Protocol of the Session on November 9, 2016

Stärkung der Schularten: Natürlich brauchen wir analog zur zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft in allen Schul arten auch die Förderung der Schwächeren

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

und derjenigen, die wir gezielt in den Blick nehmen müssen. Dafür müssen wir die Lehrerinnen und Lehrer ertüchtigen, und dafür brauchen wir auch Maßstäbe.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Nur: Die grundsätzliche Frage, ob wir den ganzen Maßstab und eine ganze Klasse an denen orientieren, die am schwächs ten sind, ist die Frage, die wir uns künftig stellen müssen. Die sen Eindruck kann man durchaus haben.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD und der FDP/DVP – Glocke der Präsi dentin)

Frau Ministerin Dr. Eisen mann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Bullin ger zu?

Gern.

Frau Ministerin, Sie haben mit Recht die Ertüchtigung sowie die Fort- und Wei terbildung, die wie in jedem Beruf gerade auch bei unseren hervorragenden Lehrerinnen und Lehrern erforderlich sind, angesprochen. Sind Sie bereit, zukünftig vor allem in der Zeit von Ferien – wir sind ja bei sechs Wochen Urlaub und 14 Wo chen unterrichtsfreier Zeit – verstärkt Fort- und Weiterbil dungsangebote ins Gespräch zu bringen, statt immer, wie es sehr häufig geschieht, zum Schuljahresbeginn, wo Stunden ausfälle besonders häufig sind? Das wäre sicherlich eine Mög lichkeit der Fort- und Weiterbildung. Privat macht man es auch samstags und sonntags.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Herr Abg. Bullinger, das ist ein guter Hinweis, den man von Eltern und von vielen Partnern immer wieder hört. Wir werden darüber natürlich auch mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Verbänden sprechen. Da gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze. Ich persönlich teile Ihre Einschät zung durchaus; das sage ich auch hier in aller Offenheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Genauso werden wir überprüfen müssen – auch das ist ein Thema, über das wir gemeinsam diskutieren müssen –: Brau chen wir nicht eine gewisse Grundlage dafür, dass Lehrerfort bildungen zwingend werden? Es gibt Bundesländer, in denen es eine Pflicht zur Fortbildung im Lehrerbereich gibt, und es gibt Bundesländer, in denen es eine solche Pflicht nicht gibt. Vielleicht gibt es auch einen Mittelweg. Aber die Frage lau tet: Müssen wir nicht verstärkt darauf drängen, sich fortbil den zu lassen? Es gibt viele, die dies gern tun, aber wie über all gibt es auch viele, die keine Lust darauf haben, warum auch immer. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit wir dort ein Stück weit eingreifen sollten.

Ferner werden wir uns das Thema Evaluationen anschauen. Auch dies sage ich in aller Deutlichkeit. Die Schulen sind sehr damit beschäftigt, sich selbst zu evaluieren und fremdzueva luieren. Das ist – das sagen mir viele Schulen, Schulleiterin nen und Schulleiter – ein Selbstbeschäftigungsprogramm für Schulen. Die Frage ist, was für Erkenntnisse wir daraus zie hen. Genau deshalb betone ich erneut: Ich halte dies für zwin gend.

Wir haben dies im Rahmen von strategischem Qualitätsma nagement im Haus auch bereits eingeleitet; Sie werden in den nächsten Wochen konkrete Ansätze sehen und hören, wie wir das Thema Bildungscontrolling umsetzen wollen. Dabei geht es um die Frage: Welche Erkenntnisse haben wir, wo Schulen erfolgreich arbeiten? Wie sind dort die Parameter? Denn das müssen wir wissen, um denen, die es noch nicht auf diesen Stand geschafft haben, helfen zu können – nicht im Sinne von Schulbashing, sondern im Sinne von Beratung und Unterstüt zung sowie auch von Stärkung der Schulbehörden, um ge meinsam mit den Schulen an der Verbesserung der Qualität arbeiten zu können. Das ist hier in diesem Bundesland drin gend überfällig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Darüber hinaus gibt es natürlich weitere Themen; die regio nale Schulentwicklungsplanung ist ein Ansatz. Daran müssen wir weiter arbeiten. Beim Thema „Fachfremder Unterricht“ stehen wir im bundesweiten Vergleich im Übrigen nicht schlecht da.

Aber z. B. auch bei diesem Thema haben wir wie alle Bun desländer Nachholbedarf: Es ist bisher keinem Bundesland erfolgreich gelungen, Bildungschancen und soziale Herkunft voneinander zu trennen. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Auch in Baden-Württemberg besteht in diesem Zusammen hang noch Nachholbedarf.

Aber wir wissen z. B. aus der IQB-Länderstudie auch, dass die Jungs immer noch schlechter abschneiden als die Mäd chen. Auch da stellt sich die Frage, welche Schritte man hier gezielt angehen kann.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Mädchen sind fleißiger! Das weiß man!)

Herr Rülke, Sie haben mich direkt gefragt: „Gymnasium 2020“. Es stimmt: Das Konzept liegt im Kultusministerium in der Schublade. Und da bleibt es auch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der AfD und der FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie ein laden, dass wir mit Partnern aus der Bildungswissenschaft, mit Pädagoginnen und Pädagogen, mit Schulleiterinnen und Schulleitern diese Themen gemeinsam besprechen und erör tern, wie wir Qualität und Leistung zukünftig definieren.

Schule ist ein Ort der Wissensvermittlung.

(Abg. Anton Baron AfD: Der Leistung!)

Das muss künftig wieder stärker im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Natürlich ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist auch eine Aufgabe der Eltern, zu Hause die Bedeutung von Schule und die Wertschätzung gegenüber Lehrerinnen und Lehrern zu vermitteln.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Auch da gibt es durchaus noch Nachholbedarf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Bravo!)

Ich verstehe durchaus, dass manche Lehrerinnen und Lehrer ob der mangelnden Wertschätzung, die sie empfinden, frust riert sind. Auch daran müssen wir gemeinsam arbeiten.

Natürlich beginnt die Förderung von Kindern auch mit Vor lesen, mit frühkindlicher Bildung im Elternhaus. Viele kön nen nicht, viele wollen auch nicht. Wir müssen damit insge samt umgehen, und das werden wir tun. Aber auch diese Dis kussion müssen wir führen. Wir können und wollen die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb ist das ein gesamtpolitisches Thema. Lassen Sie uns Schritt für Schritt definieren, wo wir Handlungsbedarf sehen. Ich habe die Felder eben im Wesentlichen benannt. Wir wer den dann Schritt für Schritt gemeinsam an den Vorschlägen arbeiten, wie wir wieder dahin zurückkommen, wohin wir wollen, nämlich in Baden-Württemberg ein faires, qualitäts volles, leistungsorientiertes Bildungssystem zu etablieren, in dem diejenigen, die Nachholbedarf haben, die Schwächen ha ben, eine Förderung erfahren, in dem aber gerade auch dieje nigen, die sehr gut dastehen, die Begabungen haben, gezielt gefördert werden und ihre Begabungen ausleben können.

Wir brauchen wieder diese innere Differenziertheit. Daran müssen wir dringend arbeiten. Dazu lade ich Sie sehr gern ein. Wir werden das mithilfe der Beratung von vielen mit Hoch druck, aber in aller Ruhe tun. Handlungsbedarf ist definitiv gegeben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD)

In der zweiten Runde erteile ich Herrn Abg. Röhm für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Dr. Fulst-Blei, ich frage Sie: Wa rum haben Sie uns 2011 nicht zu einem Qualitätsdialog ein geladen?

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Die Antwort ist meines Erachtens einfach: Sie haben für sich persönlich entschieden, den Weg frattonscher Bildungspoli tik zu gehen. Sie haben die Ideologie der Gemeinschaftsschu le für die einzig richtige erklärt und sich auf den Weg gemacht,

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

dem alles unterzuordnen. Das war eben ein Fehler.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD)

Hätten Sie damals gesagt: „Wir haben eine Idee, und wir sind überzeugt davon, dass sie sich entwickeln kann, eine gute sein kann“, hätten Sie dann 50 Versuchsschulen eingerichtet und später verglichen und bewertet, dann wären wir dazu gern be reit gewesen.

(Zurufe von der SPD)

Aber Sie waren es, die die angesprochene Entscheidung ge troffen haben, anstatt uns einzuladen.

Drei Punkte möchte ich ansprechen, worin sich unsere Hal tungen von den Ihren durchaus unterscheiden.

Ich nenne erstens die Bildungsgerechtigkeit. Bildungsgerech tigkeit heißt eben nicht, dass man jedem x-beliebig seinen Ab schluss verheißt. Bildungsgerechtigkeit heißt für uns vielmehr, den Talenten und Begabungen der einzelnen Kinder gerecht zu werden. Dabei geht es darum, Bildungspotenziale auszu schöpfen. Da entscheidet nicht der Elternwille, sondern es ist gerade umgekehrt: Wir wollen, dass die Talente und Begabun

gen erkannt und gefördert werden, die nicht auf dem Eltern willen beruhen. Das ist unsere Vorstellung von Bildungsge rechtigkeit.