Protocol of the Session on October 14, 2020

Ein Punkt ist doch bemerkenswert: Das Ziel, das man sich in Baden-Württemberg bei der CO2-Reduktion setzen möchte – 42 % bis 2030 –, ist seit einer Entscheidung des EU-Parla ments aus der letzten Woche quasi schon überholt,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Dann legen wir halt nach! Das haben wir doch gesagt!)

da das EU-Parlament eine CO2-Reduktion in Höhe von 60 % bis 2030 festgesetzt hat.

(Abg. Anton Baron AfD: Da stimmt die FDP doch zu, oder?)

Da zeigt sich ganz deutlich, dass es wenig sinnvoll ist, sich als kleine Gebietseinheit wie Baden-Württemberg Ziele zu setzen,

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

die eigentlich auf höherer Ebene viel klarer definiert werden können.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Dann macht man nichts, das heißt dann FDP! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Natürlich gibt es noch keine Maßnahmen vonseiten des EUParlaments, aber diese werden noch von der Kommission aus gestaltet. Darunter werden sicherlich auch Maßnahmen sein,

die sich mit denen aus dem Klimaschutzgesetz überschneiden oder diese sogar konterkarieren. Entsprechend ist es nur we nig sinnvoll, hier jetzt mit einem Gesetzesakt vorzugehen; denn wie man sieht, ist in dieser hoch dynamischen Diskus sion das Gesetz quasi schon veraltet, bevor man es überhaupt beschlossen hat.

In der Anhörung hatten wir ein recht durchwachsenes Bild: Die Vertreter von „Fridays for Future“ und vom BUND ha ben gesagt, das Klimaschutzgesetz gehe nicht weit genug.

(Abg. Anton Baron AfD: Das sind richtige Experten! – Vereinzelt Heiterkeit)

Das war jetzt wenig überraschend.

Die Vertreter der Wissenschaft, zumindest die beiden Vertre ter der Universität Stuttgart bzw. des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, waren nur verhalten optimistisch ob des sen, was vorgelegt wurde. Sie haben gesagt, man kann das zwar alles so machen – aber dass das wirklich der große Wurf ist, das wurde eigentlich nicht richtig bestätigt. Im Gegenteil war der Tenor – so habe ich das rausgehört –: Na ja, das kann man machen, aber ob das viel bringt? Wir glauben es eher nicht – im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ein Referent, Herr Professor T.,

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

hat gesagt: Das Klimaschutzgesetz so, wie es vorliegt, ist in effizient, weil es die CO2-Vermeidungskosten nicht entspre chend berücksichtigt. Es gibt Doppelstrukturen, beispielswei se bei der Flugkompensation. Die Flugkilometer werden be reits über diverse lenkende Maßnahmen, lenkende Abgaben zu steuern versucht. Es gibt einen CO2-Preis. Flugreisen sind im CO2-Zertifikatehandel enthalten. Wir haben hier also qua si eine Überkompensation zugunsten einer Stiftung. Das ist zwar nett, aber es geht zulasten von Dienstreisen, die durch aus auch einmal erforderlich sein können, insbesondere im Bereich der Wissenschaft.

Es hieß, Dienstreisen sind sehr wichtig, wenn es darum geht, zu Symposien und Ähnlichem auf der ganzen Welt unterwegs zu sein. Hier braucht man einfach Flugreisen, um effizient zu sein. Das sollte man nicht entsprechend erschweren, indem man zusätzliche Abgaben zu den ohnehin schon existierenden Abgaben einführt.

Generell ist fraglich, welche Rolle Baden-Württemberg dabei im europäischen Rechtsrahmen spielt. Der „Wasserbetteffekt“ wurde angesprochen. Wir sehen schon, dass dieser stattfindet, indem die Menge CO2, die hier, in Baden-Württemberg ein gespart wird, durch bestimmte Mechanismen an anderer Stel le in Europa ausgestoßen werden kann. Das lastet uns entspre chende Maßnahmen auf, weshalb wir sagen, dass wir eine eu ropäische Lösung oder mindestens eine nationale Lösung brauchen, wie sie zum Teil ja schon in der Diskussion ist, aber keine Alleingänge auf regionaler Ebene. Das wird dem The ma einfach nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Nese Erikli GRÜNE: Dann macht ihr doch was! – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Warum wird das dem The ma nicht gerecht?)

Zu den Anträgen der SPD: Wir lehnen die Erweiterung einer PV-Pflicht für Wohngebäude ab.

(Zuruf)

Wir stimmen allerdings dem Antrag der SPD zu, der die An regung der Schornsteinfeger aufgreift, die Datenschutzbeden ken äußern.

Der LfDI hat es zwar als unbedenklich bezeichnet. Allerdings sind wir der Meinung, dass man sich hier einen Datenerhe bungsaufwand sparen kann. Datenminimierung ist auch eine wichtige Maxime. Deshalb stimmen wir diesem Antrag zu.

Insgesamt lehnen wir den Gesetzentwurf allerdings ab, weil er – wie ausgeführt – an den entsprechenden Handlungsmög lichkeiten des Landes vorbeigeht. Wenn Sie, meine Damen und Herren, etwas zum Klimaschutz beitragen wollen, dann denken Sie vielleicht über Folgendes nach: 1 t Papier herzu stellen verursacht so viel CO2-Ausstoß wie die Herstellung von 1 t Stahl. Wenn Sie also etwas zum Klimaschutz beitra gen möchten, dann verhindern Sie dieses Gesetz. Denn dann können wir uns den Ausdruck auf Papier sparen.

(Zuruf von der SPD: Wenn das der Beitrag der FDP/ DVP zum Klimaschutz ist!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE – Abg. Anton Baron AfD: Wie sagt man so schön? Grüne Politik muss man sich leisten können! – Abg. Nese Erikli GRÜNE zu Abg. Daniel Karrais FDP/DVP: Das war echt schlecht! Du bist so jung! Das war eine Rede von vorgestern!)

Herr Minister Unterstel ler, Sie haben das Wort. Ich hoffe, es lauschen Ihnen alle ganz aufmerksam.

Verehrte Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kol leginnen und Kollegen!

(Abg. Anton Baron AfD: Die Grünen sind wie im Rausch!)

Liebe Kollegin Rolland, ich schätze Sie sehr als eine enga gierte Umweltpolitikerin, im Ernst.

(Abg. Raimund Haser CDU: Wir auch!)

Man kann bei einem solchen Gesetz immer auch unterschied licher Meinung sein über das, was drinsteht. Das kann bis hin zu einer Polemik gehen, wie sie Herr Karrais zum Schluss ge bracht hat, was ich schon grenzwertig finde. Aber gut, das hal te ich alles aus.

Doch was ich nicht verstehe, ist, wie Sie dazu kommen, zu behaupten, in der Ausschusssitzung wären Vorschläge von Ih nen lächerlich gemacht worden. In der Ausschusssitzung, in der ich dabei war, hat man sich inhaltlich mit Ihren Vorschlä gen auseinandergesetzt. Aber an keinem Punkt sind Ihre Vor schläge lächerlich gemacht worden. Ich würde Sie wirklich bitten, so etwas zu lassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zunächst noch ein paar Grundsatzbemerkungen machen. Denn ich fin de, in den Details haben wir das Gesetz in der ersten Lesung, im Ausschuss und dann auch in der Anhörung breit diskutiert.

Die Klimakrise – ich denke, da sind wir uns auch einig – for dert von uns eine neue Qualität von Politik. Warum? Weil es eine Krise ist, die letztlich global wirkt.

(Abg. Udo Stein AfD: Global ist Schrott!)

Das heißt natürlich, wir brauchen zum Schluss eine globale Politik, um die Krise einzudämmen, was nicht heißt, dass man es von der globalen Politik nicht auch auf die Nationen, auf die Regionen, auf die Gemeinden übertragen muss. Deswe gen macht es auch Sinn, dass sich ein Bundesland wie BadenWürttemberg oder auch die anderen Bundesländer Klima schutzgesetze geben.

Die Klimapolitik stellt auch konkrete zeitliche Anforderun gen an uns. Warum? Wir müssen uns in unseren Entscheidun gen an Terminen messen lassen, weil mittlerweile klar ist: Die se Klimakrise duldet keinen Aufschub. Die Wissenschaft sagt uns von verschiedener Seite: Es gibt die sogenannten Kipp punkte, und damit ist schwer umzugehen. Das meine ich jetzt sehr ernst. Man muss wissen: Wenn es über diesen Kipppunkt hinausgeht, können wir das, was dann passiert ist, nicht mehr zurückholen. Deswegen ist es natürlich eine ganz schwierige Geschichte. Alle Schäden, die bis dahin eingetreten sind, sind irreversibel. Zugegeben, genau dieser Punkt ist mit mensch lichem Ermessen – ich habe es schon gesagt – nur schwer zu fassen. Denn wir sind es eigentlich gewohnt, die Dinge auch immer kontrollieren zu können – besser gesagt, wir waren es gewohnt.

Die Coronapandemie hat uns gezeigt, was Kontrollverlust be deuten kann. Das ist, denke ich, für uns alle eine tiefgreifen de Erfahrung. Die Klimakrise bedeutet gegebenenfalls, wenn wir da nicht gegensteuern, Kontrollverlust. Unser Ökosystem wird sich dann so rasant verändern, dass wir nichts mehr tun können. Und dann hilft auch keine Technik, auch nicht die noch so ausgeklügelte Innovation.

Diese Bedrohung ist, jedenfalls nach meinem Dafürhalten, von einer wirklich singulären Qualität; denn sie bedroht letzt lich unsere Existenz. Ich meine damit nicht die Existenz des Planeten. Die Klimakrise wird unseren Planeten dramatisch verändern;

(Abg. Anton Baron AfD: Ach, Quatsch!)

und doch wird dieser Planet bleiben. Es kann sich aber jeder überlegen, was es für uns Menschen bedeutet, wenn es 4 Grad, 5 Grad oder 6 Grad wärmer wird. Wir haben erlebt, was in den letzten drei Jahren geschah; wir sehen, was sich in Kali fornien abspielt und wie sich die Entwicklung der letzten Jah re in Afrika darstellt. Da kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich das auswirkt. Ich will jetzt aber keine Horrorgemälde an die Wand malen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Nein!)

Wie beim Artensterben gilt auch bei der Klimakrise: Was ver loren ist, das ist verloren. Im Hölderlinjahr darf man aber gleichwohl zitieren: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende

auch.“ Es liegt letztendlich in unserer Hand, diese Krise ab zuwenden.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

Eigentlich kann man es nicht einmal als mutig bezeichnen, die eigene Existenz zu retten; es ist eine schiere Notwendig keit. Das Klimaschutzgesetz des Landes mit seinen Maßnah men wird das Weltklima nicht retten.