Ich will zum Einzelhandel, der erwähnt wurde, schon sagen: Sie brauchen Beistand und erhalten diesen. Ich appelliere an den Sozialminister, zuzustimmen, dass, wenn schon geschlos sen werden muss, zumindest dem Onlinehandel dort trotzdem Umsatz ermöglicht wird, analog wie auch bei den Regelun gen für die To-go-Gastronomie.
Die Beschlüsse der gestrigen MPK sind übrigens schnell ge fallen, eindeutig und einmütig. Das ist für mich ein klares Si gnal dafür, dass der Föderalismus krisenstabil ist, dass er sei ne tarierende und auch seine integrierende Funktion erfüllt. Denn schon wieder haben wir in den Kommentaren der Schlau meier aus Berlin dieser Tage gehört, wie kritisch es mit dem Föderalismus sei. Wir alle kennen den Begriff Flickenteppich. Hier aber ist im Konsens schnell, rasch und richtig entschie den worden. Und darum muss es gehen.
Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben ges tern einmal mehr in einem breiten und, wie ich finde, auch be merkenswert parteiübergreifenden Konsens entschieden. Das ist ein hoher Wert; es ist ein Wert an sich. In Deutschland ist der Kampf gegen das Virus eine Frage der Verantwortung und nicht des Parteibuchs.
Die Menschen im Land gehen diesen Weg mit; sie unterstüt zen ihn, ja, sie erwarten aktuell sogar harte Einschnitte von der Politik. Das haben auch die kommunalen Landesverbän de gefordert. Dazu stehen auch wir. Wir haben am Wochen ende die Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen gelesen, und auch dort sehen wir: Rund 50 % wollten sogar eine Verschär fung der Coronamaßnahmen.
Die Entscheidung der Regierungen kann also auf eine breite Akzeptanz setzen – eine Akzeptanz, die wichtig ist – und auf diese auch weiter hoffen.
Ich verstehe, dass die Unsicherheiten, auch die wechselnden Ansagen der Politik, derzeit an den Nerven zehren.
Jetzt seien wir doch einmal alle ehrlich: Die Mails, die von Frustrationen künden, nehmen zu, und der Ton wird dabei här ter. Insoweit müssen wir alle hier, glaube ich, zusammenste hen.
Ich verstehe auch den Wunsch vieler nach endgültigen Plänen und abschließenden Strategien. Aber gerade die aktuelle Ent wicklung lehrt uns doch einmal mehr: Die eine Strategie, die uns sicher, planbar und frei von Zumutungen durch diese Pan demie bringt, die gibt es halt nicht. Es gibt sie nirgendwo in der Republik, und es gibt sie auch nirgends in Europa.
Herr Kollege Stoch, es gibt sie übrigens auch bei keiner Par tei. Sie haben in einer der letzten Debatten gefordert, man müsse in Szenarien denken. Natürlich; keine Frage. Aber ich will schon sagen:
Nicht jede Korrektur ist ein Zeichen für Unvermögen und Planlosigkeit. Diese Krise verlangt es einfach, dass wir in en ger Taktung lagebezogen und risikosensibel jeweils nachsteu ern. Wir sollten deshalb fair bleiben.
Ich kann nur sagen: Es war richtig, dass wir so lange wie mög lich am Präsenzunterricht festgehalten haben.
Zu der diesbezüglichen Kritik möchte auch ich noch einen Satz sagen: Natürlich lässt es sich in der Opposition leicht kri tisieren. Aber Tatsache ist: Sobald man in der Verantwortung steht, sieht die Welt teilweise ganz anders aus. Die Ex-postBetrachtung ist natürlich auch immer eine andere als die Exante-Betrachtung. Ich will nur sagen: Die sieben SPD-Minis terpräsidenten haben an allen MPK-Beschlüssen mitgewirkt. Der Vizekanzler, SPD, war mitbeteiligt. Die Vorsitzende der MPK, SPD, war ebenfalls beteiligt.
Ihr Vorwurf der Strategielosigkeit: Gerade Frau Hubig, eine Kultusministerin von der SPD, hat immer betont, dass der Prä senzunterricht das einzig Sinnvolle, das einzig Wertvolle ist.
Nein. Ich will ein weiteres nennen. Weil Sie die Wissen schaft ansprechen: Wir haben heute gehört, dass die OxfordUniversität ebenfalls Untersuchungen angestellt hat – eine Be fragung mit verheerenden Ergebnissen zum Lernerfolg, wenn zu Hause die Struktur gefordert wird. Das ist die Realität. Wir wissen mittlerweile, dass der Lernerfolg durch Präsenzunter richt nun einmal ein ganz anderer ist, als wenn die Kinder sich daheim selbst strukturieren müssen.
Ich sage es auch einmal als Vater eines 15-jährigen Sohnes: Da musst du schon ganz schön hinterherschauen, damit die Kinder die richtige Sendung einschalten.
Aber jetzt Spaß beiseite. Es ist natürlich schon eine Heraus forderung. Selbst für Studenten, die nur Onlineunterricht ha ben, ist es schwer, sich den Tag zu strukturieren, wenn sie nicht an der Universität unterrichtet werden. Erst recht gilt dies für Minderjährige.
Deshalb sollten wir schon deutlich sagen: Ganz unabhängig von der Parteifarbe – alle, die in Deutschland Verantwortung für die Schulen tragen, kommen letztendlich zu den gleichen Entscheidungen.
Daher sollten wir in der Kritik ein wenig abrüsten. Wir alle wollen das Beste. Wir alle wollen die beste Bildung für unse re Kinder.
Natürlich finden Entscheidungen nicht im luftleeren Raum oder im Elfenbeinturm statt. Die Abwägung zwischen Ge sundheit und Freiheit muss jeden Tag neu getroffen und auch neu erkämpft werden.
Erinnern wir uns doch: Noch Mitte Oktober haben die Gerich te – auch in diesem Land Baden-Württemberg – die damali gen Regelungen zu Sperrstunden und zum Beherbergungsver bot gekippt.
Die Überschrift lautete, Herr Kollege: „Gerichte retten unse ren Herbsturlaub“. So lautete die Schlagzeile selbst in der „Bild“-Zeitung. So war damals die Debattenlage, und so wa ren damals die Prioritäten.
Ich sage das deshalb, weil man jeden Tag Schlaumeier liest oder hört, die natürlich in der Ex-post-Betrachtung alles bes ser wissen.
Ja, das ist unglaublich. Im März/April kommentierte ein Herr im ZDF sogar mit dem Vergleich mit einem Gefangenenchor, weil es einen Shutdown gab. Jetzt plötzlich heißt es, die er griffenen Maßnahmen seien zu spät und zu wenig. Man muss sich das einmal vor Augen halten, wenn man so etwas von den Besserwissern in den Medien, aber auch bei den Verbänden hört. Hinterher ist man immer klüger als vorher. Nur: Die Po litik muss entscheiden, sie muss handeln, sie muss mit Pers pektive und in Verantwortung entscheiden. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Ich will gar nicht bestreiten – die Kollegen haben es doch teil weise erwähnt –, dass mit dem Wissen von heute objektiv ge sehen wahrscheinlich schon früher der richtige Zeitpunkt ge wesen wäre, die Bremse zu ziehen. Das wird doch überhaupt nicht bestritten.