Wir haben dieses Mal die gesamte Bandbreite des Hochschul rechts in den Blick genommen. Das merkt man bereits am Umfang dieses Vierten Hochschulrechtsänderungsgesetzes. Von den 93 Paragrafen des Landeshochschulgesetzes werden 70 geändert. Es geht hier um 327 Änderungen allein im Lan deshochschulgesetz. Dazu kommen dann noch Änderungen in anderen Gesetzen wie dem Universitätsklinika-Gesetz, dem Studierendenwerksgesetz, dem Akademiengesetz, dem Lan desbesoldungsgesetz, dem Landeshochschulgebührengesetz sowie dem Qualitätssicherungsgesetz.
Es ist also durchaus eine aufwendige Angelegenheit, wenn wir unseren Hochschulen einen bestmöglichen und zeitgemäßen rechtlichen Rahmen geben wollen.
Die Novelle umfasst sehr unterschiedliche Anpassungen, un terschiedliche Anliegen von unterschiedlicher Tragweite; da geht es manchmal nur um redaktionelle Änderungen oder um Klarstellungen, es geht aber auch um ziemlich komplexe An gelegenheiten von großer Reichweite.
Wir wollen dem Wissenschaftsausschuss und den vielen Ex perten im Ausschuss für die weiteren Beratungen ja auch noch ein bisschen Arbeit überlassen.
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Best of! – Abg. Marion Gentges CDU: Wir teilen es auf! – Weitere Zurufe)
Erstens fangen wir mit ziemlich schwerer Kost an, und zwar mit dem Thema Umsatzsteuerreform. Im Jahr 2015 hat die
Bundesregierung beschlossen, dass Leistungen öffentlicher Körperschaften künftig häufiger umsatzsteuerpflichtig sein sollen. Diese Änderung war in Umsetzung von EU-Recht nö tig geworden. Es sollen europaweit einheitlich Wettbewerbs verzerrungen vermieden werden, und damit soll den Vorga ben der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des euro päischen Gemeinschaftsrechts nachgekommen werden. Die Übergangsfrist läuft zum 1. Januar 2023 aus.
Dieser rechtliche Rahmen ist für unsere Hochschulen, die Wissenschaftslandschaft und die Kultur der Kooperation nicht unproblematisch und auch konsequenzenreich. Bis jetzt sind ja die Hochschulen des Landes nur dann umsatzsteuerpflich tig, wenn sie im Rahmen ihrer Betriebe gewerblich tätig sind. Mit dem Auslaufen der Übergangsfrist 2023 gilt diese weit reichende Befreiung dann nicht mehr. Dann werden auch ho heitliche Leistungen umsatzsteuerpflichtig sein, wenn sie ge gen eine Gegenleistung erbracht werden.
Das wirkt sich auf viele Bereiche aus, insbesondere aber auf die Universitätsmedizin. Diese beruht schließlich auf einer en gen Kooperation zwischen den medizinischen Fakultäten der Universitäten und den jeweiligen Universitätskliniken.
Ein Beispiel: Die Professorinnen und Professoren an den Uni versitätskliniken haben es ja neben Lehre und Forschung auch mit der Behandlung von Patienten zu tun – das ist der Zweck der Einrichtung Universitätsklinikum –, und für diese Perso nalgestellung – das ist der behördendeutsche Fachausdruck dafür – wird von den medizinischen Fakultäten auch ein fi nanzieller Ausgleich verlangt. Das ist ein Beispiel. Wenn wir es nicht ändern würden, würde genau dieser Austausch ab dem Jahr 2023 in hohem Maß umsatzsteuerpflichtig werden.
Diese Anpassungsproblematik betrifft natürlich nicht nur uns in Baden-Württemberg, sondern alle Länder kümmern sich gerade darum, ihre Landeshochschulgesetze entsprechend an zupassen. Wir versuchen im vorliegenden Gesetzentwurf, das Thema Kooperationen in diesem Bereich jetzt zu einer Pflicht aufgabe zu machen, die ausschließlich zwischen Universitäts klinikum und Universität erfolgen darf. Dadurch wird also klargestellt: Diese Leistung ist dem Wettbewerb entzogen und damit in unserer Interpretation nicht Gegenstand der Umsatz steuer.
Austauschbeziehungen im Hochschulbereich erstrecken sich über den Bereich der Universitätsmedizin hinaus auf weitere Bereiche, und viele der Kooperationsbeziehungen zwischen öffentlichen Wissenschaftseinrichtungen werden deswegen künftig von der Umsatzsteuerpflicht betroffen sein. Wie viele es sein werden und in welchem Umfang, das hängt am Ende von den Bewertungen auch der Finanzämter ab sowie darü ber hinaus auch von Fragen, die noch auf Bundes- oder EUEbene entschieden werden müssen.
Unser Gesetzentwurf ist ein wichtiger erster Beitrag, um Klä rungen vorzunehmen, die finanziellen Risiken zu begrenzen und so weit wie möglich Rechtsklarheit herzustellen. Sobald das Gesetz dann in Kraft ist, können unsere Hochschulen und Universitätsklinika mit den örtlichen Finanzämtern die jewei lige umsatzsteuerliche Beurteilung voranbringen und klären. Das wird Zeit in Anspruch nehmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Gesetzentwurf an dieser Stelle voranbringen. Wir
können beim besten Willen nicht warten, bis auch auf Bun des- und EU-Ebene alle noch offenen Fragen geklärt sind.
So viel sei aber schon gesagt: Es geht mit großer Wahrschein lichkeit darum, dass künftig für die Hochschulen finanzielle Mehrbelastungen im Bereich der Umsatzsteuer zu erwarten sind. Ein Teil davon kommt wieder im Landeshaushalt an und kann entsprechend verwendet werden, ein relevanter Teil – die Hälfte nämlich – bleibt als Steueraufkommen beim Bund. Wir werden sehen, wie sich dies in den nächsten Jahren wei ter „zurechtschüttelt“.
Ein zweiter großer Komplex dieser Gesetzesnovelle ist das Thema „Governance der Hochschulen“. Wir haben die Gover nance der Hochschulen an einigen Punkten weiter präzisiert. Ein Thema: Es geht um die Gewährung von Leistungsbezü gen. Wir haben die Gewährung von Leistungsbezügen seit dem Jahr 2005 – dem Jahr ihrer Einführung – landesweit über prüft. Wir haben vorhandene Probleme in der Vergabepraxis gefunden und haben dies zum Anlass genommen, jetzt ein paar Klarstellungen im Gesetz vorzusehen.
Dies umfasst erstens das Thema Transparenz. Wir werden die Rektorate verpflichten, die Zuständigkeiten innerhalb des Rektorats als Kollegialorgan schriftlich in der Geschäftsord nung festzuhalten und Rektoratsbeschlüsse zu dokumentie ren.
Zweitens: Die Delegation von Zuständigkeiten vom Rektorat auf die Hochschulverwaltung wird in beschränktem Umfang ermöglicht, um Verwaltungsabläufe zu optimieren und eine ordnungsgemäße Durchführung zu erleichtern.
Drittens: Es wird gleichzeitig sichergestellt, dass bei der Ver gabe von Leistungsbezügen sowie Forschungs- und Lehrzu lagen das Vieraugenprinzip beachtet wird.
Viertens: Zur Unterstützung der Kanzler, der Rektorate ins gesamt wird die Funktion einer stellvertretenden Kanzlerin oder eines stellvertretenden Kanzlers eingeführt.
Das Leitmotiv dieser Änderungen ist, Verfahrensabläufe ver lässlicher und unabhängiger von der jeweiligen personellen Konstellation in der Hochschule zu gestalten. Und dies geht, ohne den Hochschulen weitere Entscheidungsspielräume zu nehmen.
Ein zweites Thema im Zusammenhang mit der Governance: Wir haben auch in Bezug auf die Hochschulräte, die ein wich tiger Teil der Hochschul-Governance sind, ein paar Klarstel lungen und Anpassungen vorgenommen. Hochschulräte sind wichtige Aufsichtsgremien, aber auch kritische Freunde der Hochschulleitungen und gerade durch die teilweise externe Besetzung für uns ein wichtiger Faktor für ein gutes Agieren und die Entscheidungsfähigkeit der Hochschulen.
Wir haben nun gehört, der Baden-Württembergische Indust rie- und Handelskammertag habe gestern in einer Presseer klärung kritisiert, dass die Novellierung die Hochschulräte schwäche. Festgemacht hat das der Industrie- und Handels kammertag daran, dass die Hochschulräte künftig dreimal pro Jahr tagen müssen und nicht, wie bisher, viermal.
Wir ändern zwar in der Tat die Zahl der verpflichtenden Sit zungen pro Jahr, aber – lassen Sie mich das betonen – das hin dert die Hochschulräte keineswegs, auch viermal im Jahr zu
tagen. Es darf sogar noch öfter sein, wenn Bedarf besteht. Und wir wollen keineswegs die Bedeutung der Hochschulräte schwä chen. Wir schätzen sie sehr. Wir schaffen aber mehr Flexibi lität für ihr Agieren und für ihre Sitzungen.
An einer zweiten Stelle ändert sich etwas für die Hochschul räte. Bei vermuteten Rechtsverstößen des Haushaltsbeauftrag ten werden sich künftig diese Haushaltsbeauftragten an das MWK zu wenden haben – nicht an den Hochschulrat. Das ist aufgrund der realen Aufsichtsfunktion des Ministeriums schlicht und einfach funktional notwendig und dient der Rollenklä rung.
Wie gesagt, die Hochschulräte sind gut etabliert, sie sind er folgreich, sie sind eine hoch anerkannte Bereicherung unse rer Hochschulstrukturen. Wir schätzen ihre Arbeit außeror dentlich.
Drittes Thema, bei dem wir im Zusammenhang mit der Gover nance Anpassungen vornehmen: Wir führen für Hochschulen wieder die Möglichkeit ein, ordnungsrechtlich hochschulin tern Ordnungsverfahren durchzuführen. Diese Möglichkeit gab es bis zum Jahr 2005. Anlass, dies jetzt zu tun, waren ver schiedene Vorfälle der letzten Jahre, die nahelegen, dass Hoch schulen Instrumente an die Hand brauchen, um im Einzelfall gegen einzelne Mitglieder der Hochschule vorgehen zu kön nen, die nachweisbar massiv z. B. stalken oder Gewalt andro hen. Über die Verhängung einer solchen Ordnungsmaßnahme soll künftig ein Ordnungsausschuss auf der Basis einer ent sprechenden Satzung, die sich die Hochschule gibt, entschei den. Und es ist vorgesehen, dass diesem Ordnungsausschuss mindestens ein studentisches Mitglied angehört.
Jetzt können Sie sich vorstellen, dass auch diese Veränderung schon zu leicht kritischen Reaktionen und Rückmeldungen geführt hat, insbesondere von Studierenden, die Angst haben, dieses Instrument könne benutzt werden, um Studierende ein zuschüchtern, kritische Stimmen mundtot zu machen. Ich kann Ihnen sagen und betonen: Das wird nicht der Fall sein. Das ist nicht die Intention dieser Regelung. Sie wäre auch nicht für eine solche Praxis geeignet.
Störungen des Hochschulbetriebs können nur dann zu einer Ordnungsmaßnahme führen, wenn Gewalt angewendet oder angedroht wird oder wenn es sich um einen schwerwiegen den oder wiederholten Verstoß gegen eine rechtmäßige An ordnung im Rahmen des Hausrechts handelt.
Wir wollen studentisches Engagement nicht behindern, selbst dann nicht, wenn es mal hitzig wird. Im Übrigen können die jenigen, die sich Sorgen machen, mal in andere Bundesländer schauen. Baden-Württemberg geht da jetzt keinen Sonderweg. Es ist nicht einmal eine sonderlich toughe Maßnahme. In der Mehrzahl der Bundesländer finden sich solche Regelungen, die zum Teil viel weiter gehen. In einigen können z. B. Ord nungsmaßnahmen verhängt werden, die bis hin zur Exmatri kulation reichen, sofern das Fehlverhalten das Ansehen des Landes oder der Hochschule gefährdet oder diesem erhebli chen Schaden zufügt.
Ich könnte noch weitere Beispiele zitieren, insbesondere von Bundesländern, die von Regierungen einer anderen politi schen Farbe geführt werden, die sich bei diesem Punkt recht tough festlegen.
In der Summe ist festzuhalten: Wir haben – auch im Länder vergleich – eine Regelung geschaffen, bei der mit Augenmaß vorgegangen wird, die Transparenz herstellt und daher hof fentlich zu Verlässlichkeit und Befriedung der Situationen führt.
Nächster Themenkomplex: staatliche Anerkennung nicht staat licher Hochschulen. In allen Ländern bedürfen die nicht staat lichen Hochschulen einer staatlichen Anerkennung. Sie müs sen sich dafür begutachten lassen. Es geht damit – wie es in der Fachsprache heißt – um Akkreditierungsverfahren.
Das Bundesverfassungsgericht hat für solche Verfahren ent schieden, dass die Grundlage für Begutachtungen im Gesetz geregelt sein muss, und zwar mit einer gewissen Detailtiefe. Die hier jetzt vorgelegte Regelung orientiert sich weitgehend an dem Status quo, der langjährigen, etablierten und bewähr ten Praxis im Land, wie wir Anerkennungs- und Akkreditie rungsverfahren in Baden-Württemberg gestalten, und darüber hinaus an einer Musterregelung, die auf der Ebene der Kul tusministerkonferenz in der Folge eines BVG-Urteils gemein sam ausgearbeitet wurde.
Wir haben im Interesse der Hochschulen zusätzlich ein paar Verfahrensgarantien im Gesetz verankert, insbesondere An hörungsrechte und Beschwerdemöglichkeiten, z. B. mit Blick auf die Veröffentlichung von Begutachtungsergebnissen.
In unserer Regelung wird als einzige Stelle der Wissenschafts rat mit dieser Begutachtung betraut. Wir tun das, weil der Wis senschaftsrat das bei Weitem renommierteste wissenschaftli che Beratungsgremium ist und die Garantie für eine unabhän gige wissenschaftsgeleitete Begutachtung gibt. Wir haben so in den letzten Jahren gearbeitet und gute Erfahrungen ge macht. Wir legen für diese Praxis mit der Novelle die gesetz liche Grundlage.
Der nächste Themenkomplex: die Frage nach der gesellschaft lichen Verantwortung der Hochschulen. Unsere Hochschulen haben wichtige Freiheitsbereiche, die ihnen von der Verfas sung, aber auch unseren Gesetzen gewährt werden. Im Ge genzug haben unsere Hochschulen Beiträge zu leisten zu der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Aufgaben; sie ha ben eine große gesellschaftliche Verantwortung wahrzuneh men. Wir haben im Zusammenhang mit der Novelle an ein paar Stellen Präzisierungen vorgenommen, an welchen Auf gaben sich die Hochschulen beteiligen sollen.
Es wird in diesem Zusammenhang nun Aufgabe der Hoch schule, die ökologische Nachhaltigkeit zu fördern. Der Bei trag der Hochschulen zum Klimaschutz wird zu einer aus drücklichen Führungsaufgabe; das fällt auch in den Zustän digkeitsbereich des Rektorats. Wir stärken damit die Hoch schulen als Vorbildinstitutionen im Bemühen um Klimaneut ralität. Das ist im Sinne der klimaneutralen Landesverwaltung, ein Thema, zu dem auch Hochschulen ihren Beitrag leisten sollen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Institutionen, die wachsen und deren Mitglieder außerordentlich mobil sind.
Zweitens wollen wir das Thema „Durchsetzung der Chancen gleichheit von Männern und Frauen“ durch weitere Maßnah men voranbringen. Wir werden hierzu insbesondere die Rol le der Gleichstellungsbeauftragten maßvoll stärken und den Inhalt der Gleichstellungspläne präzisieren; denn mit der Ge schwindigkeit der Fortschritte in diesem Bereich – seit Jahr
zehnten Thema – können wir nicht zufrieden sein. Wir erwar ten, dass wir da in Zukunft durchaus mehr Tempo an den Tag legen können.
Drittens: Die Digitalisierung soll weiter vorangebracht wer den. Sie wird als Rektoratsaufgabe ebenfalls im Gesetz ver ankert. In Zusammenhang mit Corona ist es längst eine Rek toratsaufgabe, ansonsten hätten die Hochschulen das letzte Semester gar nicht durchgestanden. Die Aufgabe wird aber als strategische Aufgabe einer Gesamtinstitution erhalten blei ben. Übrigens sind in diesem Zusammenhang Onlinewahlen explizit und ausdrücklich im Gesetz berücksichtigt.
Viertens: Wir haben weiter gehende Regelungen zum Thema Tierschutz vorgesehen. Der Einsatz von Tieren in der Lehre soll auf das absolut vertretbare Mindestmaß reduziert werden. Studierenden soll die Möglichkeit gegeben werden, sofern die Voraussetzungen da sind, auch ohne Teilnahme an Tierversu chen ihr Studium zu absolvieren.