Protocol of the Session on July 22, 2020

Jetzt klopfen Sie, liebe Koalition, sich ja gern auf die Schul ter.

(Zuruf: Ja!)

Wahrscheinlich ist es besser, wenn man das selbst tut, wenn es sonst keiner tut.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Aber weder die Initiatoren des Volksbegehrens „Pro Biene“ noch die Unterstützer des Volksantrags hatten offensichtlich Vertrauen in die Landesregierung, Herr Kollege Reinhart. An ders ist die breite Unterstützung von Volksbegehren und Volks antrag doch gar nicht zu erklären. Oder wollen Sie mir erklä ren, dass 90 000 Menschen aus Freude über die Landesregie rung einen Volksantrag unterzeichnen?

(Beifall – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist gelebte Demokratie! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Die haben Vertrauen!)

Ja, natürlich. Aber, Herr Schwarz, wenn die Regierung nicht handelt, dann muss halt der Bürger handeln. Genau das ist nämlich der Punkt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Die haben Ver trauen, dass wir uns damit befassen, Herr Kollege!)

Wenn das Vertrauen fehlt, muss man die Themen eben selbst anpacken. Deshalb ist der heutige Tag ein großer Tag der Bür gerbeteiligung, aber sicher kein Glanzpunkt für diese Koali tion, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wie schwer Sie sich damit tun, kann man der heute vorliegen den Beschlussempfehlung entnehmen. Auf die vielfältige Pro blemlage, die ich bereits angesprochen habe, nennen Sie zwei konkrete Punkte: erstens die Schaffung eines Kulturland schaftsrats und zweitens weitere Maßnahmen zur Vermark tung regionaler Produkte. Das kann man sicher so machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber wirklich weltbewegend ist das ja nicht.

Uns, der SPD, reicht dies nicht. Wir wollen eine klare Pers pektive für landwirtschaftliche Betriebe mit dem Ziel, deren Existenz zu sichern. Wenn wir Landwirtschaft und Arten schutz voranbringen wollen, dann müssen wir uns zu einer dauerhaften finanziellen Förderung bekennen, die über den Doppelhaushalt hinausgeht. Wir wollen die Betriebe mit ei ner Gemeinwohlprämie unterstützen. Diese Gemeinwohlprä mie soll den Beitrag für den Artenschutz würdigen und klar machen, dass wir die Leistungen der Landwirte für unser al ler Gemeinwohl anerkennen. Wenn wir den Weg hin zu einer modernen Landwirtschaft ernst nehmen, dann müssen wir auch bereit sein, langfristig eine Perspektive für diese Part nerschaft in unserer Landwirtschaft zu schaffen.

(Beifall)

Gerade weil uns diese Perspektive für die Betriebe wichtig ist, hätten wir mit Ihnen gemeinsam an einer Beschlussempfeh lung gearbeitet, die über den Horizont der aktuellen Landes regierung hinausgeht. Es ist eine verpasste Chance, dass wir beim ersten Volksantrag in der Geschichte unseres Landes nicht alle demokratischen Kräfte zusammenbinden konnten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Ich will an dieser Stelle auch sagen: Es gab ein entsprechen des Angebot der Fraktion der CDU an die Fraktion der SPD und die Fraktion der FDP/DVP. Diesen zarten Versuch hat je doch die Fraktion GRÜNE im Keim erstickt.

(Zuruf: Ach!)

Ja, das ist halt so. – In der Sache wäre es richtig und wich tig gewesen, über den Tellerrand hinauszuschauen und diese Beschlussempfehlung gemeinsam auf den Weg zu bringen.

Apropos Blick über den Tellerrand: Eine Meldung des heuti gen Tages zeigt, wie uneins Sie mit Blick auf die Zukunft sind. Die grüne Wissenschaftsministerin will in Richtung neue Gen technik forschen, im Übrigen mit Unterstützung durch Peter Hauk, doch der grüne Ministerpräsident, der ja auch anwe send ist, bremst sie aus. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kol legen, keinen gemeinsamen Weg in die Zukunft finden, dann sollten Sie auch nicht über eine gemeinsame Zukunft nach denken.

(Beifall)

Denn unser Land braucht in dieser wichtigen Frage, wie wir Artenschutz und Landwirtschaft miteinander versöhnen und unterstützen, eine gemeinsame Idee. Die Probleme sind viel fältig, und wir wollen diese Probleme gern in der Zukunft lö sen. Deswegen lassen Sie uns dies verwirklichen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall)

Für die Fraktion der AfD erteile ich das Wort Herrn Abg. Stein.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ein Volksantrag kann zu allen Landes themen eingereicht werden. Wenn knapp 40 000 Bürger un terschrieben haben – in diesem Fall jetzt 86 000 –, muss sich der Landtag damit beschäftigen. Ein Volksbegehren dagegen hat zwei Stufen: zuerst den Zulassungsantrag, der 10 000 Un terschriften benötigt, dann das eigentliche Volksbegehren, das sich über sechs Monate hinzieht und von mindestens 10 % der Wahlberechtigten unterschrieben werden muss. Wenn der Landtag dem Volksbegehren nicht zustimmt, kommt es zur Volksabstimmung.

Es war von den Initiatoren des Volksantrags klug, diese mil dere Form mit der niedrigeren Schwelle zu wählen. Es war klug, eigene deutliche Positionen zur Diskussion zu stellen, ohne Gegnerschaft aufzubauen. Es ist ein großer gesellschaft licher Vorteil, dass nicht – wie beim Volksbegehren „Rettet die Bienen“ – die eine gesellschaftliche Gruppe die Freiheit einer anderen Gruppe beschneiden möchte.

Neben seinen konstruktiven Sachforderungen müssen wir die sen Volksantrag in der Politik als Warnschuss begreifen. Denn irgendetwas ist ja schon schiefgelaufen, damit es so weit kom men musste.

Zu den einzelnen Punkten des Volksantrags. Der flächendecken de Erhalt der heimischen Landwirtschaft sagt leider nichts über die Zahl der Betriebe aus. Wenn nur die Flächendeckung erhalten werden soll, könnte dies auch in einer Kolchose oder

in einer Aktiengesellschaft erfolgen. Genau diese Punkte leh nen wir von der AfD ausdrücklich ab.

(Beifall)

Wir sagen Nein zum weiteren Strukturwandel, wir sagen als einzige Partei Nein zum weiteren „Wachsen oder Weichen“.

Unsere Diskussion heute findet im größeren Zusammenhang der in vielfacher Hinsicht bedrohlichen Green-Deal-Pläne der EU statt. Es ist erstaunlich, dass die EU selbst sieht, wie ge fährlich diese Politik für die einheimische Landwirtschaft und Wirtschaft sein wird, wenn sie über die Einführung eines Kli mazolls für Importprodukte an der EU-Außengrenze nach denkt.

Die Beschlussempfehlung unseres Ausschusses möchte den Volksantrag mit den Gesetzesänderungen zum Naturschutz gesetz und zum Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz, die wir heute ebenfalls beraten, erledigt wissen. Das ist ein from mer Wunsch der Regierung. Die Landwirte äußern völlig zu Recht weiterhin Kritik. Die schönen Ziele der Gesetzesände rungen werden hohe Mehrkosten nicht nur für die Landwirte, sondern auch für unseren Landeshaushalt bedeuten. Die Po litik täuscht sich hier selbst und täuscht die Landwirte, wenn sie das im Rahmen des vorhandenen Mitteleinsatzes decken möchte.

Zum schönen Wort Biotopverbund. Wenn dafür schon in zehn Jahren über 250 000 ha reserviert werden sollen, wie viel Ein kommen fehlt denn dann den Landwirten? Natürlich sind auch entgangene Gewinne Erfüllungsaufwand im Sinne des Geset zes. Flächen für den Biotopverbund dürfen der Landwirtschaft nur freiwillig und dann mit angemessener Vergütung entzo gen werden. Die Gesetzesänderung darf kein trojanisches Pferd für die Deutsche Umwelthilfe werden.

Die Kritik der Landwirtschaft am Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten besteht weiter. Die Existenz der Betriebe wird einem theoretischen natur schutzfachlichen Interesse untergeordnet. Dazu sagen wir ganz klar Nein, nicht mit der AfD.

(Beifall)

Das öffnet ideologischer Willkür über die Grundrechte zum Eigentum und zu unternehmerischer Freiheit Tür und Tor.

Jetzt zum Ökolandbau. Der Volksantrag spricht in Punkt 7 da von – sehr vernünftig –, den Ökosektor nachfrageorientiert auszubauen. Der biologische Landbau gründet sich auf zwei Pfeiler: die Überzeugung der Bauern und die Nachfrage der Verbraucher. Ein staatlicher Zwang wird – wie eine zu hohe Sauerstoffzufuhr zu einem Feuer – diesen Markt krank ma chen und das Ganze zu schnell abbrennen lassen.

Wie wir es mit unseren Änderungsanträgen zu dem im nächs ten Tagesordnungspunkt zu beratenden Gesetzentwurf tun, so hält auch die Landwirtschaft die Reduktion des Pflanzen schutzmitteleinsatzes um 40 bis 50 % innerhalb von zehn Jah ren für fachlich nicht machbar. Die Formulierung muss daher geändert werden, und zwar von „wird... werden“ in „soll... werden“. Wir in der Politik sind keine Zauberer, und wir sind auch keine Diktatoren. Wir können Rahmenbedingungen set zen, aber der konkrete Eingriff der Politik in die Wirtschaft

war immer zum Scheitern verurteilt. Das möchte ich hier auch noch einmal explizit der SPD sagen, wenn es an die Geldver teilung geht: Ein freier Markt – und davon sind wir in der Landwirtschaft ganz weit entfernt – funktioniert am besten. Da müssen wir langfristig wieder hin.

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Herr Kollege, wissen Sie, was Sie gerade vorge tragen haben?)

Die Politiker werden weiter ihre Gelder bekommen, auch mit einem Schutz der einheimischen Wirtschaft – nicht global frei, sondern, wie Sie immer sagen, nach dem Prinzip der Regio nalität, zu gleichen Bedingungen,...

(Lebhafte Unruhe)

Meine Damen und Herren, Herr Abg. Stein hat das Wort.

(Anhaltende Unruhe)

... zu Bedingungen, die dann weltweit gelten, wenn Produkte zu uns kommen.

Die Bauern werden ihrer Existenz beraubt, wenn Sie so wei termachen

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wenn Sie so weitermachen!)

und den Pflanzenschutz reduzieren möchten.

Direkte Demokratie gehört zum Wesenskern unserer Partei. Wir von der Alternative für Deutschland treten seit unserer Gründung für mehr Mitbestimmung der Bürger bei politischen Entscheidungsprozessen ein. Allein die Diskussion über die Volksanträge ist eine Bereicherung unserer Demokratie.

(Zurufe)

Direkte Demokratie braucht jedoch die Identifikation des Bür gers mit seiner Heimat.