Protocol of the Session on February 9, 2017

Nicole Razavi, du bist nachher auch noch dran. Also bitte zurückhalten.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Nicole Razavi CDU: Au ja!)

Meine Damen und Herren, vorhin wurde ja schon aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Vollmundig steht darin: „Zukunfts fähiges Mobilitätsland“. Eine „Zukunftsoffensive für Bahnen und Busse“ wurde versprochen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Schön, gell?)

So steht es in dem edlen Papier, dem Koalitionsvertrag. Nach wenigen Wochen und Monaten haben Sie sozusagen schon die Mühen der Ebene erreicht.

In dem Haushaltsentwurf, den wir heute hier diskutieren, wird der Unterschied zwischen dem schwarz-grünen Anspruch in Papier und der schwarz-grünen Realität in diesem Haushalts entwurf ganz klar.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Die Reihenfolge ist gut!)

Ich nenne Ihnen einige Beispiele. So wurde z. B. der Erhalt von Landesstraßen jetzt zwar mehrfach gelobt, aber Sie ha

ben es gerade einmal geschafft, auf einen Haushaltsansatz in einer Höhe zu kommen, wie wir sie ungefähr schon hatten. Sieht so die in Ihrem Koalitionsvertrag angekündigte Inves titionsoffensive Straße aus? Wir sehen nicht, dass da irgend eine besondere Investitionsoffensive gestartet wurde.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Jetzt hatte der Verkehrsminister, weil der Bund Mittel in gro ßer Höhe gibt, auf einmal die Chance, diese zu verbauen und sich mal so richtig als Straßenbauminister zu präsentieren. Trotzdem gelang es im letzten Jahr halt wieder nicht – das wurde schon kritisiert –, all diese Straßenbaumittel zu verbau en. Dann ist es übrigens völlig unerheblich, ob der Bund das jetzt so gestaltet hat, dass man die Mittel übertragen kann. Denn die sind ja in diesem Jahr da.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Das Problem in dieser Sache ist ja nicht nur, dass wir zu we nige Mittel haben, sondern auch die Planungen sind das Pro blem. Wir haben schlichtweg das Problem in den letzten Jah ren – zur Lösung haben wir schon eine erste Grundlage ge legt –, dass wir zu wenig Personal haben.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Wo?)

Wir haben viele Personalstellen geschaffen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ihr habt sie erst mal ab geschafft!)

Nein, nein. Wir haben sie geschaffen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ihr habt sie 2011 und 2012 erst mal abgeschafft!)

Es wurde gerade gefordert, dass man konstruktive Beiträge bringen soll. Das Problem ist schlichtweg, die Stellen, die neu geschaffen wurden, zu besetzen. Die Stellen sind da, die Köp fe fehlen. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen: dass Sie kei ne Personalentwicklungsstrategie haben, keine Strategie, wie wir diese Köpfe in die Landesverwaltung bekommen, um die vorhandenen Gelder abzurufen. Wir waren es, die in der letz ten Legislaturperiode in Mosbach den Studiengang für die Straßenbauverwaltung, für öffentliches Bauingenieurwesen gestartet haben. Das war ein Beitrag dazu.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Und das Ergebnis?)

60 Studierende, die dort sind und die bald irgendwo in der Straßenbauverwaltung im Land oder in den Kommunen zu gange sein werden. Solche Initiativen erwarten wir eigentlich von Ihnen.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha! Das will ich einmal sehen!)

Sie fehlen in diesem Haushaltsentwurf völlig.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, selbst der von den Grünen geprie sene und von uns für richtig gehaltene Ausbau von Radwegen

zählt offensichtlich nicht mehr zu den Herzensangelegenhei ten des Verkehrsministers. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Investitionssumme von 13 Millionen € im Jahr 2015 auf nur noch 4,2 Millionen € gesunken ist? Das unter SPDRegierungsbeteiligung aufgelegte dringend notwendige Rad weglückenschlussprogramm findet offensichtlich keine Fort setzung mehr in diesem Haushaltsentwurf. Statt die Lücken im Bestand zu schließen und bestehende Planungen für ein Landesradwegenetz umzusetzen wird nun in ein Radschnell wegenetz investiert,

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Wir machen beides!)

dessen Sinn und Zweck sich – zumindest auf den ersten Blick – nicht wirklich erschließt.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Dann sollten Sie mal Fahrrad fahren!)

Am deutlichsten wird dieser Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim öffentlichen Personennahverkehr. „Zu kunftsoffensive für Bahnen und Busse“, so steht es im Koali tionsvertrag. Der geneigte Leser könnte denken: „Respekt, da hat sich der Herr Verkehrsminister auf der ganzen Linie durch gesetzt.“ Aber wie sieht denn die Realität aus? Zuerst einmal werden die Mittel im Landesgemeindeverkehrsfinanzierungs gesetz, dem LGVFG, für den ÖPNV zugunsten des Straßen baus gekürzt. Das ist, denke ich einmal, das erste Armutszeug nis, diese angebliche „Zukunftsoffensive für Bahnen und Bus se“.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Beweise! Fakten! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Davon wissen wir nichts!)

Wie geht es überhaupt weiter mit dem LGVFG? Der Bund hat über die Zukunft des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgeset zes des Bundes entschieden. Das ist über das Jahr 2019 hin aus gesichert. Im Land erkennen wir keine Aktivitäten. Wir fordern Sie deshalb auf, schnell eine Nachfolgeregelung für das LGVFG zu treffen,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das werden wir machen!)

damit die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ab dem Jahr 2020 eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für den dringend notwendigen Ausbau des ÖPNV haben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hermann Kat zenstein GRÜNE)

Meine Damen und Herren, Sie haben sich hier mehrfach selbst gelobt, dass Sie eine Schienenverkehrsfinanzierung auf den Weg gebracht haben. Das ist grundsätzlich löblich und findet auch unsere Unterstützung. Sie haben fingergehakelt,

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

und dann wurde großartig ein Programm angekündigt, mit dem die Straßenbahnwagen und die Stadtbahnwagen im Land wieder gefördert werden sollen. Die Oberbürgermeister der betroffenen Städte – hier Stuttgart, Ulm u. a. – haben einen Brandbrief an den Ministerpräsidenten geschrieben: Sie se hen bei den Fahrzeugen einen Finanzierungsbedarf von 100 Millionen € im Jahr.

Die Regierung – ich sagte es bereits – hat ein Förderprogramm in Aussicht gestellt. Es ist auch etwas im Haushalt eingestellt. Aber wenn man genau hinschaut, erweist es sich als Mogel packung. Denn es werden lediglich Ersatzinvestitionen für al te und marode Straßenbahnen gefördert. Neubeschaffungen sind ausgeschlossen. Sie verweigern also die Finanzierungs unterstützung des dringend notwendigen Ausbaus des ÖPNV mit mehr Bahnen auf mehr Strecken in dichteren Takten. Städ te, die massiv in den Ausbau des Straßenbahnnetzes investie ren, lassen Sie mit dieser Regelung im Regen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kenne eine Stadt – Sie werden schon wissen, welche es ist –, dort sind zehn Straßenbahnen bestellt und sollen 13 alte, stinkende Dieselbusse außer Betrieb gestellt werden. Sie ist von Ihrem Förderprogramm nicht betroffen, sie bekommt kein Geld dafür.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Weil sie schon bestellt sind! Nachträglich geht nicht!)

Nein. Auch andere Städte, die jetzt erst bestellen würden, würden von diesem Förderprogramm ebenfalls nicht betrof fen sein. Sie können nach Ihren Regeln diese Förderung nicht in Anspruch nehmen. Es wird nur Ersatzbeschaffung finan ziert.

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, auch beim regionalen Schienenpersonennahverkehr gibt die Lan desregierung ein Bild des Jammers ab. Seit einem halben Jahr ist der regionale Schienenverkehr in einem katastrophalen Zu stand. Bei den Regionalverkehren, vor allem auf der Franken-, der Rems-, der Murrbahn, der Filstal- und der Neckartalbahn, sind massive Verspätungen und haufenweise Zugausfälle an der Tagesordnung. Die Fahrgäste steigen aus Verzweiflung schon wieder auf das Auto um.

Was macht der Verkehrsminister? Er lobt noch immer die ver meintlichen Erfolge seiner Ausschreibung

(Abg. Nicole Razavi CDU: Aber die habt ihr doch mitgetragen!)

und benennt jetzt einen Qualitätsbeauftragten. Herr Minister, so ein Thema delegiert man nicht an einen Qualitätsbeauftrag ten. Das muss täglich Chefsache sein.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Genau so ist es!)

Wo sind Ihre konkreten Vorschläge zur Behebung dieser Mi sere? Wo ist Ihr Beitrag,

(Abg. Anton Baron AfD: Er ist völlig überfordert!)