Es ist uns gelungen, das Gesundheitssystem innerhalb kurzer Zeit hochzufahren und eine Überlastung zu vermeiden. Es ist uns gelungen, Menschen, die besonders gefährdet sind, zu schützen. Und es ist uns schlicht und einfach gelungen, Men schenleben zu retten.
Schauen Sie in den Ticker von vor einer Stunde: Corona-Aus bruch in einem Fleischwerk in Nordrhein-Westfalen, 350 In fektionen. Schauen Sie nach China, schauen Sie in den Iran. Das, was hier zuletzt gesagt wurde, ist einfach nicht mehr er träglich.
Meine Damen und Herren, eine vergleichbare Situation, wie sie jetzt durch die Covid-19-Pandemie besteht, gab es seit der Spanischen Grippe Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr. Behörden, Stellen und Institutionen, die für den Schutz der Bevölkerung vor einer unkontrollierten Ausbreitung des neu artigen Covid-19-Erregers zuständig sind, konnten auf nahe zu keine gesicherten Erkenntnisse und Erfahrungen zurück greifen. Auch bestehende gesetzliche Regelungen – darauf ha ben Sie alle dankenswerterweise hingewiesen – waren in die ser Situation, bei dieser plötzlich auftretenden, weltumspan nenden Ausbreitung eines bislang unbekannten Krankheitser regers nicht passend zugeschnitten.
Dennoch, meine Damen und Herren, ist es uns in Deutschland gelungen – gerade uns in Baden-Württemberg als dem Haupt inzidenzland neben Bayern –, die Ausbreitung des Covid19-Erregers und, was noch viel wichtiger ist, die Letalitätsra te um ein Vielfaches stärker zu begrenzen, als dies in zahlrei chen anderen westlichen Ländern der Fall war.
Zu diesem Zweck hat die Landesregierung von Baden-Würt temberg eine Rechtsverordnung erlassen und sie in insgesamt 13 Fassungen an die jeweils vorherrschenden und sich schnell ändernden Gegebenheiten angepasst. Darüber hinaus hat die Landesregierung in insgesamt 57 Ressortverordnungen und entsprechenden Veränderungsverordnungen eine Vielzahl von Normen und Regelungen zu speziellen bzw. besonders kom plexen Bereichen wie Veranstaltungen, Gastronomie und Frei zeitaktivitäten erlassen.
Einen Großteil dieser Verantwortung trägt das Ministerium für Soziales und Integration, auch in alleiniger Zuständigkeit. Es ist und war vor allem eine Mammutaufgabe. Aber, meine Damen und Herren, mit diesem Kraftakt ist es der Landesre gierung gelungen, die Zahl der Neuansteckungen, der schwe ren Verläufe und der Sterbefälle in Baden-Württemberg stär ker zu begrenzen, als dies anderswo gelungen ist. Dies ist ein großer und beträchtlicher Erfolg, und das Ganze wird und wurde von der Bevölkerung weitestgehend begrüßt und mit getragen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, aber auch bei Ihnen, meine Damen und Herren. Sie haben uns in den ganzen – – Vor zwei Tagen lag der erste Fall in Baden-Württemberg 100 Tage zurück. 100 Tage sind nach dem Amtsantritt einer neuen Regierung oft die erste Frist. Es ist der Hammer, was in dieser Zeit alles passiert ist. Sie selbst haben uns ja permanent auch auf dem Laufen den gehalten und uns immer wieder informiert.
Es gilt, Ansteckungen zu verhindern, eine Überlastung des Gesundheitssystems und die damit verbundenen Gefahren zu vermeiden sowie Gesundheit und Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das Leben und die Gesundheit jeder Bür gerin und jedes Bürgers sind höchste Werte in unserer Verfas sung. Sie sind die vitale Basis für die Verwirklichung aller an deren Grundrechte.
Um das Leben und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bür ger schnell und wirksam schützen zu können, musste die Ex ekutive in andere Grundrechte eingreifen. Dazu gehören Re gelungen wie Kontaktbeschränkungen, Beschränkungen für Versammlungen, Feiern, Freizeitaktivitäten sowie Einschrän kungen für Einzelhandel, Gastronomie, Konzerne, kleine und mittlere Betriebe.
Meine Damen und Herren, niemand hat es gern gemacht, aber es war notwendig, um Leben zu retten. Sie kennen die For mel AHA – Abstand, Hygiene, Atemschutz. Das war einfach das Gebot der Stunde. Genau durch diese Regelungen haben wir es geschafft, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Heute ist das Virus zwar da, aber nicht flächendeckend. Da mit haben wir Leben gerettet.
Bei der Bewältigung dieser Pandemie hat die Landesregie rung den Schutz von Leben und Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger mit anderen privaten, gesellschaftlichen und wirt schaftlichen Interessen bestmöglich in Balance gebracht. Wir haben zu keinem Zeitpunkt eine Ausgangssperre verhängt, wir haben die Wirtschaft nicht stillgelegt. Man könnte sagen: Viel mehr sind manche Rechte lediglich für kurze Zeit in den Hin tergrund getreten,
Dabei haben wir auch nie die Folgen der Pandemie aus den Augen verloren – ich verweise auf die ganzen Debatten in den letzten Wochen. Um beispielsweise wirtschaftliche Nachtei le so weit wie möglich abzumildern, wurden enorme Summen investiert, Sofortprogramme aufgelegt, die überall hohen An klang fanden.
Ich möchte betonen, meine Damen und Herren: Wir haben zu keinem Zeitpunkt eine „Basta“-Politik gemacht. Wir haben immer mit den Menschen geredet, denen wir so viel zugemu tet hatten wie nie zuvor. Wir haben auch mit den Eltern – – Wir schaffen Transparenz, wie allein die BürgerreferentenHotline meines Ministeriums erkennen lässt – über 12 000 in dividuelle Antworten zu allen Fragen rund um diesen Prozess. Wir gehen wirklich jeder Frage nach, auch wenn sie noch so schwierig ist. Wir schaffen diese Transparenz. Natürlich war es uns immer wichtig, das Parlament einzubeziehen.
Über die Entscheidungen der Landesregierung habe auch ich in mehreren Sitzungen des Ausschusses für Soziales und In tegration umfassend berichtet,
habe zusätzlich den Mitgliedern angeboten, in Telefonschalt konferenzen im April, in einem Informationsgespräch im Mai – – Ich habe immer berichtet, was wir tun. Ich habe aus Ihrer Mitte immer wieder auch Hinweise, Anregungen, Störhinwei se – wenn es wieder kein Schutzmaterial, wenn es wieder Sor gen gab – sofort aufgenommen und auch immer gesagt, dass wir das einspeisen.
Am 19. März hat der Landtag der Landesregierung zur Be wältigung der Pandemie eine Kreditermächtigung erteilt. Wir, meine Kolleginnen und Kollegen und ich sowie der Minister präsident, haben uns im Rahmen von Aktuellen Debatten, Fra gestunden und Regierungsbefragungen am 29. April und am 6. Mai umfassend zur Verfügung gestellt.
Es ist richtig: Es war immer wichtig, dass die Einbeziehung des Parlaments zu jedem Zeitpunkt möglich ist. Ich glaube, das Parlament haben wir auch nicht ausgegrenzt. In der Tat sollen insbesondere Entscheidungen, die tief in Grundrechte und in besonders hochrangige Grundrechte eingreifen, dem Parlament vorbehalten sein. Dabei müssen aber einige we sentliche Voraussetzungen eingehalten werden können.
... unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsver ordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Be kämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.
Gemäß Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes – Sie haben es zitiert – kann die Landesregierung entsprechende Regelungen auch durch Gesetz erlassen.
Geht man von den Vorgaben von Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes aus, darf die Wirksamkeit geltender und zu
künftiger Rechtsverordnungen der Landesregierung aber nicht von der Zustimmung des Landtags abhängig gemacht werden. Damit würde übersehen, dass Artikel 80 Absatz 4 des Grund gesetzes die Ermächtigung der Landesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen gerade keinen weiteren Bedingun gen unterstellt.
Weiter ist unabdingbar, dass die Exekutive imstande ist, mög lichst unverzüglich auf das aktuelle Infektionsgeschehen zu reagieren, ein Geschehen, das sich sehr schnell ändern kann. Die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung von Rechtsverordnungen durch den Landtag in Fällen von Gefahr im Verzug erweist sich somit als wenig praktikabel. Die Er fahrungen aus der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass im Zuge eines Infektionsgeschehens nahezu immer Gefahr im Verzug vorliegt.
Nicht zuletzt – das wird auch bei dem dann vorzulegenden Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen so sein; auch die SPD hat einen angekündigt –
muss im Sinne der Rechtssicherheit sichergestellt sein, dass keine regelungsfreien Schwebezustände entstehen. Derartige Schwebezustände nämlich wären die Folge, wenn der Land tag ermächtigt würde, geltende Rechtsverordnungen mit so fortiger Wirkung außer Kraft zu setzen. Die bisherigen Erfah rungen mit der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass die Ermächtigung der Landesregierung, mit sachgerecht zuge schnittenen Rechtsverordnungen auf die jeweils aktuelle Ent wicklung des Infektionsgeschehens zu reagieren, ein wichti ges und ein wirksames Instrument ist. Diese Handlungsopti on ist zwingend erforderlich.
Der von der FDP/DVP vorgelegte Entwurf ist zur Einhaltung der Maßgabe, Handlungsschnelle und Beteiligung abzusi chern, aus unserer Sicht nicht geeignet. Wir sind gespannt und werden gemeinsam beurteilen, was jetzt kommt. Das erfolgt auch in enger Absprache.
Ich darf ganz zum Schluss aus der „Süddeutschen Zeitung“ – Frau Präsidentin, Sie erlauben – vom 14. Juni 2020 aus dem Leitartikel von Frau Henzler zitieren:
Mit seinem sachorientierten Regierungsstil ist Kretsch mann gut gefahren. Auch das Coronavirus, das sich in Baden-Württemberg mit der zweithöchsten Infektionsra te in der Republik ausgebreitet hatte, konnte seine Regie rung erfolgreich eindämmen....
Dass die Landesregierung oft bis zur letzten Minute an Verordnungen feilte, hat ihr auch Kritik eingebracht. Doch insgesamt hat die Koalition gerade in den ersten Wochen in hohem Tempo die richtigen Entscheidungen getroffen, um das Virus in den Griff zu bekommen und Kommunen und Wirtschaft zu stützen.
Meine Damen und Herren, genau das ist der Maßstab für das gute Miteinander, das auch ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Soziales und Integration im mer gepflegt habe. Sie haben mich immer auf dem Laufenden gehalten, und ich habe es im Gegenzug ebenso gemacht. Auf dieser Basis werden Sie uns, denke ich, einen guten Gesetz entwurf vorlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine Wortmeldungen von den Parla mentariern mehr vor. Damit ist diese Aussprache beendet.
Ich schlage Ihnen vor, dass wir den Gesetzentwurf Drucksa che 16/8152 zur weiteren Beratung an den Ständigen Aus schuss überweisen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.