Protocol of the Session on November 15, 2017

Ich glaube, es gehört schon ein besonderer Hang zur Komik dazu, das Vorhaben, in den kommenden beiden Jahren insge samt 500 Millionen € zur Tilgung von Kreditmarktverbind lichkeiten zu verwenden, als historische Trendwende zu titu lieren. Zunächst dürfen wir darauf hinweisen, Frau Finanzmi nisterin: In dem von Ihnen bislang vorgelegten Haushaltsent wurf steht kein müder Euro für die Tilgung von Kreditmarkt verbindlichkeiten. Wir gehen jetzt einmal zu Ihren Gunsten

davon aus, dass das in den nächsten Wochen noch nachgeholt werden wird. Wir dürfen aber doch daran erinnern, dass Sie nach den bisher geltenden Regelungen der Landeshaushalts ordnung eigentlich verpflichtet gewesen wären, in den kom menden beiden Jahren mehr als 2,4 Milliarden € für die Til gung von Kreditmarktverbindlichkeiten zu verwenden. Nach den Ergebnissen der November-Steuerschätzung wären dies bereits 3,7 Milliarden €. In Ihrem Haushaltsentwurf, Frau Mi nisterin, ist aber – ich wiederhole mich jetzt – kein müder Eu ro für die Schuldentilgung enthalten.

Erst durch den Kunstgriff, den Begriff der impliziten Ver schuldung inflationär zu verwenden, und zwar für fast jede zusätzliche Aufgabe, drücken Sie sich vor der Verpflichtung, tatsächlich die Schulden zurückzuführen.

Wir fordern Sie deshalb dringend auf, unserem Gesetzesvor schlag zuzustimmen, den mein Kollege Peter Hofelich in der vergangenen Woche hier im Landtag eingebracht hat. Nur mit diesem Gesetz schaffen wir Klarheit. Explizite und implizite Schulden werden dann getilgt, wenn wir für künftige Pensi onsausgaben ansparen, wenn wir mehr in Gebäude und Stra ßen investieren, als wir abschreiben müssen, und wenn wir tatsächlich vorhandene Kredite tilgen. Alles andere ist unse riös, Frau Finanzministerin.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich: Machen Sie Schluss mit einer Haushalts politik, die es letztlich ins Belieben der Regierung bzw. der Regierungsfraktionen stellt, welche Ausgaben des Landes zur Tilgung sogenannter impliziter Schulden umetikettiert wer den.

Irreführend ist auch die Ansage der Fraktionsvorsitzenden von Grünen und CDU, weitere „Schulden“ in Höhe von 1,5 Mil liarden € durch das Streichen von Einnahmeresten zu tilgen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte es Ihnen einmal so erklären, dass es auch wirklich jeder versteht. Wenn Sie einen Dispokreditrahmen haben, den Sie nicht in Anspruch nehmen, und es in Ihr Konto jeden Monat ordentlich Geld hi neinregnet, wie es derzeit der Fall ist, dann ist es nicht wirk lich eine Leistung, die Dispolinie zu verkleinern oder auf null zu setzen. Das, was Sie hier zaubern, ist schlicht und einfach Voodoo. Sie bauen damit keinen einzigen Euro tatsächlicher Schulden ab.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP – Zu ruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Bei den Ermächtigungen geht es um Schulden, Herr Kollege Reinhart, die es überhaupt nicht gibt. Sich deswegen für das Streichen dieser Ermächtigungen feiern zu lassen ist schlicht und einfach absurd. Die Verschuldung des Landes bleibt näm lich völlig unabhängig davon, ob Sie den Einnahmerest strei chen oder nicht, unverändert bestehen. Kreditmarktschulden werden eben nur dann abgebaut, wenn tatsächlich vorhande ne Kredite zurückgezahlt werden. Selbstverständlich können wir heute in dieser Richtung bereits sehr viel mehr machen, als Sie, Frau Ministerin, vorschlagen. Wir, die SPD-Fraktion, schlagen deswegen vor, im vorliegenden Doppelhaushalt ins gesamt doppelt so viele Schulden zu tilgen, wie Grüne und CDU es tun wollen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Wir stellen damit 1 Milliarde € zur Verfügung, um Kredit marktschulden in dieser Höhe zu tilgen, und zwar echte, wirk lich vorhandene Schulden, nicht imaginäre Schulden. Das ent lastet uns und vor allem die nachfolgenden Generationen in der Zukunft erheblich und tatsächlich.

Sie behaupten, Sie hätten bereits in diesem Haushaltsjahr strukturell gespart und würden im nächsten und übernächsten Jahr nochmals viel Geld sparen. Diese Behauptung ist falsch, und wir gehen davon aus, dass Sie das wissen. Wir haben nachgefragt und haben entweder keine Antwort oder Antwor ten bekommen, die zeigen, dass Sie nicht strukturell einge spart haben.

Ein Beispiel: 450 Millionen € sparen Sie dadurch ein, dass Zinsausgaben, die Sie ursprünglich eingeplant hatten, nicht anfallen. Glückwunsch, Frau Finanzministerin. Das ist eine reife Leistung der Landesregierung. Herzlichen Glückwunsch. Kompliment dazu.

(Beifall bei der SPD)

Ein anderer positiver Effekt: 100 Millionen € sparen Sie bei der Erstattung an die Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen ein. Dies ist aber auch nicht weiter verwunder lich, weil inzwischen deutlich weniger Flüchtlinge ankommen und damit die Kosten tatsächlich sinken. Es handelt sich hier lediglich um einen realistischeren Ansatz für eine Haushalts position. Als Konsolidierung eines Haushalts kann das ja wohl nicht ernsthaft bezeichnet werden.

(Beifall bei der SPD)

16 Millionen € mehr holen Sie bei den Einnahmen aus Geld strafen und Gebühren in den Ministerien herein. Unsere Nach fragen haben ergeben: Diese Einnahmen sind nichts anderes als ein realistischerer Ansatz im Haushalt. Auch dies, Frau Mi nisterin, ist – ich hoffe, Ihnen ist das Stilmittel der Ironie be kannt – eine reife Leistung. Herzlichen Glückwunsch!

Es gibt lediglich zwei Ausnahmen, wo Sie wirklich Geld spa ren. Sie haben die Mittel für Städte, Gemeinden und Land kreise gekürzt, und Sie haben Studiengebühren für ausländi sche Studierende eingeführt.

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Finanzminis terin: Sind dies aus Ihrer Sicht die richtigen Prioritäten, die hier gesetzt werden? Ich sage Nein und konstatiere: Die ers te Amtshandlung der grün-schwarzen Koalition war die Trend wende im kommunalen Finanzausgleich, wenn Sie so wollen, eine historische Trendwende; denn nach Jahren der Entlas tung wurde der Vorwegabzug wieder kräftig erhöht. Vor al lem die Städte und Gemeinden, die es besonders nötig haben, verlieren richtig viel Geld, und dies jedes Jahr, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Klaus Dürr AfD – Abg. Tobias Wald CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Wenn Sie sich hier dafür rühmen, mit zwei Mal 250 Millio nen € in die Kreditmarktschuldentilgung zu gehen, zitiere ich Herrn Kehle, den Präsidenten des Gemeindetags, der nämlich zutreffend sagt:

Wer hat das Lob für den Schuldenabbau wirklich ver dient? Letztlich zahlen die Kommunen die Schuldentil gung des Landes.

Frau Finanzministerin, wenn Sie sich schon von den Kommu nen Ihre Schulden zahlen lassen müssen, dann sagen Sie das auch den Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Ich möchte gerade am Beispiel der Kommunen deutlich ma chen, wo das Problem in diesem Landeshaushalt liegt. Die Gemeinden haben das Vertrauen in diese Landesregierung nämlich verloren. Lassen Sie sich eines gesagt sein: Ihre Po litik zeugt nicht von der nötigen Wertschätzung für die Arbeit der Kommunen. Abermals müssen wir Ihnen attestieren: Die se Landesregierung setzt den im letzten Landeshaushalt be gonnenen kommunalfeindlichen Kurs fort.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was? – Weitere Zu rufe)

Wenn ich das Bild von Herrn Schwarz vom Hausbau aufneh men darf: Herr Schwarz, Sie haben wunderbar, in bunten Bil dern vom Hausbau gesprochen, was den Landeshaushalt an geht. Ich darf Ihnen eines sagen: Wer die Kommunen in die ser Weise behandelt, wie Sie es tun, wer sich nicht mit den Kommunen auf eine gemeinsame Lösung einigt,

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

der vergisst bei seinem Hausbau schlicht und einfach, das Erd geschoss zu errichten. Wer das tut, bleibt im Keller sitzen, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich möchte noch einmal daran erinnern, wie Sie die Kommu nen im Landeshaushalt 2017 geschröpft haben,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wohnraumförde rung, kommunaler Sanierungsfonds, Schienenfahr zeuge und vieles mehr!)

indem Sie die Vorwegentnahme im Finanzausgleichsgesetz um 321 Millionen € erhöht haben. Die Wirklichkeit, die Sor gen und Nöte der Kommunen blenden Sie dabei aus. Dass die ser Haushaltsentwurf ohne den Bericht der Gemeinsamen Fi nanzkommission eingebracht wurde, ist aus unserer Sicht ein schwerer Fehler.

Wie Sie mit den Kommunen umgehen und welche Bedeutung Sie ihnen zuschreiben, haben Sie allen Menschen in BadenWürttemberg Ende September gezeigt. Die kommunalen Lan desverbände haben aus unserer Sicht einen sinnvollen Vor schlag gemacht, wo Kofinanzierung vieler wichtiger Zu kunftsprojekte vorgesehen ist. Sie, Frau Ministerin, konnten sich mit den Kommunen nicht einigen, Sie haben die Forde

rungen der Kommunen zurückgewiesen. Das ist ein schwerer Fehler in diesem Haushalt des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Allein an diesem Vorgehen wird Ihre Geringschätzung für Ge meinden, Städte und Landkreise deutlich.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Das ist nicht eine Einzelmeinung von mir, sondern das ist das Empfinden aller Repräsentanten auf der kommunalen Ebene, auch der Repräsentanten der kommunalen Landesverbände.

Wer noch Zweifel daran hat, soll sich einfach die Pressemit teilung der kommunalen Landesverbände vom 8. November durchlesen. Darin heißt es – ich zitiere –:

„Kommunale Interessen bleiben im Haushaltsentwurf nun nahezu unberücksichtigt. Das wird den Herausforderun gen, vor denen Städte, Gemeinden und Landkreise stehen, nicht gerecht“, bemängeln Roger Kehle (Präsident des Gemeindetags), Joachim Walter (Präsident des Land kreistags) und Dieter Salomon (Präsident des Städtetags).

Dieter Salomon, Grüne!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie den Men schen heute Morgen hier erzählt haben, ist schlicht und ein fach nicht die Wahrheit. Die Kommunen fühlen sich von Ih nen nicht richtig und nicht gut behandelt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Es wäre richtig, gerade jetzt den Kommunen an die Seite zu treten; denn auch die Zielsetzungen des Koalitionsvertrags lassen sich tatsächlich nur mit den Kommunen gemeinsam verwirklichen. Ich zitiere:

„Wenn die Kommunen für das Land neue und zusätzliche Ziele erledigen sollen, dann müssen sie dazu auch finan ziell in die Lage versetzt werden, denn ihre bisherigen Aufgaben bleiben ja weiterhin erhalten...“, machen die Kommunalvertreter deutlich.

Deswegen – ich zitiere weiter –:

„Wir bedauern außerordentlich, dass die kommunalen Aspekte keinen Eingang in den Entwurf des Doppelhaus halts gefunden haben, insbesondere weil wir die Gemein same Finanzkommission als wichtige Institution ansehen, um die notwendigen Finanzentscheidungen zwischen Land und Kommunen frühzeitig und fundiert vorzubereiten. Viele

ich sage ausdrücklich: in den letzten fünf Jahren, in der vor herigen Regierungszeit –

erfolgreich abgeschlossene Verhandlungsrunden oder Pak te mit einvernehmlichen Empfehlungen an Landtag und Landesregierung zur Umsetzung gemeinsamer politischer Ziele unterstreichen dies eindrucksvoll“, betonen die drei Präsidenten.