Protocol of the Session on July 22, 2020

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Warum re gen Sie sich dann so auf?)

Weil ich mich wundere, welche Reden hier gehalten wer den. Darüber rege ich mich auf.

(Zurufe, u. a. Abg. Rudi Fischer FDP/DVP: Herr Un tersteller, wir sind in einer Demokratie!)

Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.

(Zurufe – Unruhe)

Ich darf mich doch wundern, wenn man hier solche Reden hält, bei denen man den Eindruck bekommt, wir lieferten hier das Land wirklich was weiß ich wem aus.

(Zurufe, u. a. Abg. Rudi Fischer FDP/DVP: Herr Un tersteller, Sie dürfen sich wundern, und ich darf mei ne Rede halten!)

Die heutige Beschlussfassung, verehrte Kolleginnen und Kol legen, markiert, wie ich finde – Herr Kollege Fischer – das gute Ende eines Gesetzgebungsprozesses, der zugegebener maßen nicht immer einfach, aber meines Erachtens sehr wich tig und letztlich auch richtig war.

Angefangen mit dem Start des Volksbegehrens über die Ent wicklung des Eckpunktepapiers gemeinsam mit Peter Hauk Anfang Oktober des letzten Jahres bis hin zu dem heute vor liegenden Gesetzentwurf haben wir alle gemeinsam – das be tone ich noch einmal –, die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens, die Naturschutz- und die Landnutzerverbän de, die Landesregierung und letztlich auch etliche Kollegin nen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen, bewiesen, dass es gelingen kann, die Herausforderungen des Artenster bens im Dialog miteinander anzugehen.

Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei Kollegin Rolland für die Ankündigung, dass die SPD-Fraktion diesem Gesetzent wurf zustimmt. Das freut mich. Aber natürlich frage ich mich: Wie passt denn das zu der Rede, die Ihr Fraktionsvorsitzen der vorhin gehalten hat?

(Zuruf: Sehr gut passt das!)

Das hat nicht so richtig damit zu tun. Aber am Schluss

(Abg. Sascha Binder SPD: Dann haben Sie ihr nicht zugehört!)

lieber Kollege Binder – zählt das Ergebnis.

(Zurufe)

Ja, es zählt das, was hinten herauskommt.

Ich freue mich wirklich aufrichtig über die Zusage, dass die SPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt.

(Vereinzelt Beifall)

Das Artensterben aufzuhalten ist nicht nur ein Selbstzweck. Denn es geht um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrund lagen für uns, aber es geht vor allem um den Erhalt der Le bensgrundlagen für unsere Kinder und Kindeskinder.

Warum habe ich das in Bezug auf Ihren Fraktionsvorsitzen den, Kollegen Stoch, gesagt? Man hatte vorhin den Eindruck, da hätten jetzt welche von außen zum ersten Mal etwas vor

gelegt, um die Themen Naturschutz und Artenschutz in Ba den-Württemberg aufzugreifen. Also, ich meine, wir haben einmal gemeinsam regiert

(Abg. Gabi Rolland SPD: Ja!)

und das eine und andere auch gemeinsam gemacht. Ich will daran erinnern: Naturschutzstrategie, Nationalpark – wir ha ben die Mittel von 30 Millionen € auf 60 Millionen € erhöht – usw. In dieser Legislaturperiode, mit dem neuen Koalitions partner, haben wir die Dinge weiterentwickelt, beispielswei se mit dem Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt. Wir haben die Mittel im Naturschutz weiter erhöht usw. Da braucht man hier doch keine Reden nach dem Motto zu halten, man müsse uns jetzt zum ersten Mal sagen, wie es im Naturschutz geht.

Klar ist, dass die Maßnahmen bisher nicht ausgereicht haben, um den Artenverlust, von dem vorhin auch der MP gespro chen hat, aufzuhalten. Das ist doch mit ein Grund dafür, wa rum das Volksbegehren entstanden ist. Übrigens: Das Volks begehren war im Kern eine Reaktion auf die Krefelder Stu die, auf die Debatte, die sich daraus in der Öffentlichkeit ent wickelt hat, und war auch eine Reaktion auf das Volksbegeh ren in Bayern. Das war sozusagen die geschichtliche, die his torische Entwicklung.

Es ist doch okay, wenn so ein Anstoß aus der Gesellschaft he raus kommt. Es ist doch die vornehmste Aufgabe des Parla ments oder auch einer Regierung, eine solche Initiative aus der Gesellschaft aufzugreifen und zu schauen, wie man das so umsetzt, dass es keine gesellschaftliche Spaltung gibt – die es gegeben hätte, wenn das Volksbegehren zum Tragen ge kommen wäre; da bin ich mir sehr sicher.

(Beifall)

Wir haben, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit die sem beispielhaften, dialogorientierten Prozess auch bewiesen, dass die Demokratie in unserem Land allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz funktioniert und dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land da ist. Es hat sich gezeigt, wie breit der Konsens darüber ist, dass wir weitere Maßnah men ergreifen müssen, um die Biodiversität zu erhalten, und dass wir dabei die Landwirtschaft als Partner auf dem Weg zu diesem Ziel begreifen müssen.

(Vereinzelt Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die in den Ausschüssen und jetzt auch hier von der FDP/DVP, aber auch von Kollegin Rol land und ihrer Fraktion gestellten Änderungsanträge zeigen, dass es hier – wie auch in manchen Landnutzerverbänden; auch das ist ja bekannt – Skepsis bezüglich der Frage gibt, ob die beabsichtigte Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsat zes im Umfang von 40 bis 50 % bis zum Jahr 2030 zu erreichen ist. Übrigens, noch einmal: Das ist eine gesamtgesellschaftli che Aufgabe, und dies verpflichtet nicht den einzelnen Be trieb. Dann muss man hier auch keine Horrormärchen erzäh len von wegen, die DUH werde irgendwann dastehen und ir gendetwas einklagen. Das ist schlichtweg Nonsens.

(Beifall)

Diese Skepsis ist jedenfalls auch hier sichtbar.

Mir ist durchaus bewusst – da bin ich auch mit Peter Hauk ei nig –, dass es ein ambitioniertes Ziel ist, das wir da haben. Aber gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es kein unre alistisches Ziel ist. Übrigens sind wir da durchaus nicht ganz allein. Schauen Sie etwa einmal in die Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union, die vor wenigen Tagen vorgelegt wurde, oder schauen Sie, was beispielsweise in Bayern mitt lerweile beschlossene Gesetzeslage ist, oder schauen Sie in weitere Bundesländer.

Es ist ein Ziel, das letztendlich wiederum gesamtgesellschaft licher Anstrengungen bedarf. Denn die Einsparungen bei den Pflanzenschutzmitteln können und sollen nicht allein von der Landwirtschaft erbracht werden,

(Zuruf: Aha!)

sondern genauso vom Land – in der Bewirtschaftung unserer eigenen Flächen –, von den Kommunen in der Bewirtschaf tung ihrer Flächen sowie im Verkehrsbereich – denken Sie einmal an das sogenannte Straßenbegleitgrün –; zudem geht es auch um die privaten Gärten. All diese Punkte, die ich da genannt habe, sind Gegenstand dieses Gesetzentwurfs. Es ist nicht so, dass wir, wie es hier in manchen Reden angeklungen ist, hierbei allein die Landwirtschaft in die Verpflichtung neh men würden. Das ist mitnichten der Fall.

(Beifall – Zurufe)

Den Weg zu diesem Ziel werden wir auch noch genauer kon kretisieren müssen. Frau Kollegin Rolland, Sie meinten, was fehle, sei eine Risikobetrachtung der Wirkstoffe. Es lohnt sich doch manchmal durchaus, in einen Gesetzentwurf hineinzu schauen, um herauszufinden: Was steht denn dazu geschrie ben? Ist es wirklich so, dass dazu nichts geschrieben steht? Es ist natürlich nicht so, dass wir dazu nichts geschrieben hätten. In § 17 steht zunächst einmal sinngemäß, dass wir jährlich ei nen Monitoringbericht machen und dass wir in den Jahren 2023 und 2027 umfassende Berichte erstellen. Weiter heißt es dort – ich zitiere –:

Der Bericht umfasst auch eine Bewertung hinsichtlich des Risikopotenzials einzelner Wirkstoffe...

Was ist denn das anderes als das, was Sie mit Ihrem Ände rungsantrag wollen? Jetzt kann man sagen, das sei noch zu unpräzise. Aber lasst uns doch zuerst mal das neu aufzubau ende Monitoring machen, und dann schauen wir, wie es läuft – und dann kann man noch immer kommen und nachsteuern und sagen: „Es hat sich Folgendes gezeigt.“ Aber von vorn herein bei einem Punkt, den wir in diesem Gesetzentwurf be rücksichtigt haben, so zu tun, als gebe es den nicht, das finde ich ein bisschen gewagt. Ich kann es daher gut verstehen, dass die beiden Koalitionsfraktionen dem Änderungsantrag nicht zustimmen wollen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Eines muss jedem von uns klar sein: Allein mit der Verabschiedung des Geset zes heute ist es noch nicht getan. Erst die tagtägliche prakti sche Umsetzung und auch die Anwendung der gesetzlichen Regelungen bewirken eine Stärkung der Biodiversität und der bäuerlichen Landwirtschaft in unserem Land. Wir befinden uns nicht etwa am Ende eines langen Weges, sondern an des sen Anfang, auch wenn wir heute bereits ein ganz wichtiges Etappenziel erreichen.

Ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich bei allen, die an diesem Prozess mitgewirkt haben, bei den Umweltverbänden, bei den Anbauverbänden, bei den Landwirtschaftsverbänden, auch im Obstbaubereich, bei den Weinbauverbänden, aber auch bei vielen anderen, die in diesen Prozess eingebunden waren, die über Monate hinweg mitdiskutiert haben. Ich be danke mich natürlich auch bei den beiden Koalitionsfraktio nen, die schlussendlich ihre Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben haben, und bei der SPD, die signalisiert hat, dem Ge setz zuzustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, jetzt spricht noch einmal Herr Minister Hauk.

(Zurufe, u. a.: Oh nein! – Das gibt es doch nicht!)

Ich kann aber schon jetzt ankündigen, dass ich angesichts der bisherigen Redezeit der Regierung gehalten bin, die Redezeit der Fraktionen zu verlängern. Also, wenn Sie noch wünschen, tiefer in die Debatte einzusteigen, können Sie weitere Rede zeit beanspruchen. Dafür hat schon Herr Minister Unterstel ler gesorgt.

Jetzt spricht noch Herr Minister Hauk.

Deshalb nur wenige Bemerkungen zu der heu tigen zweiten Lesung des Gesetzentwurfs, für den ich herz lich um Zustimmung bitte.

Erstens: Ich glaube, die Hauptziele dieses Gesetzes sind ei nerseits das Thema Pflanzenschutzmittelreduktion, anderer seits die Zielsetzung, den Bioanteil – – Herr Kollege Pix, wenn Sie mir Ihr Angesicht zuwenden würden – –

Herr Abg. Pix, würden Sie sich bitte hinsetzen und leise sein?