Protocol of the Session on March 8, 2018

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Aber wir können doch nicht so tun, als wären wir in Kalkut ta. Wenn ich manchen von ganz links und von ganz rechts zu höre, dann frage ich mich immer: In welchem Land leben die? Und ich habe das Gefühl, ich laufe durch die Straßen von Kal kutta. So ist es nicht. Man muss auch mal sagen: Wir sind ja Weltmeister darin, unser Land selbst schlechtzumachen.

Natürlich verdienen viele Deutsche gut. Selbstverständlich gibt es Lebensmittel, die man wegwirft. Natürlich gibt es bei uns auch eine „Geiz ist geil“-Gesellschaft. Die Deutschen ge ben 15 % für Lebensmittel aus, die Franzosen 30 %.

Wer billige Lebensmittel kaufen will – – Wir hatten beim Bau erntag über die Frage gesprochen: Wie werden Lebensmittel produziert, wie viel sind uns Lebensmittel wert? Deshalb bin ich auch dafür, dass diese Tafeln – das machen sie ja auch – die Lebensmittel eben verkaufen und nicht verschenken. Le bensmittel müssen einen Wert haben – für den Erzeuger und für den Konsumenten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Ich komme zum Schluss. Das ist ein spannendes Thema, über das ich mit Ihnen gern einmal länger diskutieren würde. Ich habe in meinem Wahlkreisbüro – Ihnen wird es genauso ge hen – unglaublich viele Anfragen von mittelständischen Be trieben, Handwerkern, Gastronomen, kleinen Fabriken, die sehr gern geflüchtete Menschen beschäftigen würden oder dies bereits tun, und sie beklagen bürokratische Hemmnisse –

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

junge, kräftige Männer, die arbeiten wollen, die arbeiten kön nen, aber nicht arbeiten dürfen. Ich sage: Wenn wir dieses Sys tem flexibilisieren – – Wenn Menschen, die ein Bleiberecht haben,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Voll am Thema vorbei! – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

bei 1,2 Millionen offenen Stellen nicht arbeiten können, dann gehen sie an die Tafel. Deshalb sage ich: Diese Menschen müssen raus aus den sozialen Systemen,

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

rein in den Arbeitsmarkt. Dann verdienen sie ihr eigenes Geld und sind nicht auf die Tafel angewiesen.

Sie müssen einem schwäbischen Handwerksmeister einmal verklickern, dass die zwei jungen Männer, die zu ihm kom men, weil sie arbeiten wollen – andere findet er nicht – – Er sagt: Die kommen seit einem halben Jahr jeden Tag,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Zu der Tafel, oder was?)

sind nicht krank, sind fleißig, arbeiten, verdienen ihr eigenes Geld und können dann im Geschäft einkaufen. Jeder Arbeits lose weniger ist ein Kunde weniger bei der Tafel. Und bei 1,2 Millionen Stellen – – Integration heißt: Junge eingewanderte Menschen gehören in den Arbeitsmarkt. Dann sind sie nicht mehr in der Tafel.

Als Schlusssatz – zehn Sekunden überziehe ich –: Herr Po deswa, heute steht in der „Heilbronner Stimme“ – das ist Ih re Zeitung – –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wenn man lesen kann! – Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Ich lese jeden Morgen den „Teckboten“. Sie sollten jeden Morgen die „Heilbronner Stimme“ lesen. Darin steht heute: „Kein Kampf um Obst und Gemüse“ in der Heilbronner Ta fel. Die Heilbronner Tafel reagiert verwundert auf den Be schluss der Essener Tafel. Lesen Sie die eigene Heimatzei tung, bevor Sie hier im Parlament sprechen. Das hat schon vielen geholfen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut! Die AfD versenkt! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Unruhe – Glocke der Präsiden tin)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Keck das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, sehr geehrte Abgeordnete der AfD! Nach solch epochalen Vorrednern hat man es als letzter Red ner natürlich doppelt schwer.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Sie schaffen das! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Aber ich schaffe das, genau.

Sehr geehrte Abgeordnete der AfD, Sie stellen die Frage: Die „Tafel“ – eine deutsche Erfolgsgeschichte auch in BadenWürttemberg? Eigentlich könnte ich jetzt meine kürzeste Plenar rede halten, die ich je in diesem Rund gehalten habe, und ein eindeutiges Ja sagen. Aber dieses eindeutige Ja genügt zur Be antwortung dieser Frage nicht. So ist die Zahl der Tafeln seit der Eröffnung der ersten Tafel in Baden-Württemberg 1995 nun auf 143 gestiegen, und man kommt jetzt auf 180 Tafellä den.

Wenn ich jedoch nach einem Ja schon fertig wäre, würde ich insbesondere zwei Personenkreisen nicht gerecht und ihnen nicht die Aufmerksamkeit widmen, die sie eigentlich verdie nen. Das sind zum einen die Menschen, die von Armut betrof

fen sind und denen die Tafeln eine Möglichkeit bieten, Le bensmittel günstig einzukaufen. Zugleich bieten die Tafeln – das hat der Kollege Hockenberger schon gesagt – den betrof fenen Menschen ein Lächeln und ein offenes Ohr.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Bedürftig sind für die Tafeln alle Menschen, die nur über we nig Geld verfügen können, weil sie eine kleine Rente haben, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung beziehen. Ihnen bieten die Tafeln ein ergänzendes Angebot und schaf fen so finanziell etwas Luft.

Die zweite Personengruppe, der ich hiermit meinen allerherz lichsten Dank ausdrücken möchte, ist die Gruppe der deutsch landweit über 50 000 Ehrenamtlichen, die sich für das unter stützende Angebot und die preisgünstige Versorgungsmög lichkeit engagieren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Hier sehe ich zugleich die Notwendigkeit der Unterstützung in Bezug auf die Rahmenbedingungen. Durch den überaus großen Zulauf ist die Arbeit in den einzelnen Tafelläden kaum noch zu bewältigen. Viele Läden sind zu klein, und ihre Inf rastruktur ist minimalistisch ausgerichtet. Neben den sehr spartanischen Bedingungen vor Ort fehlt es den Tafeln häufig an Möglichkeiten, um die Lebensmittel spendenfreudiger Un ternehmen einzusammeln. Neben der Ehrenamtspower fehlt es häufig an einem kleinen Lieferwagen – ein tolles positives Beispiel haben wir hier vom Kollegen Hockenberger gehört – oder einem Kombi, oder es mangelt an ausreichendem La gerplatz.

Alles können die Ehrenamtlichen im Land nicht allein stem men. Man mag sich ein Baden-Württemberg ohne die vielen fleißigen Helferinnen und Helfer und deren unzählige freiwil lige Stunden, in denen sie sich sozial engagieren, gar nicht vorstellen. Ein Baden-Württemberg ohne die emsigen Hände, die großen Herzen und die guten Seelen in den Tafelläden – kein schöner Gedanke.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen, der CDU und der AfD sowie des Abg. Andreas Ken ner SPD)

Sie geben das Engagement, durch das unser Sozialstaat und unser Land mehr und mehr zusammengehalten, in Quartieren weiterentwickelt und im sozialen Sektor aufrechterhalten wird.

Einmal mehr fordere ich an dieser Stelle – manch einer kann es vielleicht schon nicht mehr hören –, über die Einführung einer Ehrenamtskarte konstruktiv zu diskutieren. Die Bürger in unserem Land, die sich in so unnachahmlich vorbildlicher Weise für Baden-Württemberg, das soziale Miteinander und das Lebensgefühl der Bürger unseres Landes engagieren, müs sen für diese Tätigkeiten mehr als ein schnelllebiges Danke erhalten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Über eine Ehrenamtskarte könnten wir Aktivitäten fördern, durch die sie wieder auftanken und Kraft sammeln könnten.

Eine strukturelle, vom Land unterstützte Wertschätzungs- und Anerkennungskultur würde ihnen unsagbar guttun und gleich zeitig wiederum die Motivation noch weiter erhöhen. Ich bin überzeugt, das wären gut investierte Euros für Leistungen, die im doppeldeutigen Sinn unbezahlbar sind.

Nachdem die Erfolgsgeschichte so deutlich auf der Hand liegt und die Notwendigkeit der Tafeln auch in Baden-Württem berg durch den stetig wachsenden Zulauf nicht abzustreiten ist, stellt sich nun die AfD nach über 20 Jahren Erfolgsge schichte die Frage, ob die Tafeln eine deutsche Erfolgsge schichte auch in Baden-Württemberg seien. Die Tafeln sind eine Erfolgsgeschichte. Sie ermöglichen Menschen mit knap pem Budget etwas finanziellen Puffer. Ich warne davor, die Tafeln zum Indikator und zum Symbol zu stilisieren.

Sie von der AfD haben ausdrücklich bewiesen, dass Sie das Fehlverhalten von Flüchtlingen für ein immer gleiches Para digma verwenden: An allem sind die Migranten schuld.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Nein, die Frau Merkel!)

Die Tafeldiskussion taugt auch nicht für das Gegenteil, näm lich das Schönfärben und Verdrängen von Problemen. Die Po litik ist aufgerufen, den Tafelverantwortlichen ein offenes Ohr und Rückhalt im Vorgehen gegen Missstände zu bieten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Weder marktschreierischer Alarmismus noch ein erhobener Zeigefinger helfen weiter. Die Tafeln dürfen auch nicht als In dikator für den angeblichen Untergang des Sozialstaats ver standen werden. Unsere Gesellschaft lebt im Überfluss, und es ist gut, wenn wir die bedürftigen Menschen nicht aus dem Auge verlieren. Wir haben einen modernen Sozialstaat, der benachteiligte Menschen unterstützt. Auch darauf dürfen wir stolz sein. Bei uns muss niemand Hunger leiden.

Wenn jetzt die üblichen Akteure wieder das Gegenteil behaup ten wollen, ist das ebenso unredlich wie die bereits geschil derte Vorgehensweise des Alarmismus. Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Eine pauschale Kritik an den Helfern ist völlig falsch.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Richtig ist es – da unterstütze ich die Tafelläden –, dass die jenigen aus dem Tafelladen verwiesen werden, die sich nicht an die Regeln halten. Hierbei spielt die Nationalität keine Rol le. Wer sich nicht benehmen kann, hat in einer Tafel nichts verloren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD)

Anstatt einer Gesinnungspolitik stehen wir dafür, eine ratio nale Problemlösung anzugehen. Genauso wenig wie die Dä monisierung zum Ziel führt, tut das eine Politik, die vor den Fehlentwicklungen die Augen verschließt. Es reicht eben nicht, nur von einer Willkommenspolitik zu reden. Es muss klare Konsequenzen für diejenigen geben, die sich nicht an die ge sellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen halten wollen. Anstand gilt für die ganze Gesellschaft, egal, ob arm oder reich, egal, welche Nationalität.

Ich wünsche mir, dass von der heutigen Debatte das Signal ausgeht, dass der Landtag von Baden-Württemberg den Ta felläden die Hand zu einem Dialog auf Augenhöhe reicht. Es muss um eine sachliche Analyse von Problemen und die Er arbeitung von tragfähigen Lösungsansätzen gehen.