Protocol of the Session on April 6, 2017

Deshalb darf es uns nicht gleichgültig sein, wenn vom Reli gionsunterricht abgemeldete Kinder oft mehrere Schuljahre ohne fundierte Werteerziehung zubringen, zumal es sich um entscheidende, ja um prägende Jahre handelt. Dass Ethikun terricht erst ab Klasse 7 angeboten wird, ist nach Auffassung der FDP/DVP-Landtagsfraktion ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP)

Religionsunterricht der unterschiedlichen Bekenntnisse aner kannter Glaubensgemeinschaften und Ethikunterricht verste hen wir Liberalen als gleichwertige Alternativen. Unser Ziel ist ein Angebot, das jedem jungen Menschen von Klasse 1 an den Besuch des Religions- oder Ethikunterrichts seiner bzw. ihrer Wahl ermöglicht.

Wir Freien Demokraten traten deshalb stets und treten nach wie vor für den Ausbau eines flächendeckenden Angebots an islamischem Religionsunterricht an allen Schulen ein, der mit dem Grundgesetz im Einklang steht und von in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern erteilt wird. Weil uns das so wichtig ist, wiederhole ich diesen Satz: Wir treten für ein flächendeckendes Angebot an islamischem Religionsun terricht an allen Schulen ein, der mit dem Grundgesetz im Ein klang steht und von in Deutschland ausgebildeten Lehrerin nen und Lehrern erteilt wird.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP)

Nach unserer Auffassung ist der Ausbau des islamischen Re ligionsunterrichts eine der derzeit wichtigsten bildungs- und integrationspolitischen Aufgaben unseres Landes. Wenn wir den islamistischen Hasspredigern in den Hinterhöfen wirklich den Boden entziehen wollen, muss uns diese Aufgabe allen Schweiß der Edlen wert sein, liebe Kolleginnen und Kolle gen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Diese Aufgabe wird zweifellos einigen Schweiß kosten. Ins besondere müssen wir alles dafür tun, die hier ausgebildeten islamischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer auch hier zu halten. Es darf eben nicht passieren, dass zu wenige Lehrerstellen zur Verfügung stehen und die Nachwuchslehr kräfte in andere Bundesländer abwandern.

Hilfreich könnte bei der Lehrergewinnung generell die Mög lichkeit sein, deutlich früher als bisher eine Einstellungszusa ge zu geben. Wir Freien Demokraten wollen den Schulen mehr Eigenverantwortung bei der Auswahl ihres Personals geben. In der damaligen CDU-FDP/DVP-Regierungskoaliti on konnte erreicht werden, dass rund zwei Drittel der Lehrer stellen insgesamt schulbezogen ausgeschrieben wurden. Die se Zielmarke gilt es aus unserer Sicht zumindest wieder zu er reichen. Wenn sich angehende Lehrer gezielt auf eine Schule ihrer Wahl bewerben können, erhöht dies ohne Zweifel die At traktivität ihres Arbeitsplatzes.

Erfreulich ist die Zahl der Bewerber für das Fach „Islamische Theologie“ an den vier Pädagogischen Hochschulen und am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen zum Wintersemester 2016/2017. Laut Stellungnahme des Kul tusministeriums zu unserem Antrag gibt es 160 bzw. 77 Be werbungen. Dies könnte ein Hinweis auf ein wachsendes In teresse an einer Tätigkeit als Lehrerin oder Lehrer in diesem Bereich sein.

Mit dem heute vorliegenden Antrag fordert die FDP/DVPFraktion erstens, eine Erhebung des Bedarfs an Lehrerstellen für ein flächendeckendes bedarfsgerechtes Angebot von isla mischem Religionsunterricht an den Schulen durchzuführen, zweitens, Lehrerstellen in einem Umfang auszuweisen, der den Bedarf an entsprechend ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern für ein flächendeckendes Angebot an islamischem Religionsunterricht an den Schulen in Baden-Württemberg deckt und zugleich den Absolventinnen und Absolventen der hierfür eingerichteten Lehramtsstudiengänge und Vorberei tungsdienste eine berufliche Perspektive eröffnet.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Personal kapazitäten, sondern auch die Unterrichtsinhalte müssen im Zentrum unserer Aufmerksamkeit und unserer Anstrengun gen stehen. Wenn der islamische Religionsunterricht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ste hen soll, dann muss dies auch für die ihn tragenden Persön lichkeiten und Institutionen gelten.

Die Vorwürfe, dass zwei Imame des türkischen Islamverbands DITIB in Nordrhein-Westfalen fünf Lehrer bespitzelt und sie als vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung an die tür kische Religionsbehörde nach Ankara gemeldet hätten, wie gen schwer. Ich frage deshalb den Staatssekretär im Kultus ministerium und den Innenminister: Hat die Landesregierung Erkenntnisse über ähnliche Vorgänge in Baden-Württemberg? Inzwischen ermittelt immerhin auch die Bundesanwaltschaft gegen DITIB – und die grün-schwarze Koalition im Land streitet sich über die Frage, ob DITIB weiterhin zum „Run den Tisch der Religionen“ eingeladen werden soll.

(Abg. Anton Baron AfD: Verrückt! Verrückt!)

Die FDP/DVP-Fraktion hält es für erforderlich, dass sich DITIB in Baden-Württemberg zu den Spionagevorwürfen er klärt und diese entkräftet werden können.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Bern hard Lasotta CDU und Stefan Räpple AfD)

Anders ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit DITIBVertretern im Projektbeirat zum islamischen Religionsunter richt nicht möglich bzw. ein Verbleib in dieser Funktion kaum tragbar, wollen wir den Erfolg dieses bedeutsamen Integrati onsprojekts nicht gefährden.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr richtig!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Wo er recht hat, hat er recht!)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich der Kollegin Lösch.

Liebe Kolleginnen und Kol legen! Das Thema „Ausbau des islamischen Religionsunter richts“ ist ein wichtiges Thema. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir heute die Möglichkeit haben, im Plenum darüber zu diskutieren.

(Abg. Anton Baron AfD: Lob von den Grünen!)

In der Sache sind sich alle demokratischen Parteien im Land tag einig: Islamischer Religionsunterricht an Schulen ist ein wichtiger Bestandteil der Integration. Für junge Muslime ist es wichtig, dass ihr Religionsunterricht wie andere Fächer auch ganz normal zum Schulalltag gehört. Er bietet ihnen ei ne gute Möglichkeit, sich differenziert mit der eigenen Reli gion auseinanderzusetzen, und ist eine gute Alternative zu den Moscheevereinen, wenn das Wissen über Religion und den Glauben innerhalb der Schulgemeinschaft vermittelt werden kann.

(Abg. Anton Baron AfD: Welcher Islam soll da ge lehrt werden?)

Die Lehrkräfte in diesem Bereich sind an Hochschulen aus gebildete Pädagogen, die in einem Dienst- oder Arbeitsver hältnis mit dem Land stehen. Der islamische Religionsunter richt findet unter staatlicher Schulaufsicht in deutscher Spra che statt.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Angebot zu einem fried lichen Miteinander der Religionen an den Schulen im Land beiträgt und dass das Verständnis der Schülerinnen und Schü ler für ihre eigene Religion, aber auch für die ihrer christli chen Mitschülerinnen und Mitschüler gestärkt wird.

(Beifall bei den Grünen)

Allerdings darf man die Erwartungen auch nicht überfrach ten. Der islamische Religionsunterricht kann damit präventiv wirken. Doch Schule und Unterricht allein können nicht das Problem der Radikalisierung junger Menschen lösen.

Das Thema ist uns so wichtig, dass wir es im Koalitionsver trag verankert haben:

Wir werden das Modellprojekt zum islamischen Religi onsunterricht weiter ausbauen. Überall dort, wo er nach gefragt wird, wollen wir den islamischen Religionsunter richt ermöglichen. Wir streben an, dass sich aus dem Mo dellprojekt ein regulärer islamischer Religionsunterricht entwickeln kann.

Im Mai 2014 hat die grün-rote Landesregierung beschlossen, das 2007 in Kraft getretene Modellprojekt um weitere vier Jahre zu verlängern. Zum Beginn des Schuljahrs 2016/2017 hat sich die Anzahl der Schulen, die an dem Modellprojekt teilnehmen, auf 93 erhöht. Das heißt, 28 neue Schulen konn ten am Modellprojekt teilnehmen. Es sind übrigens Schulen aller Schularten dabei, von Grundschulen über Gymnasien, Realschulen, Gemeinschaftsschulen bis hin zum sonderpäda gogischen Bildungszentrum. Aber leider konnten nur ca. die Hälfte der Schulen, die einen Antrag gestellt haben, berück sichtigt werden. Dies ist in der Tat nicht zufriedenstellend.

Ca. 5 900 Schülerinnen und Schüler im Land nehmen an is lamischem Religionsunterricht teil. Das entspricht laut Kul tusministerium nur 2 % der muslimischen Schülerinnen und

Schüler. Das heißt, insoweit besteht noch dringender Ausbau bedarf.

Was sind die Gründe dafür? Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fehlen schlicht und einfach die Lehrerinnen und Lehrer, die die vorhandenen Lehrerstellen besetzen können. Da nützt uns auch der Antrag der FDP/DVP nichts,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Doch! Aber selbst verständlich!)

eine Bedarfserhebung zu machen oder Lehrerstellen auszu weisen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, wir wissen doch, dass die Nachfrage nach ausgebildeten Lehr kräften bei Weitem die vorhandenen Bewerberzahlen über steigt.

An der Anzahl der Studienplätze kann es nicht liegen, da das Wissenschaftsministerium die entsprechenden Kapazitäten ausgeweitet hat. Leider aber ist bisher eine eher zurückhalten de Nachfrage zu verzeichnen. Das heißt, unsere Aufgabe ist es doch jetzt, dafür zu werben, um genügend Interessentinnen und Interessenten zu finden, die islamische Theologie oder is lamische Religionspädagogik an den Pädagogischen Hoch schulen oder im Rahmen eines Lehramtsstudiums am Zent rum für Islamische Theologie der Universität Tübingen stu dieren wollen.

Ein Punkt, der im Antrag überhaupt nicht angesprochen wur de, ist die noch nicht geklärte Trägerschaft des Religionsun terrichts. Sie wissen, dass dazu im November 2015 ein Pro jektbeirat mit Vertreterinnen und Vertretern der vier maßgeb lichen muslimischen Verbände eingerichtet wurde. Ziel des Projektbeirats ist es, dass die islamischen Verbände nach Be endigung des Modellprojekts die gemeinsame Trägerschaft für den islamischen Religionsunterricht übernehmen.

Dieses Einbeziehen der Verbände ist nicht ganz unproblema tisch, da jeder der vier Verbände zweifelsfrei für sich die ge setzlichen Voraussetzungen erfüllen muss, ob dies nun Staats ferne, Rechtstreue und insbesondere eben auch die Verfas sungstreue ist. Die Überführung in die vorgesehene Träger schaft ist deshalb noch nicht möglich, weil es aufseiten der is lamischen Verbände an solchen fehlt, die die Voraussetzun gen zweifelsfrei erfüllen. So werden beispielsweise die Ent wicklungen bei DITIB vom Kultusministerium im Austausch mit anderen Behörden und Ländern sehr aufmerksam und kri tisch verfolgt. Wir müssen eben abwarten, bis Rechtssicher heit besteht.

Zum Schluss lassen Sie mich sagen: Wir dürfen nichts über stürzen, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Für uns ist das Ziel der Einführung des islamischen Religionsun terrichts einer der wichtigsten Punkte bei der Umsetzung des Integrationsgedankens. Wir werden alles nur Mögliche dafür tun, den islamischen Religionsunterricht schnellstmöglich re gulär einzuführen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort Frau Kollegin Felder.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Religionsunterricht

an den Schulen unseres Landes ist ein kostbares Gut, ist ein elementarer Bestandteil unserer Bildungspolitik und ist die konkrete Umsetzung ethischer Normen in den Lehr- und Un terrichtsplan.

Lassen Sie mich eines vorausschicken: Die Religionsfreiheit ist ein Grund- und Menschenrecht. In Zeiten wie diesen ist es hilfreich, daran zu erinnern. Diese Grundüberzeugung defi niert, wie wir die konkrete Umsetzung in Baden-Württemberg gestalten wollen.

Erstens: Ja, es ist richtig und gut, dass auch islamischer Reli gionsunterricht an unseren Schulen stattfindet und Teil unse res Bildungsauftrags ist.

Zweitens: Dieser Religionsunterricht muss ohne Einschrän kung unter der Dienstaufsicht unseres freiheitlichen Rechts staats stehen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig!)

Drittens: Für diesen islamischen Religionsunterricht gilt die Vorgabe unserer Verfassung: Offenheit, freiheitliche demo kratische Grundordnung und kooperatives Miteinander.