Protocol of the Session on October 14, 2020

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronakrise ist noch nicht vorbei, im Gegenteil. Seit der ersten Lesung des Nach tragshaushalts hat sich die Lage noch zugespitzt; das ist jetzt zwei Wochen her. Wir brauchen da nicht unbedingt erst zu un seren europäischen Nachbarn zu schauen; wir sehen gerade auch hier in der Umgebung, im Landkreis Esslingen und hier in Stuttgart, in der Landeshauptstadt, besorgniserregende Zah len.

Wie es weitergeht, kann niemand verlässlich sagen. Wird es eine zweite Welle geben? Wie hart wird uns diese zweite Wel le treffen? Wann steht ein Impfstoff zur Verfügung? Welche Folgen hat all das für die Wirtschaft im Land Baden-Würt temberg?

In einer solchen Situation ist es maßgeblich, dass das Land Verantwortung übernimmt, damit die Gemeinschaft die Kri se weiterhin gut meistern und gestärkt aus ihr hervorgehen kann.

(Beifall bei den Grünen)

Dieser Nachtragshaushalt ist deshalb die richtige Antwort auf eine beispiellose Krise, in der wir uns nach wie vor befinden. Wir übernehmen Verantwortung für die Gesundheit der Bür gerinnen und Bürger in unserem Land. Wir kümmern uns mit diesem Nachtrag um künftige Risiken. Wir begegnen dem Strukturwandel unserer Wirtschaft, der durch die Pandemie radikal beschleunigt worden ist. Wir stärken unseren Kom munen den Rücken und sind weiter ein verlässlicher Partner, auf den man bauen kann.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, ein großes Dankeschön an unsere Finanzministerin Edith Sitzmann und ihr Team im Finanzministerium zu richten, denen es gelungen ist, in sehr kurzer Zeit nach Bekanntgabe der September-Steu erschätzung einen ausgewogenen Nachtrag zu erarbeiten. Vie len herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ein wesentlicher Teil des Nachtragshaushalts besteht in der Vorsorge für Risiken. Es ist ganz klar: Wir sind mitten in ei ner Pandemie mit weiterhin steigenden Infektionszahlen. Da her ist es extrem wichtig, dass wir Vorsorge betreiben, dass wir Testkapazitäten steigern können, dass wir auf eine zwei te Welle vorbereitet sind und dass unter Umständen, wenn ein Impfstoff bereitsteht, dieser schnell gekauft und im Land ver teilt werden kann. Das ist sicherlich einer der wichtigsten Punkte unserer Vorsorge für Haushaltsrisiken.

Darüber hinaus gibt es weitere Risiken, die uns schon bekannt sind. Es sind Risiken, die wir bedenken müssen, die auch schon im Urhaushalt benannt worden sind. In der Rücklage für Haushaltsrisiken standen 1,2 Milliarden €. Das war auch gut so. Das hat uns in der ersten Phase der Coronapandemie sehr geholfen, sodass wir zusätzlich zu den 5 Milliarden €, die wir gemeinsam im Parlament beantragt und bewilligt haben, zügig in Hilfeleistungen einsteigen konnten. Das war richtig und auch sehr weitsichtig. Andere Bundesländer und der Bund haben das nicht getan. Das heißt aber auch, dass wir mit die sem Nachtragshaushalt die Lücken, die dadurch in der Rück lage für die Haushaltsrisiken entstanden sind, schließen müs sen.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Wir haben insgesamt 800 Millionen € in die Rücklage gestellt, um auf die Pandemierisiken vorbereitet zu sein, aber auch auf weitere Risiken, die uns schon aus dem Urhaushalt bekannt waren, sowie auf neue wie die kalamitätsbedingten Zufüh rungsbedarfe an ForstBW. Wir wissen jetzt, dass das kommen wird. Also muss man es auch in einem Nachtragshaushalt be nennen.

Der weitere wichtige und große Punkt in diesem Nachtrag ist ohne Zweifel das Hilfspaket für die Kommunen. Wir haben schon vor dem Sommer das Signal gesendet, dass wir bereit sind, die Kommunen zu unterstützen. Sie haben selbst mit massiven Steuerausfällen zu kämpfen. Sie haben hohe Kos ten im Rahmen der Pandemiebekämpfung und der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Es war klar, dass eine Vollbremsung der kommunalen Haushalte verhindert werden muss, damit die Investitionen in den Kommunen – sie haben ja auch eine wichtige konjunkturelle Rolle – weiterhin getä tigt werden können.

Klar ist für uns: Wir lassen die Kommunen nicht im Stich. Wir haben im Gegenteil ein großes Hilfspaket geschnürt. Zusam men mit den Geldern vom Bund fließen mehr als 4,2 Milliar den € direkt an die Kommunen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Dass diese Hilfsleistungen und Zuschüsse für die Kommunen getragen werden können, haben Sie im Ausschuss mitgetra gen. Aber klar ist auch: Wir haben in diesem Nachtrag eine weitere Kreditaufnahme auf der Basis einer Naturkatastrophe vorgesehen, damit das alles finanziert werden kann, ganz be sonders die Hilfsleistungen für die Kommunen unseres Lan des.

Ein weiterer wichtiger Punkt in dem Nachtrag ist natürlich: Wie gehen wir mit der Wirtschaftskrise um? Denn es ist eine zentrale, eine hoch problematische Folge dieser Pandemie, in der wir uns befinden, dass es eben nicht nur eine Gesundheits

krise ist, sondern dass diese zu einer Wirtschaftskrise geführt hat, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr kann ten. Allein in Baden-Württemberg gibt es einen Wirtschafts einbruch von minus 7 %. Südwestdeutschland, Süddeutsch land insgesamt ist besonders von dieser Wirtschaftskrise be troffen, weil unsere Industrie natürlich auch vom Export ab hängig ist. Insofern ist es auch eine Krise, die den Struktur wandel in unserem Land massiv beschleunigt.

Es ist natürlich auch dadurch, dass jetzt die Infektionszahlen wieder steigen, insgesamt die Sorge da, dass wir einen soge nannten Double Dip erleben. Das heißt, dass es einen weite ren konjunkturellen Einbruch geben könnte, wenn es uns nicht gelingt, die Pandemie entsprechend einzudämmen. Das wäre natürlich sehr schlecht, weil es sich jetzt von den Zahlen her, die wir gesehen haben, andeutet, dass das Land wieder einen guten Aufschwung hat. Nach dem Abfall im zweiten Quartal dieses Jahres sieht es eigentlich so aus, als ob es positiv wei tergehen könnte. Aber, wie gesagt, durch die Pandemie liegen im Moment Risiken vor, die man noch nicht einschätzen kann.

Wirtschaftsexperten sind sich einig bei der Frage: Was stärkt uns in der Krise? Was stärkt die baden-württembergische Wirt schaft? Ganz klar, auf der einen Seite sind es die vielen inno vativen Mittelständler in unserem Land. Klar ist auch: Neben unserer Schlüsselindustrie, dem Automobilsektor und dem Maschinenbau, ist es sehr wichtig, auch auf weitere Standbei ne, auf weitere Stärken unserer Wirtschaftsstruktur im Land zu setzen. Denn nur, wer breit aufgestellt ist, ist in der Krise resilient und kann schnell wieder in einen Aufschwung kom men.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Genau das haben wir auch in diesem Nachtragshaushalt ab gebildet mit dem Investitionsprogramm „Zukunftsland Ba den-Württemberg“. Darin sind wichtige Punkte enthalten. Zum einen braucht es, wie gesagt, mehrere Standbeine in ei ner Wirtschaftsstruktur, um auch resilient mit künftigen Kri sen umzugehen. Wir investieren in die Gesundheitswirtschaft unseres Landes, in Medizintechnik, in personalisierte Medi zin, auch in die Universitätsklinika, um nur ein paar Punkte zu nennen. Es ist klar: Die Gesundheitswirtschaft war bereits eine Stärke im Land Baden-Württemberg. Aber durch die ak tuelle Situation hat sich noch einmal deutlich gezeigt, dass wir auf ein leistungsfähiges und auch ein gut finanziertes Gesund heitswesen angewiesen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Mittelständler in unserem Land sind innovativ, das ist klar, und das wollen wir auch fördern – das ist nämlich eine wei tere Stärke, die uns hilft – mit dem Fonds bw-invest für Inno vationen und Zukunftstechnologien. Dadurch wollen wir ge zielt kleine und mittlere Unternehmen bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien – da haben sie es natürlich schwe rer als sehr große Unternehmen in der Industrie – unterstüt zen.

Während die Pandemie weitergeht, gehen natürlich auch an dere Krisen weiter, wie z. B. die Klimakrise,

(Abg. Anton Baron AfD: Och!)

die ja den Strukturwandel in der Wirtschaft hier ebenfalls be einflusst. Deswegen dürfen wir das nicht außer Acht lassen, wenn wir uns jetzt überlegen, wie wir wichtige Impulse, Zu kunftsimpulse für die Wirtschaft im Land setzen können. Es gab ja zu Beginn der Coronapandemie schon einmal die Aus sage: Die Wirtschaft muss jetzt wieder Vorrang haben vor dem Klimaschutz.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja!)

Das teilen wir natürlich nicht;

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

das wäre der falsche Schluss, den man hier zieht. Vielmehr darf man die beiden Punkte nicht auseinanderdividieren, son dern muss sie zusammen denken. Denn das, was in der Wirt schaft jetzt an Innovationen, an Forschungsprogrammen ge leistet wird, gerade auch, um unsere Schlüsseltechnologien in die Zukunft zu führen, wird uns auch helfen, zukünftige He rausforderungen zu meistern. Deswegen investieren wir auch in die Transformation, in Klimaschutz und nachhaltige Mobi lität. Auch ein Gesamtpaket zur Weiterbildung für alle Sekto ren ist darin vorgesehen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt ein paar Punk te genannt, von denen ich glaube, dass sie für Zukunftsimpul se im Land sehr wichtig sind –

(Abg. Rüdiger Klos AfD: So kann man sich irren!)

auch, was die Rücklagen und Haushaltsrisiken angeht, auch, was das Hilfspaket für die Kommunen angeht. Das haben wir im Finanzausschuss bereits diskutiert. Dort habe ich eigent lich eher einen großen Konsens festgestellt und keine inhalt liche Kritik an einzelnen Punkten,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie haben ja nichts beziffert!)

außer dass gefragt wurde, warum es in der Vorsorge für Haus haltsrisiken Punkte wie „Kalamitäten Forst“ gibt. Das haben wir erklärt. Das habe ich, glaube ich, heute auch noch einmal hinreichend erklärt. Aber ansonsten habe ich zu den einzelnen Punkten im Zukunftspaket keine inhaltliche Kritik gehört.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie haben sie ja auch nicht beziffert!)

Das möchte ich an dieser Stelle einfach noch einmal festhal ten.

Deswegen glauben wir, dass wir die Mittel richtig veran schlagt haben und dass es richtig ist, auch auf der Basis von Schulden zu investieren – was natürlich nicht schön ist; das ist ganz klar. Nach einigen Jahren, in denen wir massiv daran gearbeitet haben, die Schulden des Landes zurückzuführen und Kapitalmarktschulden zu tilgen – das haben wir in dieser Legislatur zum ersten Mal getan –,

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

haben wir jetzt massiv neue Schulden, die wir aufnehmen wol len, die wir aufnehmen müssen, wenn wir alles finanzieren wollen.

Es wurde kritisiert, dass der Tilgungszeitraum zu lang ist. Vom Rechnungshof gab es Kritik an den 25 Jahren, die wir uns für die Rückzahlung vorgenommen haben. Aus unserer Sicht ist es ein Mittelweg, wenn man sich das im Bundesländerver gleich anschaut. Andere Länder haben 50 Jahre vorgesehen. Wir müssen einfach darauf achten, dass auch für künftige Ge nerationen die Haushalte noch gestaltbar sind.

(Zuruf von der AfD)

Man muss darüber hinaus in den Blick nehmen, dass auch das, was über die Konjunkturkomponente aufgenommen wird, in wirtschaftlich guter Lage zurückgezahlt werden muss. Zusam men mit den 288 Millionen € pro Jahr, die wir in die Tilgung stecken wollen, ist das eine große Summe. Insofern denken wir, dass der Zeitraum von 25 Jahren ab 2024 der richtige ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Der Rechnungshof hat aber – das möchte ich hier jetzt noch festhalten – nicht unsere Auffassung infrage gestellt, dass es sich um eine Naturkatastrophe handelt und eine Kreditaufnah me auf dieser Basis möglich ist. Er hat auch die Höhe der Schulden nicht kritisch kommentiert. Insofern, denke ich, ist es der richtige Weg, den wir haushalterisch beschritten haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und das, was er kritisiert hat, lassen Sie weg!)

Zum anderen möchte ich sagen, dass es natürlich bedauerlich ist, dass wir erst seit gestern Abend zwei oder drei Änderungs anträge von der Opposition, von der SPD, auf dem Tisch ha ben – immerhin. Aber auf der anderen Seite lesen und hören wir,...

Frau Abg. Walker, kom men Sie zum Schluss.

... dass Sie ein Gutachten er stellen wollen, um den Haushalt insgesamt auf Verfassungs mäßigkeit zu überprüfen. Da muss man irgendwann fragen: Was ist eigentlich das, was Sie wollen?