Protocol of the Session on February 28, 2018

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Präsident Benz, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, für die SPD-Fraktion anlässlich der heutigen Beratung der Rechnungshofdenkschrift einen Blick zurück, aber vor allem auch einen Blick nach vorn zu werfen, der uns, denke ich, alle sehr beschäftigt. Es sind dazu auch Stichworte genannt worden.

Ich danke vorab natürlich, Herr Benz, dem Rechnungshof für seine Arbeit. Ich will nicht nur die Zusammenarbeit benen nen, sondern auch über die zutreffende Analyse und über die Forderungen reden, die Sie aufgestellt haben, die wir in wei ten Bereichen teilen. Ich muss sagen, innerhalb von drei Jahr zehnten Privatisierungsrhetorik, die wir alle rund um den Staat erleben, ist auch der Rechnungshof ein Beweis dafür, dass wir im Staat einen eigenen funktionierenden Regelkreis haben. Das ist nicht wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde gern beim Blick zurück noch einmal die Stelle auf Seite 15 der Rechnungshofdenkschrift zitieren,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

wo es heißt:

Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2015 geordnet.

Weiter heißt es:

Die Haushaltsrechnung 2015 schließt mit einem rech nungsmäßigen Jahresergebnis (Überschuss) von 1,2 Mrd. Euro ab.

Dasselbe lässt sich, wie wir wissen, für das Jahr 2016 sagen. Rekordwert, ein Überschuss von 3,5 Milliarden €, und dies bei der Unterbringung vieler Tausend Flüchtlinge. Seit dem 5. September 2015 waren es plus 126 000, die wir betreuen mussten, und dies alles natürlich – das wissen wir – unter der warmen Sonne der anziehenden Konjunktur.

Doch man darf eines sagen: Das, was wir beim Übergang der Regierung gehört haben – 3 Milliarden € Deckungslücke, al les in der Rhetorik bis hin zum Augiasstall und Weiteres – – Ich erinnere mich an einen Innenminister, der, wenn er unter Druck war, sofort in diese Richtung ausgeschlagen hat. Da würde ich sagen: All diejenigen, die gemeint haben, sie müss ten zu dem Zeitpunkt finanziell nach hinten treten, waren ganz gewaltig auf dem Holzweg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es bleibt eigentlich nur noch der betretene Blick auf die eige nen Schuhspitzen, falls das bei unserem neuen Mobiliar hier noch möglich ist.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, jetzt erst recht!)

Bei dieser Gelegenheit würde ich gern noch einmal darauf hinweisen, dass wir eine Phase 2011 bis 2016 hatten, bei der

uns die Folgen der Weltwirtschaftskrise – Lehman-Brothersinduziert – noch in den Knochen steckten, bei der wir natür lich vorsichtig sein mussten und bei der es um das Aufarbei ten, um das Abarbeiten ging. Die Konjunkturprogramme wa ren auch wichtig. Sie wurden auch von der CDU mitgetragen unter der Finanzverantwortung von Willi Stächele und ande ren.

Es war wichtig, dass es in diesen Jahren eine Personalverstär kung, auch einen Personalersatz bei den wachsenden Aufga ben des Staates gab. Sie setzen das ja heute fort.

Es war auch notwendig, dass wir in den Abbau des Sanie rungsstaus eingestiegen sind. Deswegen die nette Überschrift bei der Haushaltseinbringung, liebe Edith Sitzmann. Dass der Schuldenabbau jetzt beginnt, stimmt eben nicht ganz. 2011 bis 2016 ist der Abbau der, wie Sie es nennen, impliziten Ver schuldung bereits begonnen worden, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind in diesen Jahren auf dünnem Eis gewandelt, und es ist zunehmend stabiler geworden. Deswegen sind wir Sozial demokraten stolz auf diese Zeit.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Entwicklung ist seither besser geworden. Wir haben vor ca. zwei Wochen die Bekanntgabe des kassenmäßigen Jahres überschusses für das Jahr 2017 entgegengenommen: 2,8 Mil liarden € nach 3,5 Milliarden € im vorangegangenen Jahr, wie der ein sehr hoher Betrag. Strukturell bereinigt stellt sich die ser kassenmäßige Jahresabschluss als Finanzierungssaldo dann sogar noch besser dar. Er hat sich weiter auf ein Rekordniveau verbessert. Redner haben es bereits angesprochen. Wir sind in einer guten Situation. Die Schuldenbremse ist zu meistern, und auch die Tilgung von Kreditmarktschulden ist möglich.

Wir haben mehrere Möglichkeiten für den Blick nach vorn. Wir brauchen aber keine Dramaturgie und keine Inszenierung auf das Jahr 2021 hin, sondern wir brauchen die Offenheit für die zukünftigen Herausforderungen unseres Landes. Da dan ke ich dem Rechnungshof, dass er diese benannt hat, Herr Benz.

(Beifall bei der SPD)

Ich will dazu jetzt auch mit Blick auf den Kollegen Kößler und den Kollegen Rösler einige Sätze sagen.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Kößler oder Rös ler? – Gegenruf von der SPD: Beide!)

Erstes Stichwort: Kreditmarktschuldenabbau und -tilgung. Richtig ist, dass es keine Weichenstellung sein konnte und sein sollte, entweder implizite Schulden abzubauen oder Kre ditmarktschulden zu tilgen. Es war ein Fehler dieser Regie rung, dass sie da falsch eingestiegen ist.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Wir haben beides gemacht!)

Es gab Möglichkeiten, früher mit der Kreditmarktschulden tilgung zu beginnen. – Keine falschen Zwischenrufe, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Richtiger Zwi schenruf!)

Es ist auch eine Verzögerung, mit den 0,5 Milliarden € erst 2018/2019 zu beginnen; das hat Herr Benz selbst gerade so angesprochen.

Wir glauben, dass wir für die Zukunft jetzt Offenheit brau chen, was die Tilgung angeht. Wir brauchen einen Plan der Regierung, einen Plan der Ministerin, wie sie sich die Tilgung vorstellt. Ich habe bei Herrn Kößler herausgehört, dass er das sogar im Rahmen des Gesetzes mitverhandeln will. Das wä re interessant. Wir brauchen natürlich auch einen Plan mit Blick auf die Versorgungsbezüge.

Tatsache ist: Tilgung und Investieren sind nötig, Sparen und Investieren sind nötig. Das ist der Weg, den wir, die SPD, im mer befürwortet haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite ist: Sie wissen – und Sie haben da auch kein gu tes Gewissen –, dass es keine glückliche Geschichte war, die implizite Verschuldung als Mittel der LHO zu nutzen. Sie ha ben eine abenteuerliche Interpretation des § 18 hingelegt.

(Abg. Tobias Wald CDU: Wie bitte?)

Wir haben Ihnen einen Vorschlag gemacht, wie man Ordnung hineinbringt. Sie haben den Vorschlag ausgeschlagen. Herr Benz hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass Sie auch aus Sicht des Rechnungshofs mit dem Einbezug der Kommunen falsch lagen. Sie bestreiten das, aber das ist auf jeden Fall die Meinung des Rechnungshofs und auch unsere Meinung.

Wir können diese Diskussion in den Jahren 2020 ff. weitest gehend hinter uns lassen, weil wir jetzt neue Regeln bestim men. Aber eines können wir mitnehmen – auch hinsichtlich der Vermögensrechnung des Landes –: Wir sehen, wie der Ab schreibungsbedarf im Land Baden-Württemberg ist. Deswe gen wissen wir, dass wir einen Investitionsbedarf haben, der wahrscheinlich über dem liegt, was Grün-Schwarz bislang ge bracht hat. Dies ist auch eine Zeit für ehrliches und richtiges Investieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf den dritten Punkt eingehen, nämlich auf das In vestieren. Es gibt schon eine Sorge: Bei steigender Steuerde ckungsquote gibt es einen Rückgang der Investitionsquote. Das ist auf den Seiten 32 ff. der Denkschrift nachzulesen. Da rüber müssen wir reden. Diesem Trend ist entgegenzuwirken, sagt der Rechnungshof. Wir haben, wie gesagt, einen Rekord finanzierungssaldo 2017, haben also die Möglichkeiten. Das Crowding-out – ich gehe auf Sie ein – nach der Devise „Wenn der Staat mehr tut, tun andere weniger“ mag bei einer über hitzten Baukonjunktur richtig sein, aber das muss nicht bei Ausrüstungsgegenständen usw. der Fall sein. Es gibt genü gend Gelegenheiten für richtige Investitionen, auch im Hin blick auf die Vermeidung von solchen Effekten.

Wir sagen: Bei Krankenhäusern, beim Wohnungsbau, beim ÖPNV, bei Schulen und selbstverständlich auch bei den Kom munen haben wir einen erhöhten Investitionsbedarf. Dafür gibt es immer mehr gute Argumente, meine Damen und Her ren. Wir fordern Sie auf, dem in der jetzigen Situation Rech nung zu tragen.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine kleine persönliche Seitenbemerkung, Herr Benz, zu dem Thema, dass bei den Hochbauten manchmal etwas viel ausgegeben wird, und dem Hinweis auf den Gestaltungswil len derjenigen, die da unterwegs sind. Ob es da ein probates Mittel wäre, die Bauherreneigenschaft in die Hände der Uni versitätsleitungen zu legen, daran habe ich meine persönli chen Zweifel; aber das nur einmal nebenbei gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vierter Punkt: strukturelle Balance des Haushalts – eigentlich ein Kernanliegen des Rechnungshofs, auch ein wichtiges An liegen; das weiß ich. Wir haben – mit Ihren Worten gesagt – eine aktive Haushaltskonsolidierung seit 2012. Ab 2015 sei dies in den Hintergrund getreten, schreiben Sie. Das erwähne ich für all diejenigen, die, was die Einstiegsgehälter usw. an geht, die Fanfare, die Trompete bedienen. Das meint er damit auch im Grunde genommen: Jede Zeit hat ihre eigenen Her ausforderungen gehabt.

Aber ich will noch einmal darauf eingehen, wie die Situation ist. Wir haben natürlich, was die strukturelle Seite angeht, ei nen weiter steigenden Aufwand. Ich nenne einmal das Thema Privatschulen, bei denen der Aufwand höher wird. Es gibt kaum eigene strukturelle Einsparungen bei Grün-Schwarz selbst. Bezeichnenderweise mussten Sie bei der Berechnung der Einsparungen noch die sinkenden Zinsausgaben hinein rechnen und bei der Kleinkindbetreuung einen Rechnungs fehler sozusagen als Korrektur noch mit hineinrechnen bei dem, was Sie strukturell einsparen wollen. Bei den Ressorts schaffen Sie es, ein Viertel der Ressorteinsparungen als glo bale Minderausgaben auszuweisen; auch das ist in der Denk schrift des Rechnungshofs nachzulesen.

Bei der Optimierung der Ablauf- und Aufbauorganisation der Häuser gibt es einzelne Stichworte. Hier ist z. B. die Frage der Reisekosten zentral. Dort gibt es gute Beispiele. Der ganz gro ße Ansatz ist aber nun auch nicht unbedingt zu sehen. Zu dem, was als strukturelle Herausforderung besteht, habe ich in den zwei Jahren grün-schwarzer Regierung bislang nicht viel ken nengelernt. Das muss ich schon sagen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der SPD)

Zum Personal: Sie stellen fest, 1 375 Stellen seien netto da zugekommen – dazu die Aufhebung des 1 480-Stellen-Ein sparprogramms, bei der ich weiß, dass es auch einen guten Grund dafür gibt.

Tatsache ist: Der Trend zum Personalaufbau setzt sich fort, und die Frage, ob wir in Zeiten, in denen die Steuereinnah men nicht mehr so sind wie heute, diesen Personalaufbau ge genfinanzieren können, schwebt wie eine Wolke über dem Landeshaushalt. Man muss offen darüber reden – dies gilt auch für diejenigen, die dafür sind, in wichtigen Bereichen