Protocol of the Session on November 26, 2020

Ich will hier auch offen sagen: Ich weiß, dass gestern – zu Recht – auch innerhalb der MPK lange über die Frage der Fe rienzeit diskutiert wurde. Mit der vorgeschlagenen Lösung wird sich die Landesregierung auseinandersetzen. Unsere Fraktion macht kein Geheimnis aus ihrer Position: Im Grun de genommen sollte regional vor Ort die Schulgemeinschaft selbst entscheiden können und entscheiden, wie sie auch die vier freien beweglichen Ferientage legt etc. In dieser Sache wurden die Argumente für und wider schon angesprochen. Es geht um Fragen der Betreuung und um vieles andere mehr. In soweit sind wir da eigentlich zuversichtlich, dass man in die sen nachrangigen Fragen mit Sicherheit vor Ort die richtigen, klugen Entscheidungen findet und selbst auch mit entschei den kann.

Wir wissen, was die kommunalen Landesverbände dazu sa gen. Wir wissen, was die Lehrerverbände dazu sagen. Wir se hen auch manche Lösungen wie jetzt in Nordrhein-Westfalen, in denen die letzten beiden vorgesehenen Schultage frei sein sollen, aber die Lehrkräfte an den Schulen sein sollen. Ob das das Klügste ist? Ich stelle diese Frage hier in den Raum.

Genauso ist es natürlich mit der Frage – – Ich habe Ihre Mit teilung, Herr Kollege Stoch, gelesen, was die Gründe sind – Stichwort Wechselunterricht etc. Sie haben sich dazu ja auch geäußert. Frau Hubig, die der SPD angehörende Kultusminis terin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Kultusminis terkonferenz, kämpft eisern für den Präsenzunterricht. Sie sagt: Präsenzunterricht ist das A und O. Kinder lernen am bes ten in der Schule.

(Zurufe)

Insoweit: Einfach einmal miteinander telefonieren.

(Beifall – Zurufe, u. a.: Ja, genau! – Bravo!)

Wechselunterricht benachteiligt erwiesenermaßen Kinder aus sozial schwächeren und auch bildungsferneren Familien. Auch diesen gravierenden sozialen Aspekt sollten wir nicht einfach ausblenden.

Auch der FDP-Familienminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Stamp,

(Zuruf: Sehr gut!)

hält die Forderung – das habe ich gelesen – nach einer Hal bierung der Klassen für – wörtlich – „schlicht nicht umsetz bar“.

(Vereinzelt Beifall)

So sieht es, wie ich vernommen habe, auch unser Minister präsident. Insoweit steht auch die Kultusministerin hier an der Seite ihrer Ministerkollegen aus Rheinland-Pfalz und Nord rhein-Westfalen – die KMK tauscht sich auch regelmäßig aus. Da sind wir zuversichtlich. Noch wichtiger: Die Ministerin steht an der Seite der Schülerinnen und Schüler im Land. Auch darum muss es gehen.

(Beifall – Zurufe)

Wir sollten nie vergessen: Es geht um deren Bildung, um de ren Chancen, um deren Zukunft. Wir haben uns deshalb in Ba den-Württemberg immer – auch hier in diesem Haus – be wusst für einen Regelunterricht unter Pandemiebedingungen entschieden. Für diesen Kurs spricht übrigens auch die empi rische Bildungsforschung. In vielen Debatten über Bildungs qualität und in vielen Expertengesprächen haben wir gelernt: Schlüsselfaktor für guten und gelingenden Unterricht ist das sogenannte Classroom-Management. Entscheidend für den Lernerfolg ist also, was die Lehrerin oder der Lehrer im Klas senzimmer macht. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall)

Deshalb sind Wechselunterricht und Fernlernen immer nur die schlechtere Lösung, allenfalls Ultima Ratio im Extremfall. Darüber wird man im Einzelfall, wenn die Zahl 200 über schritten ist und solche Fragen in Betracht gezogen werden müssen, entscheiden müssen. Aber auch das muss man, den ke ich, dann im Einzelfall vor Ort entscheiden.

Auch die Kinderärzte warnen strikt davor. Das kann nicht das sein, was wir als Regelfall anstreben. Den gemeinsamen Un terricht vor Ort können auch die beste Digitalausstattung und das pfiffigste Homeschooling, Herr Kollege Rülke, nicht er setzen; davon bin ich überzeugt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Habe ich et was anderes gesagt?)

Nein. Ich sage es, weil Sie manche Dinge angesprochen ha ben. – Ich habe selbst einen 15-jährigen Sohn und sehe, wie es läuft, wenn er in die Schule geht und Präsenzunterricht hat oder wenn dann zu Hause das sogenannte Homeschooling an geboten wird.

(Zurufe, u. a.: Aha!)

Das sind Unterschiede. Das will ich jetzt nicht vertiefen.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Andreas Stoch SPD: Das hängt auch sehr von den Eltern ab! – Heiterkeit)

Ja, da mag etwas dran sein. Genau da beginnt die Heraus forderung der Betreuung.

Kurzum: Es wäre eine verhängnisvolle Illusion. Deshalb sind in Deutschland auch alle, die in den Ländern für die Bildungs politik die Verantwortung tragen, im Wesentlichen einer Mei nung. Das Infektionsgeschehen im Schulbetrieb ist beherrsch bar. Die Schulen sind nach wie vor keine Ansteckungstreiber. Wir haben heute Morgen von der Kultusministerin gehört: Ge rade einmal vier von 4 500 Schulen im Land sind momentan geschlossen. Übrigens haben die deutschen Kinder- und Ju gendkliniken bundesweit 110 000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre routinemäßig und symptomunabhängig auf Corona

getestet. Im Ergebnis waren – man höre und staune – nur 0,2 % der Getesteten positiv. Diesen Befund bestätigen viele weitere Reihenscreenings bei Kindern und auch bei Jugend lichen.

Es gibt also überhaupt keinen Beweis für eine hohe Dunkel ziffer bei Schülern, wie sie immer behauptet wird. Deshalb ist der Präsenzunterricht verantwortbar. Das Primat der Bildung ist richtig. Auch das gehört in diesem Fall zur Solidarität, ge rade auch gegenüber der jungen Generation. Das Recht auf Bildung ist für uns elementar, verehrte Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall)

Solidarität fordern mit Recht auch alle Unternehmen, fordern mit Recht auch alle Selbstständigen, die seit dem 2. Novem ber jetzt erneut schließen mussten. Die Gemeinschaft profi tiert davon, dass sie ihren Betrieb unterbrechen. Also muss die Gemeinschaft dieses Sonderopfer auch ausgleichen. Das ist ja der Grund für die Novemberhilfe.

Nach ein paar Startschwierigkeiten ist seit gestern klar: Die Hilfe rollt an, das Verfahren steht,

(Zurufe)

die Abschlagszahlungen kommen. Wir flankieren hier im Land – auch das wurde zu Recht gesagt – die Hilfen des Bundes. Sie bringen Erleichterung und Ermutigung für viele Tausend Betriebe und Selbstständige gerade in Gastronomie und Tou rismus, aber auch in der Kultur- und Eventbranche. So etwas gibt es übrigens nirgendwo sonst in Europa.

Wir wollen – das haben wir schon seit März immer gesagt – Existenzen sichern, Insolvenzen vermeiden und auch mit un serem Mittelstand und der Wirtschaft gestärkt aus dieser Kri se herauskommen.

(Beifall)

Insoweit, Herr Kollege Rülke, war für uns der Teil-Lockdown jetzt kein Rohrkrepierer. Das halte ich für übermäßig in der Kritik. Das Absinken der Infektionszahlen als Ergebnis haben wir zwar nicht erreicht, aber die Welle ist aufgehalten, das Pla teau ist im Grunde genommen im exponentiellen Wachstum gebremst.

Es war auch kein Sommer der Sorglosigkeit, und da ist auch nicht im Nebel gestochert worden, sondern im Grunde genom men geht es darum, dass wir – jetzt natürlich zu Recht ange sprochen – Planbarkeit schaffen, dass auch für die, die von Schließungen betroffen sind, die jetzt in die Verlängerung ge hen, auch die Hilfen verlängert werden. Das fordern wir. Das schafft Planbarkeit und Gerechtigkeit. Denn das Schlimmste für die Unternehmen ist, nicht zu wissen, woran sie sind und womit sie rechnen können.

Die Ausgleichszahlungen sind auch verfassungsrechtlich ein ganz wichtiger, übrigens auch ein springender Punkt. Sie sind entscheidend für die Frage, ob die Betriebsuntersagungen ver hältnismäßig sind. So hat es auch das Verfassungsgericht deut lich gemacht. Aber ich will betonen: Die jetzigen Schließun gen sind rechtens. Der VGH war in der jüngsten Zeit mit 30 Eilanträgen gegen die Maßnahmen vom 2. November befasst.

Er hat alle Eilanträge abgelehnt. Und das Bundesverfassungs gericht hat klargestellt: Die Gefahren bei einer Covid-19-Pan demie seien weiterhin sehr ernst zu nehmen. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung wiege zwar schwer, am Ende aber überwiege das Interesse am Schutz von Leben und Gesund heit. Darum geht es.

(Beifall)

Insoweit ist das höchstrichterlich festgehalten. Die aktuellen Beschränkungen stehen auf festem verfassungsrechtlichen Bo den. Die Politik hat ihre Abwägungen sorgfältig und korrekt getroffen. Auch das ist eine wichtige Botschaft in dieser De batte, weil zu Recht angesprochen wurde, Kollege Schwarz, worum es geht, nämlich auch darum, dass wir im Wege der Parlamentsbeteiligung, wo wir in diesem Haus Vorreiter wa ren mit dem ersten Pandemiegesetz, nun auch die Anpassung, wo der Bundestag z. B. eine Vierwochenfrist festgelegt hat, miteinander besprechen.

Ob wir dann bei den acht Wochen bleiben – denn die Regie rung hätte selbst eine Verlängerungsmöglichkeit – oder ob wir sagen, das Parlament wolle in Zukunft wie der Bund alle vier Wochen legitimieren, das müssen wir übereinstimmend bera ten. Deshalb können wir das am 2. Dezember auch – ich ge he davon aus – im Konsens miteinander besprechen.

Nun ist es in der Tat so, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wir werden auch in der Zukunft weitere Hilfen besprechen müssen, wo wir begleiten wollen. Das betrifft zum einen den Verkehrsbereich. Es wurde angesprochen, dass beispielswei se mit Restmitteln im ÖPNV auch in den nächsten Monaten die Landkreise, die Verkehrsträger nicht alleingelassen wer den. Übrigens gehören auch der Kulturbereich und das „Zu kunftsland Baden-Württemberg“ dazu, wo die Wirtschaftsmi nisterin auch auf der Grundlage unseres letzten, zweiten Nach tragshaushalts wichtige Vorlagen gemacht hat.

Insoweit bin ich überzeugt davon, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Corona lässt uns keine Atempause. Der Kampf ge gen das Virus verlangt weiter volle Konzentration und auch Disziplin. Wir wollen auch den Krankenhäusern helfen; auch beim Pflegebonus haben wir schon den Bundesbetrag von 1 000 € um 500 € erhöht.

(Abg. Anton Baron AfD: Keine Krankenhäuser mehr schließen, Herr Reinhart!)

Aber bei allen Diskussionen um den richtigen Weg, bei allen Abwägungen, bei allem Ringen um Entscheidungen bleibe ich dabei: Deutschland und Baden-Württemberg machen ih re Sache in diesem Kampf gut. Deshalb bitte ich auch um Zu stimmung zu dem gemeinsamen Antrag der Regierungsfrak tionen.

Unser Sozialstaat, unser Rechtsstaat, unser Föderalismus und unsere Demokratie funktionieren. Wir navigieren klug und si cher zwischen Freiheit und Gesundheit. Lassen Sie uns ge meinsam diesen Kurs erfolgreich fortsetzen. Dann werden wir auch mit der nötigen Geduld – „Geduld in allen Dingen führt immer zum Gelingen“ – gemeinsam ein friedfertiges Weih nachtsfest feiern können und werden hoffentlich mit Perspek tiven, auch mit der Perspektive auf einen neuen Impfstoff im neuen Jahr, dann auch diese Krise gemeistert haben.

(Beifall)

Herr Fraktionsvorsitzen der Stoch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Die Pandemie erfordert ganz sicher eine Politik, bei der Vernunft eine größere Rolle spielt und spielen sollte als Parteigrenzen, bei der Regierung und Opposition über ihre Schatten springen. Die Pandemie erfordert, dass wir konstruktiv miteinander diskutieren und nach den besten Lö sungen suchen, um diese Erkrankung, um dieses Virus und seine verheerenden Folgen für unser Land erfolgreich zu be kämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im ganzen Land und in der ganzen Republik wird seit Wochen immer lauter darüber dis kutiert, dass wir unsere Politik auf andere Füße stellen müs sen – oder, wie Kollege Rülke sagte, vom Kopf auf die Füße. Denn je länger die Pandemie andauert, je länger teils massi ve Einschnitte in das Leben der Menschen nötig sind, desto weniger taugt eben das Instrument der Verordnungen oder der Notverordnungen. Deswegen mahnen wir das auch seit Mo naten an.

Aus guten Gründen hat doch der Deutsche Bundestag erst in der vergangenen Woche das Infektionsschutzgesetz entspre chend geändert und die Beteiligungsrechte der Parlamente ge stärkt. Umso mehr müssen all diese Regeln und Gesetze in den Parlamenten beschlossen werden, so, wie es in unserer parlamentarischen Demokratie vorgesehen ist, auf dem übli chen Weg, und so, wie es unsere Verfassung vorsieht.

Vor diesem Hintergrund hätte diese Sondersitzung, die wir heute, am Donnerstag, n a c h dem Treffen der Minister präsidenten durchführen, sinnvollerweise auch durchaus schon am vergangenen Dienstag stattfinden können, damit nämlich dieser Landtag v o r der Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin debattieren kann, damit er debattiert, bevor Beschlüsse gefasst werden, damit die Landesregierung dem Landtag zuhören kann und nicht nur der Landtag der Landesregierung. Das hatten wir in der vergangenen Woche entsprechend angeregt.