Protocol of the Session on November 15, 2017

(Zuruf: Ist er immer noch hier?)

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ist das die Ab schiedsrede, Herr Kollege?)

Sie werden ja sehen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren Ab geordnete! Mit ihrer diesjährigen Rede zum Doppelhaushalts plan knüpft unsere Finanzministerin Sitzmann an ihre Leis tung – wenn man das denn so nennen will – des Vorjahres an.

Was wir in der vergangenen Woche hier im Plenarsaal erlebt haben, war ein weiteres fast einstündiges Phrasenfestival vol ler so absehbarer wie weitgehend sinnbefreiter Plattitüden.

Eigentlich hatte ich gedacht: Das lässt sich nicht mehr stei gern. Dann hat mich Herr Schwarz heute aber eines anderen belehrt. Doch, da geht noch mehr, das ist noch steigerungsfä hig. Herr Schwarz hat noch ein paar Plattitüden draufgesetzt.

Bei Herrn Reinhart ist das etwas anders. Ihre Worte, Herr Kol lege, höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich darf kurz Bezug nehmen auf Ihr Hohelied des Föderalismus und der Ei genständigkeit der Länder. Da sind wir ja völlig bei Ihnen; das wissen Sie auch. Aber schauen Sie sich einmal die von Ihnen mit gebilligte Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehun gen an, dann werden Sie sehen, dass die Eigenständigkeit mas siv leidet. Wer zahlt, bestimmt.

(Beifall bei der AfD)

Wir hängen mehr denn je am Gängelband des Bundes. Dem haben Sie zugestimmt. Deswegen fehlt mir da ein wenig der Glaube.

Doch zurück zu den Plattitüden. Wir können ein weiteres Mal froh sein, dass wir nicht für jede dieser Phrasen einen Euro ins Phrasenschwein haben einzahlen müssen; denn ansonsten wäre das auch mit einer minimalen Schuldentilgung sicher lich nichts geworden. Vielmehr stünde uns sonst trotz Rekord steuereinnahmen eine horrende Neuverschuldung bevor.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das haben sie ihm alles aufgeschrieben!)

Gut, dass zumindest das abgewendet werden konnte. – Ja, Herr Schwarz, das ist wahrscheinlich aufgeschrieben, wenn ich auf Sie Bezug nehme. Denken Sie einmal nach, falls es gelingt.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)

Neue Schulden sind durch die Phrasendrescherei also keine entstanden – immerhin. Doch wurden, wie behauptet, beste hende Schulden getilgt? Nein, auch das nicht. Hier wird es dann mehr als nur ein Ärgernis, verehrte Frau Ministerin; denn was Sie hier in der letzten Woche in Ihrem langatmigen, nicht enden wollenden Sermon der Selbstbeweihräucherung vorge tragen haben, war doch eine bewusste Volksveräppelung. An ders sind Ihre Ausführungen nicht zu verstehen.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Denn im vorliegenden Haushaltsplan stellen Sie faktisch kei nen einzigen Euro zur Schuldentilgung zur Verfügung. Wenn Sie behaupten, dass durch das Streichen alter Kreditermäch tigungen Schulden getilgt werden, dann muss ich Ihnen ent gegnen, dass nicht vorhandene Schulden auch nicht getilgt werden können.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist eigentlich simpel!)

Es reicht völlig aus, einfach nur die Ermächtigung nicht in Anspruch zu nehmen. Das ist eigentlich ganz logisch, aber

vermutlich gerade deshalb für unsere Landesregierung, deren Stärke sicherlich nicht im logischen Denken liegt, nicht ganz nachvollziehbar.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Wer es mit der Logik nicht so hat, der muss nun einmal auf dreiste Taschenspielertricks und blumige, sinnfreie und nichts sagende Wohlfühladjektive zurückgreifen. Triviale Billigly rik statt dringend gebotener knallharter Haushaltsprosa – ei ne schon ins Peinliche reichende Beleidigung für dieses Par lament. So glaubt man wohl, in kleingeistiger Arroganz der Macht seine erbarmungswürdige Einfallslosigkeit kaschieren zu können – was ein weiterer Irrtum ist, Frau Ministerin.

Selbst wenn Ihre Behauptung, in den kommenden zwei Jah ren 500 Millionen € de facto zu tilgen, stimmen würde, wäre das in Anbetracht der Rekordsteuereinnahmen – da habe ich die Steuerschätzung noch gar nicht einbezogen – doch immer noch lächerlich bei einem Schuldenberg von fast 50 Milliar den €.

(Beifall bei der AfD)

Tilgen im Schildkrötentempo: Wenn wir in dem Tempo tilgen, wie Sie es letzte Woche voller unbegründetem Eigenlob an gekündigt haben, wäre Baden-Württemberg in etwa 200 Jah ren schuldenfrei – und das bei der Steuereinnahmesituation, auf die Sie selbst ja immer wieder verweisen, die famoser gar nicht sein könnte.

200 Jahre alt und etwa doppelt so viele Kilogramm schwer ist Esmeralda, die mutmaßlich älteste noch lebende Schildkröte der Welt. So behäbig, wie Esmeralda sich im Alltag bewegt – Fernsehbilder belegen das –, ist die Landesregierung bei der Schuldentilgung.

(Beifall bei der AfD)

Esmeralda wird wahrscheinlich ein schuldenfreies BadenWürttemberg nicht mehr erleben; ich habe da jedenfalls Zwei fel. Nicht, dass es Esmeralda besonders interessieren würde,

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

aber die Bürger dieses Landes, Frau Ministerin, die interes siert das sehr.

Dass in wirtschaftlich ganz guten Zeiten nicht nennenswert getilgt wird, ist an sich schon ein unverzeihliches Vergehen an der kommenden Generation. Die darf eines Tages die Ze che zahlen, weil die Politik von heute mal wieder zu lethar gisch, zu mutlos war. Das ist das Problem.

Übrigens, verehrte Frau Ministerin: Dass es aktuell wirtschaft lich im Ländle noch ganz gut läuft – worauf Sie mehrfach hin gewiesen haben, und zwar zu Recht –, hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit der aktuellen Landesregierung und schon erst recht nichts mit Ihrer verkorksten Haushaltspolitik zu tun.

Sie, Frau Ministerin, und Ihre Landesregierung begreifen im mer noch nicht, dass Politik das Morgen gestaltet, nicht das Heute. Sie tragen keinerlei Verantwortung für das Heute, und Ihnen gebührt auch keinerlei Lorbeer dafür, auch wenn Sie

sich den diebisch umzuhängen versuchen. Sie verantworten mit Ihrem Haushalt – machen Sie sich das bitte bewusst – al lein das Morgen. Dank Ihrer komplett verfehlten Schwer punktsetzung, auf die ich noch eingehen werde, wird es in die sem Morgen in nicht allzu ferner Zukunft ein bitterböses Er wachen geben.

Frau Ministerin, Sie sagten, dass gute Steuereinnahmen aller orten die Erwartungen wecken würden, teilweise überborden de Erwartungen, nach dem Motto: Wann, wenn nicht jetzt, das Geld mit vollen Händen ausgeben?

(Zuruf: Genau!)

Weiter sagten Sie – ich zitiere –:

Aber die größten Fehler werden bekanntlich in guten Zei ten gemacht. Wir dagegen wollen die guten Zeiten nutzen, um für schlechtere vorzusorgen.

Ja, Frau Sitzmann, täten Sie das bloß! Grundsätzlich ist das ja völlig richtig, was Sie da sagen. Aber bei so einer Haushalts planung, wie Sie sie hier vorlegen, werden die schlechten Zei ten mit Gewissheit schneller kommen, als Sie das beabsichti gen und ahnen.

Nun, vorgesorgt haben Sie ja für die schlechten Zeiten – al lerdings in erster Linie für sich selbst. Wir erinnern uns – es ist noch nicht lange her – an dieses unsägliche Selbstbereiche rungsgesetz, das in einer Nacht- und Nebelaktion von den hier anwesenden Kartellparteien beschlossen wurde

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Oh-Rufe)

und das u. a. eine Verdopplung der Mitarbeiterpauschale, ei ne Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschale um ein Drittel vorgesehen hat – aber dazu später noch ein paar Worte.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das sagt der Richtige! Sie sind dazu berufen! Meine Güte! Der glaubwürdigste Vertreter! – Abg. Andreas Stoch SPD: Wer hier im Raum will zwei Mandate gleichzeitig ausüben? – Vereinzelt Beifall)

Herr Stoch, darauf komme ich gleich noch zu sprechen. War ten Sie es ab. Das habe ich mir als Schmankerl speziell für Sie zum Ende der Rede aufbewahrt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Da sind wir aber gespannt!)

Ich nehme übrigens aktuell ein Mandat wahr. Das haben Sie nur immer noch nicht begriffen. Ich werde es Ihnen aber dar legen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Da sind wir einmal ge spannt!)

Da hier schon wieder einige aufstöhnen, wenn ich von den Kartellparteien spreche – das hat schon fast Tradition; wir sa gen: „Kartellparteien“, Sie regen sich wahnsinnig auf,

(Heiterkeit bei der AfD – Abg. Nicole Razavi CDU: Haben Sie etwas gehört?)

weil Sie diese Formulierung einfach nicht verstehen –,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)