Protocol of the Session on December 20, 2017

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Jetzt aber!)

Es reicht, ja. – Was Sie, sehr geehrte Frau Finanzministerin, uns mit dem Doppelhaushalt vorlegen, kann man beim bes ten Willen und mit Wohlwollen nicht als eine wetterfeste Sa nierung bezeichnen. Ja, es ist einfach schön, in Zeiten spru delnder Steuereinnahmen Finanzministerin zu sein, sich da für feiern zu lassen, dass man seine Klientel mit Stellen ver sorgt, Fehler der Vergangenheit mit Euroscheinen zudeckt. Es wird tüchtig auf den Putz gehauen nach dem Motto von Ma dame de Pompadour nach der verlorenen Schlacht bei Roß bach: „Nach uns die Sintflut“.

Die vielen Nullen auf dem Konto des Finanzministeriums scheinen den Blick für das Wesentliche regelrecht zu verne beln. Es steht Ihnen so viel Geld zur Verfügung wie noch nie. Ich zitiere aus Ihrer Rede zur Haushaltseinbringung:

Es ist nicht unser Geld, es ist das Geld der Steuerzahle rinnen und Steuerzahler,

(Ministerin Edith Sitzmann: So ist es!)

das wir sinnvoll und effizient einsetzen

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD – Zuruf von der FDP/DVP: Sollten!)

Statt dies zu tun, geben Sie das Geld mit vollen Händen aus, machen sich einen schlanken Fuß bei den Kreditmarktschul den, dehnen die Vorgaben des Landesrechnungshofs in Bezug auf die implizite Verschuldung nach Ihrem Gusto aus, schel ten die Opposition indirekt als finanz- und wirtschaftspoliti sche Selbsterfahrungsgruppe – das vor allem, weil diese Op position Ihre Vorstellungen von der sogenannten Schuldentil gung nicht teilt.

Sie reagieren zunehmend genervt darauf, dass die Opposition immer wieder den Finger in die Wunde Ihres Schuldenbegriffs legt. Sie können es schon fast nicht mehr hören.

(Abg. Winfried Mack CDU: Woher wissen Sie das?)

Ich kann Sie ja verstehen, sehr verehrte Frau Finanzministe rin, dass Sie bei dem Begriff „Implizite Verschuldung“ dünn häutig reagieren,

(Ministerin Edith Sitzmann: Überhaupt nicht!)

da Ihr Weg der Schuldentilgung auf deutlich mehr Kritik stößt als erwartet.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das sind reine Unterstel lungen!)

Eine mögliche Tilgung von Kreditmarktschulden in Höhe von 10 % ist eben ein Wert an sich, auf den Sie verzichten wollen. Sie spüren auch, dass Sie gegen den Geist der Reform der Haushaltsordnung von 2012 verstoßen.

(Zuruf: Was?)

Hier liegt das zentrale Versagen, der ganz entscheidende Feh ler Ihres Haushaltsentwurfs. Das ist auch der wichtigste An griffspunkt der FDP/DVP-Fraktion. Deshalb können und wol len wir Ihrem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Mit der Än derung der Verordnung zur Haushaltsordnung haben Sie uns die entscheidende Steilvorlage gegeben, Ihren Haushalt abzu lehnen.

Schon bei der zweiten Lesung vor ein paar Tagen habe ich vorgetragen, dass die Leitlinien aller früheren Haushalte heu te nicht mehr gelten: In guten Zeiten sind die Schulden zu rückzuzahlen, die man in schlechten Zeiten angehäuft hat.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Nur das verschafft einen Spielraum für Notlagen – wie z. B. heute mit dem Änderungsantrag zu Braunsbach, dem wir, die FDP/DVP-Fraktion, zustimmen –, für den Fall von Katastro phen oder von wirtschaftlichen Depressionen. Deswegen ist Ihr Haushalt auch kein wetterfestes Haus, wie Sie immer wie der betonen, sondern ein windschiefes Kartenhaus, das beim ersten Windstoß zusammenfällt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf von der CDU: Heftige Worte! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das ist noch wohlwollend!)

Wie schnell so etwas passieren kann, hat doch die Finanzkri se im Jahr 2008 gezeigt. Was wäre eigentlich in Deutschland geschehen, wenn die Flüchtlingskrise der Jahre 2015, 2016 in einer Phase der wirtschaftlichen und finanziellen Schwäche eingetreten wäre? Die zutiefst verunsicherte Bevölkerung ist mit dem Ausspruch der Kanzlerin – „Wir schaffen das“ – ei nigermaßen beruhigt worden. Wodurch konnte sich die Kanz lerin zu diesem Ausspruch durchringen? Vor allem doch da durch, dass sie in ihrem Rücken eine starke Wirtschaft, eine boomende Konjunktur, einen sehr stabilen Arbeitsmarkt wuss te. Der Bundeshaushalt war auch schon damals, vor zwei Jah ren, ohne Schulden finanziert.

Die vielen Milliarden Euro, die diese Notlage kostet, fehlten vielleicht an der einen oder anderen Stelle, aber insgesamt hat te man doch den Eindruck, dass die Ängste, die diese Flücht lingswelle bei vielen auslöste, eher kultureller Art sind, als dass sie aus wirtschaftlicher Not geboren wurden. Deutsch land konnte und wollte großzügig sein, und durch die EuroMilliarden wurden die ganz großen gesellschaftlichen Verwer fungen unterbunden.

Wie sähe es heute in den Landesparlamenten und im Bundes tag aus, wenn die Flüchtlingsbewegung Deutschland in einer

Phase der wirtschaftlichen Schwäche, der arbeitsmarktbeding ten Depression getroffen hätte, wenn zusätzlich die Schulden problematik in allen Köpfen wäre? Man mag es sich gar nicht vorstellen. Wir sehen ja selbst hier in Stuttgart, wie der Ein zug der AfD das Klima verändert hat – und dabei meine ich nicht das Wetter.

Nach der Krise, sehr geehrte Frau Finanzministerin, ist vor der Krise. Sie tun mit Ihrem Haushaltsentwurf so, als ginge die Party immer weiter. Ich zitiere noch einmal aus Ihrer Re de:

Kluge Haushaltspolitik hat im Blick, dass sich die Welt verändert, dass sich die Erwartungen und Bedürfnisse verändern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Wenn man dann aber sieht, dass im Haushaltsentwurf Stellen ausgeworfen werden – ich habe mich mit Herrn Podeswa nicht abgesprochen –, die die Mensch-Wald-Beziehung fördern, dann hat man wirklich das Gefühl, dass die Kuh jetzt aufs Eis geht und anfängt zu tanzen. Es mag ja sein, dass Sie die tra ditionell emotional engen Beziehungen der deutschen Seele zum Wald – wie schon in der Romantik beschrieben – haus halterisch verankern wollen, aber in meinen Augen, sehr ge ehrte Frau Finanzministerin, ist das ein totaler Realitätsver lust.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Ein Haushalt ist ein in Zahlen gefasster Regierungsentwurf. Wenn man dann sieht, wie Sie Lieblingsprojekte – sagen wir einmal: höchstens noch in Rufweite wissenschaftlicher Er kenntnisse – ohne Rücksicht auf finanzielle Solidität durch führen wollen, dann erinnert mich diese Politik an den Aus spruch des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg – ca. 1650 –:

Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner be schränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit an zulegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP)

In dieser Politik erkenne ich immer wieder das Missionari sche, das uns in der Vergangenheit manche Probleme beschert hat und von unseren europäischen Freunden durchaus nicht immer geschätzt wird. Sie wollen alles – sofort, ganz schnell, und davon ganz viel. Verbrennungsmotor weg – hier einmal oh ne Rücksicht auf Ressourcen oder gar Arbeitsplätze –, Land wirtschaft ökologisch – egal, was das für Otto Normalverbrau cher bedeutet, wie viel zusätzlichen Landverbrauch das be deutet –, ÖPNV ausbauen – auch wenn keiner in den Bus ein steigt –, Radschnellwege – unwichtig, ob ältere oder behin derte Menschen davon profitieren – und dergleichen mehr. Und Sie kritisieren jeden, der das ablehnt, als rückwärtsge wandt.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Es ist aber nicht so, wie Sie es uns unterstellen, dass wir die se Entwicklungen nicht sehen. Nein, was uns antreibt, ist, dass wir solche Entwicklungen reifen lassen wollen, dass wir eine

evolutionäre Entwicklung auf Faktenbasis wollen und keine revolutionäre.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Leider ist der Haushaltsentwurf voll von solchen Ansätzen, und das Beklagenswerte dabei ist zusätzlich, dass die CDU dazu ihren christlich-demokratischen Segen gibt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Der europäische Wirtschaftsraum wird im Jahr 2018 um ca. 2,2 % wachsen, und dennoch steigt die Inflation trotz der vie len Milliarden Euro – ja, es sind schon Billionen Euro –, die die EZB auf den Markt schmeißt, nicht an. Woran liegt das ei gentlich?

Die Macht liegt nicht mehr ausschließlich bei den Unterneh men, sondern zunehmend auch bei den Verbrauchern. Globa lisierung, Internethandel, Onlineshops geben jedem einzelnen Kunden sehr viel mehr Möglichkeiten der Konsumentschei dung. Wo von überall her geliefert wird, verknappen die Gü ter nicht mehr. Die Inflation will einfach nicht richtig anstei gen mit dem Ergebnis, dass der Zins nicht ansteigt.

In diesem Zusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein ganz wichtiger Hinweis. Ich weiß nicht, ob es Ihnen viel leicht so ähnlich geht wie mir: Seitdem die Zinsen im Keller sind, fällt mir das Geldausgeben leichter. Kapital wird ver schleudert, wenn der Zins seine Steuerungsfunktion einbüßt. Das sehen wir leider auch bei dem uns aktuell vorliegenden Haushaltsentwurf.

Man kann Geld nicht essen, aber man kann es verfrühstücken. In den Koalitionsfraktionen wird davon ausgegangen, dass der Geldsegen in Baden-Württemberg weiterhin anhält. Wie im Alten Testament das Volk der Israeliten, die das Manna, das Himmelsbrot, während des Tages aufaßen, weil es nachts ver darb und sie auf Gott vertrauten, dass am nächsten Tag wie der Brot für alle vom Himmel gefallen in der Wüste liegen wird, so gibt die Landesregierung heute ihr Geld aus, weil sie davon ausgeht, dass es weiterhin Manna vom Himmel regnen wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das Vertrauen – lachen Sie nicht – der Israeliten in Gott war, wie wir wissen, berechtigt. Allein mir fehlt der Glaube und das Vertrauen in das Handeln der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.

Ich komme zum Schluss: Der Sündenfall Ihrer Regierung ist, dass man sich jetzt, in den allerbesten Zeiten, gegen den Geist der 2012 gesetzten Maßstäbe nicht mehr an seine eigenen Ver sprechungen gebunden fühlt. Sie verstoßen gegen den Geist Ihrer eigenen Prinzipien.

Die FDP/DVP-Fraktion lehnt den Doppelhaushalt 2018/2019 in der vorliegenden Fassung ab.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])