Protocol of the Session on October 12, 2016

Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, ich werde mir für den Rest die ses Plenartags eine gewisse Zurückhaltung auferlegen.

(Zuruf von der AfD: Endlich!)

Aber zu diesem Thema muss ich schon etwas sagen.

Wir sprechen heute über zwei Gesetzentwürfe, die im Grund satz das gleiche Ziel verfolgen: Wir wollen unsere Polizeibe amtinnen und Polizeibeamten vor zunehmender Verrohung, ja auch vor zunehmender Gewalt, vor zunehmenden gewalt samen Übergriffen schützen. Das sind wir unseren Polizistin nen und Polizisten schuldig. Wir sind es auch unserer Gesell

schaft schuldig, dass wir uns nicht an Verrohung gewöhnen, nicht an Verrohung in der Sprache, schon gar nicht an Gewalt,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

sondern wir müssen diesen Verrohungstendenzen, diesen Ten denzen zur Gewalt in der Gesellschaft entgegentreten. Und wir werden diesen Verrohungstendenzen und diesen Tenden zen zu Gewalt entgegentreten.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Wir tun es heute. Wir handeln nämlich ganz konkret, indem wir mit modernster Technik unsere Polizistinnen und Polizis ten schützen.

Ich freue mich darüber, Herr Kollege Dr. Goll, dass die Ab wägung, die Sie in der FDP/DVP-Fraktion sorgfältig vorge nommen haben, dazu führt, dass eine Oppositionsfraktion den Gesetzentwurf mitträgt und Sie unsere Polizistinnen und Po lizisten nicht alleinlassen. Das ist gut so.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Den feinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Entwürfen macht das sogenannte Pre-Recording aus. Lassen Sie mich noch einmal kurz erläutern, worum es dabei geht. Im Pre-Recording-Modus findet für die Dauer von 60 Sekunden eine Aufzeichnung statt, die auf einem Zwischen speicher immer wieder neu überschrieben bzw. automatisch gelöscht wird. Wenn die Aufnahmetaste darüber hinaus nicht betätigt wird, wird sowieso alles gelöscht und verschwindet ins Nirwana, auf Nimmerwiedersehen.

Nur wenn eine weitere, zusätzliche Aufnahmetaste betätigt wird, und zwar bei Überschreiten der hohen Schwelle einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben, dann wird auf die vorhandene 60-sekündige Zusatzschleife zugegriffen werden können – im Übrigen nicht von dem Polizeibeamten selbst, sondern entweder über ein Spezialprogramm oder über eine PIN, nur durch seinen Vorgesetzten, also einen anderen Poli zeibeamten.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Abg. Dr. Fiechtner?

Nein.

(Heiterkeit)

Nein.

Er braucht auch gar nicht mehr zu fragen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Sie haben offenbar Proble me mit der Demokratie und dem Parlament!)

Dies ist wichtig für die Eigensicherung bei der polizeilichen Arbeit. Das sind wertvolle Sekunden in extremen Lagen, um

einen Überblick über die Lage zu bekommen, und es ist auch entscheidend für die Beweissicherung hinterher.

Auch wenn der Landesbeauftragte für den Datenschutz im Rahmen des Anhörungsverfahrens Vorbehalte gegen diese zu sätzliche Funktion zum Ausdruck gebracht hat und diese jüngst nochmals wiederholen musste, mache ich keinen Hehl daraus,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

dass ich ein Befürworter des Pre-Recordings bin.

(Der Redner dreht sich zum Präsidenten um.)

Ich habe nur für Ruhe ge sorgt.

Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Her ren, der Datenschutz ist ein wichtiges Anliegen, und ich will die geäußerten Bedenken nicht leichtfertig beiseiteschieben. Doch möchte ich, dass sich die Polizeibeamtinnen und -be amten in einer brenzligen Situation zuerst auf die Eigensiche rung konzentrieren können,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

dann auf die Lagebeurteilung konzentrieren können und sich erst dann in einem dritten Schritt Gedanken darüber machen: Ist das jetzt tatsächlich eine Situation, in der ich auf den Auf nahmeknopf drücken darf?

Ich bin der Überzeugung, dass der gemeinsame Entwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU mit den im In nenausschuss eingebrachten Veränderungen eine solide Grund lage für das Pre-Recording darstellt. Dass im Innenausschuss die Veränderungen vorgenommen worden sind, zeigt ja, dass wir durchaus lernfähig sind und dass wir durchaus in der La ge sind, es immer noch einmal ein bisschen besser zu machen.

Die Speicherdauer und die Löschfrist werden jetzt sekunden genau im Gesetzestext selbst fixiert. Auf die eventuell miss verständlichen Begriffe wie z. B. „kurzzeitige technische Er fassung“ oder „eigentliche Aufnahme“ wird verzichtet. Der Verdacht, dass die Vorlaufzeit beim Pre-Recording ins Ermes sen der Polizei gestellt und beliebig ausgedehnt werden könn te, wird vollständig ausgeräumt. Es wird klargestellt, dass die Speicherung und die Verarbeitung der beim Pre-Recording ge wonnenen Daten der Ausnahme- und nicht der Regelfall sind. Durch diese Neujustierung wurde der Gesetzesvorlage noch einmal ein letzter Feinschliff gegeben. Es geht auch nicht da rum – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Palka?

Nein.

Nein.

Es geht auch nicht darum, den öffentlichen Raum unter Dauerüberwachung zu stellen; im Gegenteil. Die Body

cam kann nur dann für uns Wirkung erzielen, wenn sie ziel gerichtet eingesetzt wird. Darüber hinaus möchte ich noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Aufnahmen beim PreRecording im Normalfall ohne Hinzutreten weiterer Voraus setzungen sofort gelöscht werden.

Die Sicherheit im öffentlichen Raum, die durch Angriffe auf das staatliche Gewaltmonopol gefährdet wird, ist für uns ent scheidend. Leider gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Beispiele dafür, was passieren kann, wenn rechtsfreie Räume entstehen und staatliche Autoritäten nicht mehr anerkannt wer den. Dies wird es in Baden-Württemberg nicht geben. Weh ret den Anfängen!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Deswegen rüsten wir unsere Polizei auch entsprechend aus.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, Abg. Dr. Fiechtner lässt nicht locker. Gestatten Sie eine Zwischenfra ge?

(Zuruf von der SPD: Der lässt auch nicht locker!)

Nein.

Nein.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Deswegen bedeutet das im Entwurf vorliegende Gesetz einen deutlichen Mehrwert bei der Verwertbarkeit der Aufnahmen im Ernstfall. Denn nur dann, wenn die Aufnah men auch zu einer Verurteilung führen, ist eine abschrecken de Wirkung im Vorfeld gewährleistet. Ansonsten könnte sich die Bodycam auch zu einem zahnlosen Tiger entwickeln. Das ist im Übrigen der Grund, warum in Hessen entsprechend nachgerüstet worden ist. Ich möchte Ihnen einfach sagen: Die se rückwirkende Aufnahme ist gerade in unvorhersehbar ex tremen Situationen entscheidend.

Erst vor einigen Wochen gab es hier in der Stadt Stuttgart den Fall, dass eine Polizeistreife in eine Tiefgarage gerufen wur de, und als sich die Streife einer Person näherte, stach diese Person dem Polizisten ohne jede Vorwarnung und ohne jedes Anzeichen mit einem Messer in den Hals. Da war keine Zeit, rechtzeitig auf eine Taste zu drücken. Für solche und andere extreme Situationen ist es wichtig, dass auch die 60 Sekun den vorher aufgezeichnet werden können.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass wir in Baden-Württemberg mit dem Pre-Recording kein Neuland be treten. In Hessen ist eine solche entsprechende Regelung im merhin seit fast einem Jahr in Kraft. Dort wurde sie weder durch den Datenschutzbeauftragten noch von einem Gericht infrage gestellt oder beanstandet.