forschungspro jekt für die Massenproduktion von Batteriezellen an. Damit wollen wir die Grundlage für die Serienproduktion von Bat teriezellen im Land schaffen. Das Gesamtvolumen beträgt knapp 60 Millionen €. Die Verhandlungen mit dem Bundes forschungsministerium kommen gut voran.

Zum Zweiten wollen wir ein europäisches Prüf- und Kompe tenzzentrum für Batterien und Energiespeichersysteme in Freiburg etablieren. Denn es besteht eine weltweite Lücke in der Qualitätssicherung und Zertifizierung von Batteriesyste men.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)

Mit dem Kompetenzzentrum wollen wir in diese Lücke vor stoßen und dafür gemeinsam mit dem Bund 24 Millionen € investieren.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Das sind zwei echte Leuchttürme in einem ganz zentralen Zu kunftsfeld, und ich danke der Wirtschaftsministerin, dass sie sich hier so reinhängt und die Dinge vorantreibt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus hat das Kabinett gestern zwölf Pilotprojekte des Strategiedialogs beschlossen. Mit diesen ersten Projekten gestalten wir die Transformation in etlichen Bereichen.

So stärken wir mit unserer „Lernwerkstatt 4.0“ die Weiterbil dung; denn es ist ganz entscheidend, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Transformation mitzunehmen. In der „Lernwerkstatt 4.0“ werden Mitarbeiterinnen und Mitar beiter von Autowerkstätten zielgerichtet in den neuen Tech nologien aus den Bereichen Digitalisierung, Elektronik und Software weitergebildet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Außerdem unterstützen wir kleine und mittlere Unternehmen mit einem Transformations-Hub Elektromobilität. Diese neue Anlaufstelle wird die Unternehmen bei ihrer strategischen Neuausrichtung im Bereich Elektromobilität beraten und ih nen bei der Transformation helfen.

Um das selbst fahrende Auto voranzubringen, haben wir ja ein deutschlandweit einzigartiges Testfeld für autonomes Fah ren – beim KIT in Karlsruhe – eingerichtet. Wir etablieren jetzt ein neues Transferprogramm. Start-ups und Mittelständ ler können nun das Testfeld nutzen, um neue Geschäftsmo delle und Innovationen zu entwickeln.

Außerdem fördern wir neue Lösungen für Ride-Sharing, bei dem mehrere Menschen für eine gemeinsame Strecke ein Fahrzeug zusammen nutzen. Hier tut sich gerade sehr viel, und wir unterstützen Unternehmen bei der Entwicklung inno vativer Mitfahrdienstleistungen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Kommunen nehmen bei der Gestaltung von neuen digi talen Mobilitätsangeboten eine Schlüsselrolle ein. Deswegen schaffen wir eine neue Plattform „Mobilität Kommunal 4.0“, um Innovationspartnerschaften zwischen Wirtschaft und Kommunen zu fördern und Pilotprojekte zu unterstützen.

Auch im ÖPNV gestalten wir die Transformation. Wir fördern zum einen emissionsfreie Wasserstoff- und Brennstoffzellen busse, und zum anderen testen wir den Einsatz automatisier ter Busse im ÖPNV.

Die Transformation der Automobilwirtschaft betrifft auch die Infrastruktur in unserem Land. Wenn künftig in Parkhäusern viele Elektroautos parallel an Stromtankstellen geladen wer den, dann wird das den Netzanschluss vor Herausforderungen stellen. Auch hier denken wir voraus und fördern mit einem Pilotprojekt die intelligente Netzanbindung von Parkhäusern und Parkplätzen.

(Zuruf von der AfD)

Die Zeitenwende beim Auto ist aber nicht nur eine wirtschaft liche und technologische Herausforderung; sie ist auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Sie verändert die Arbeits welt vieler Menschen im Land, und sie verändert die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, von Grund auf. Deshalb set zen wir auch bei der Transformation auf die Politik des Ge hörtwerdens. Wir werden deshalb die Bürgerinnen und Bür ger mit zahlreichen Formaten beteiligen, um sie auf dem Weg in die neue Mobilität mitzunehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Strategiedialog kommt also gut voran, aber wir bauen auch auf einer hervorragenden Grundlage auf. So haben wir in den letzten Jahren über 200 Millionen € in die Mobilität der Zukunft investiert. Einen ers ten Schwerpunkt bilden dabei die Elektromobilität und neue Antriebe. Mit 2 000 neuen Stromtankstellen schaffen wir erst mals in Deutschland ein flächendeckendes Ladenetz für Elek troautos. Ab 2019 gilt: alle 10 km eine Ladesäule – von Mann heim bis zum Bodensee, von Offenburg bis Heidenheim. Da mit gehört die Reichweitenangst im Land endgültig der Ver gangenheit an.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Mit unserer Mittelstandsoffensive Mobilität unterstützen wir gezielt kleine und mittlere Unternehmen bei der Entwicklung innovativer Mobilitätslösungen, damit auch unsere Zulieferer bei der Transformation vorn mitspielen. So machen wir Ba den-Württemberg zur Leitregion für emissionsfreie Mobilität.

In einem zweiten Schwerpunkt gehen wir die Digitalisierung konsequent an und fördern das autonome Fahren.

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie für das Auto von morgen. Deshalb haben wir mit dem Cyber Valley einen der größten Forschungsverbünde Europas für künstli che Intelligenz geschaffen. So machen wir unser Land zu ei nem Zentrum für digitale Spitzenforschung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein weiterer Hotspot ist der Forschungscampus Arena 2036. Er ist eine der größten Forschungsfabriken der Welt für den Automobilbau und die Produktion der Zukunft. Dort arbeiten Ingenieure und Forscher aus Wirtschaft und Wissenschaft Hand in Hand. So gelingt der schnelle Transfer aus der Grund lagenforschung in die industrielle Anwendung.

In einem dritten Schwerpunkt bringen wir die vernetzte und die geteilte Mobilität voran. Wir sagen dem Stau den Kampf an und entwickeln gemeinsam mit Partnern aus der Industrie den Mobilitätsassistenten „moveBW“. Dieser führt die unter schiedlichsten Verkehrsdaten – von Staus über die Belegung von Parkhäusern bis hin zu ÖPNV-Verbindungen – in einer App zusammen. So kann dann jeder das jeweils beste Ver kehrsmittel auswählen und direkt einen Parkplatz, ein ÖPNVTicket oder ein Carsharing-Angebot buchen.

Sie sehen also: Wir hängen uns in allen Kernbereichen der Transformation richtig rein, und diesen Weg gehen wir auch in Zukunft entschlossen weiter.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Denn, meine Damen und Herren, das Auto ist unser Erbe. 1886 erblickte es bei uns mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ das Licht der Welt, und noch heute ist BadenWürttemberg das Automobilland Nummer 1. Aber das Auto verändert sich rasant und fundamental. Es fordert unsere Au tomobilwirtschaft heraus wie nie zuvor.

Die Landesregierung tut alles dafür, dass Baden-Württemberg auch bei der Neuerfindung des Autos an der Spitze steht. Mit dem Strategiedialog haben wir ein einmaliges Format gestar tet, um alle Kräfte zu bündeln. Wir fördern die zentralen Schlüsseltechnologien von der E-Mobilität und alternativen Antrieben über die künstliche Intelligenz und autonomes Fah ren bis hin zu neuen Geschäftsmodellen, und wir nehmen die Menschen bei der Transformation mit.

Der amerikanische Informatiker Alan Kay hat einmal gesagt: „Die beste Methode, die Zukunft vorherzusagen, besteht da rin, sie zu erfinden.“ Genau das machen wir. Wir wollen, dass Baden-Württemberg vom Automobilland Nummer 1 zum Mo bilitätsland Nummer 1 wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache zur Regierungsinformation haben die Frakti onen eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion vereinbart.

In der Aussprache erteile ich nun das Wort gemäß § 83 a Ab satz 3 unserer Geschäftsordnung Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch von der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Seit mehr als 130 Jahren ist die Herstel lung und Entwicklung des Automobils prägend für die Wirt schaft unseres Bundeslands. Baden-Württemberg ist das Au tomobilland und die Geburtsstätte des Automobils. Hier hat Carl Benz seinen Zweitaktmotor erfunden, Robert Bosch hat die Zündkerze entwickelt, und Gottlieb Daimler hat sich hier das erste Motorrad mit Benzinmotor patentieren lassen. Sie alle legten gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Grundlage für eine Revolution der Mobilität „Made in Baden-Württemberg“. Ihre Erfindungen sicherten und sichern nicht nur die wirt schaftliche Entwicklung unseres Bundeslands, sie sind bis heute auch Identifikationssymbole für die Menschen in unse rem Land, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs sind zu Recht stolz auf diese Industrie – und auch wir sollten stolz sein auf die Leistung von Hunderttausenden von Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten und am Wohlstand unseres Landes mitwirken. Unterschätzen Sie das nicht: Das Automo bil ist für viele Menschen in Baden-Württemberg, für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, immer noch das Symbol für Mobilität, Individualität und Freiheit.

Die großen Automobilhersteller und die vielen kleinen und mittelständischen Automobilzulieferer im Land sind sehr wichtig für den Wohlstand unseres Bundeslands. Mit mehr als 235 000 Beschäftigten im Jahr 2016 ist die Automobilindus trie nach wie vor einer der größten Arbeitgeber im Südwes ten.