Auch für die indirekt Betroffenen, die Sie angesprochen ha ben, wird es Regelungen geben. Wie diese allerdings im Ein zelnen aussehen, konnten uns die beiden Minister noch nicht sagen. Natürlich ist klar, dass nicht jeder, der etwa ein Sham poo an ein Hotel liefert, da gleich mit berücksichtigt wird. Aber es wird schon nach Maßgaben des Anteils der Beliefe rung gehen.
Natürlich gibt es Unternehmen, die in großem Umfang an Gaststätten und Hotels liefern. Die werden selbstverständlich auch in einem erheblichen Umfang berücksichtigt. Ich kann Ihnen aber leider noch nicht sagen – deswegen konnte es der Kollege Schwarz erst recht nicht sagen –, wie das genau aus sieht. Aber wir haben die klare Zusage, dass auch denen ge holfen wird.
Aber auch das war noch einmal sehr wichtig, weil es, wie ge sagt, Fälle gibt, in denen Lieferanten in einem hohen Maß aus schließlich an Gaststätten oder Hotels liefern.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident – auch für das Beantworten der vorherigen Frage. Hoffen wir einmal, dass das bei den Absatzkanälen in der Gastronomie dann auch so kommt.
Ich wollte aber zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, eine Fra ge stellen. Sie haben die Konsensualität der Ministerpräsiden tenkonferenz herausgestellt, dass man, wenn möglich, Ent scheidungen einstimmig trifft. Deswegen meine konkrete Fra ge: Warum haben Sie dann als jemand, der doch immer auch die Graswurzeldemokratie hochhält, der Protokollerklärung nicht zugestimmt, einen Parlamentsvorbehalt mit aufzuneh men? Das ist das eine.
Der zweite Punkt: Sie haben sehr klar auf die Komplexität hingewiesen. Herr Ministerpräsident, über 50 Regelungen, die im Rahmen der Pandemie getroffen worden sind, wurden von
Aber jedes Mal, wenn ein Verfassungsgericht eine Regelung kassiert hat, ist die Gesamtmaßnahme von einigen wieder in Misskredit gebracht worden. Deswegen meine Frage: Treibt es Sie nicht um, dass insbesondere diese Regelungen in so ho her Zahl von den Verfassungsgerichten kassiert werden?
Also, mir war klar: Ich habe aufgrund des Zeitablaufs die Chance, dass das Parlament von Baden-Württemberg sich trifft, bevor die Ver ordnung kommt, und sich über diese Fragen auseinanderset zen kann. Deswegen erschien mir das überhaupt nicht erfor derlich. Wie gesagt, einen ausdrücklichen Parlamentsvorbe halt gibt es nicht. Den hat Kollege Ramelow aufgrund der be sonderen Situation, in der die dort sind, einfach machen müs sen.
Die Gerichte legen nicht immer dieselben Maßstäbe an wie wir, die Exekutive. Die Gerichte legen oft den Maßstab der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Kläger an. Wir hingegen legen die Verhältnismäßigkeit gegenüber der Pandemie an. Da kann es eben zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Das ist bisher so geschehen, und die Gerichte haben nun ein mal das letzte Wort und nicht wir.
Jetzt gehen wir davon aus: Weil der Bund solch eine großzü gige Entschädigungsregelung macht – und sie ist großzügig, wenn sie so gemacht wird wie versprochen –, dann ist die Ver hältnismäßigkeit der Maßnahmen hergestellt, dann ist das un serer Ansicht nach verhältnismäßig, weil diesen Unternehmen kein nicht ertragbarer Schaden entsteht. Davon kann man ja nun wirklich ausgehen bei der Regelung, die wir haben. Des wegen sind wir eigentlich sicher, dass die Verhältnismäßig keit hergestellt ist.
Zweitens: Wir haben eine nochmals andere Situation. Das können Sie im Beschluss nachlesen. Die Abwendung einer nationalen Gesundheitsnotlage – vor der stehen wir – ist so zusagen eine ganz andere Begründung als die, die wir bisher hatten. Denn die Dynamik der Pandemie hat eine solche Ge schwindigkeit und Exponentialität angenommen, dass wir in eine solche nationale Gesundheitsnotlage geraten. Wir sind sicher, dass auch die Gerichte berücksichtigen werden, dass wir in der heftigen Exponentialität der Pandemie solche Maß nahmen ergreifen müssen, um nicht endgültig in diese Notla ge zu kommen.
Stellen Sie sich einfach mal vor, wir hätten 100 000 Neuinfi zierte, und überlegen Sie, was das bedeuten würde. Da könn ten wir nicht mehr testen, da könnten wir die Leute nicht mehr behandeln, da wären wir im Prinzip nicht mehr wirklich in der Lage, die Pandemie weiter einzudämmen, mit den ganzen Fol gen, die das mit sich bringt.
Ein solches Szenario ist nicht ausgeschlossen. Deswegen müs sen wir verhindern, dass wir in einen solchen Zustand kom men, und deswegen taucht hier der Begriff „nationale Gesund heitsnotlage“ auf. Das ist der Grund dafür.
Herr Kollege Rülke, wir können heute in 75 % der Fälle die Infektionsherde nicht mehr klar lokalisieren. Das, was Sie ver langen, dazu sind wir im Moment nicht mehr in der Lage – das ist einfach eine Tatsache –, und wenn man dazu nicht in der Lage ist, muss man eben Maßnahmen ergreifen, die nicht mehr so zielgenau sind, wie die Maßnahmen waren, als die Pandemie eine lineare Entwicklung hatte.
Wenn man eine exponentielle Entwicklung hat, gerät man so zusagen in einen Bereich außerhalb der Möglichkeiten. Dar um ist es so wichtig, die beschlossenen Maßnahmen zu ergrei fen. Ziel ist, dass wir wieder in eine Situation kommen, in der wir wirklich wieder genau wissen, wo die Infektionsherde sind, um sie sozusagen lokal bekämpfen zu können und das Virus möglicherweise auch lokal wegzubekommen.
Das ist ja in einigen Kreisen durchaus auf längere Sicht, über mehrere Tage hinweg bereits gelungen; diese Kreise hatten dann über mehrere Tage hinweg keine Neuinfektionen mehr. Wenn das der Fall ist, ist man in der Lage, das zu tun, was Sie richtigerweise fordern, nämlich gezielte Maßnahmen gegen Infektionsherde zu ergreifen. Wenn wir sie aber gar nicht mehr lokalisieren können, ist uns dieses Instrument aus der Hand genommen, und dann müssen wir einfach zu anderen Instru menten greifen.
Glauben Sie mir, meine Damen und Herren: Das Schwierigs te in der ganzen Kommunikation ist die Exponentialität von solchen Vorgängen. Das kann ich Ihnen als gelernter Biologe sagen: Der Mensch ist evolutiv überhaupt nicht ausgestattet, exponentielle Vorgänge von seinem Sinnesapparat her zu be urteilen, wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Denn es ist nämlich evolutiv so: Wenn das vorkommt, dann putzt’s einen.
Das heißt, wenn Sie mit dem Auto doppelt so schnell fahren, ist die Energie, die in Ihrem Wagen steckt, vierfach so hoch.
Das können wir nur intellektuell begreifen und nicht sozusa gen von unserer Wahrnehmung her. Wir haben kein Gefühl dafür, dass die doppelte Geschwindigkeit jetzt die vierfache Energie erzeugt. Das heißt, Sie schrammen sozusagen bei ei nem Unfall bei doppelter Geschwindigkeit so schnell, wie wenn Sie gefühlsmäßig viermal so schnell führen.
Das ist das Problem. Das heißt, die ganzen Debatten, die wir mit der Bevölkerung haben, gehen immer von ihren linearen Vorstellungen aus. Wir sind aber in einer exponentiellen La ge. Darum muss man solche drastischen Maßnahmen ergrei fen, damit wir in die Linearität zurückkommen.
Dann machen wir genau das, was Sie wollen, was dann auch richtig ist, nämlich genau und gezielt Infektionsketten zu or ten, zu testen und einzudämmen und nicht anderen, die damit gar nichts zu tun haben, irgendetwas zu tun. Dann ist genau diese Strategie wieder gefragt. Aber jetzt, Herr Rülke – so leid es uns tut –, ist das einfach nicht möglich.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Lassen wir noch den Kollegen Gruber ausführen!)
Das ist natürlich ein großer Grundsatzstreit: Soll man diese Strategie des Containments so weitermachen, oder soll man eher ganz stark auf Protection gehen? Ich glaube, dass wir das nicht alternativ machen sollten.