Protocol of the Session on May 7, 2020

Noch ein Wort zur Opposition: Herr Abg. Binder, selbstver ständlich dürfen Sie mich kritisieren, auch hart, auch in un fairer Weise. Bitte übertreiben Sie es nicht mit Ihrer Nähe.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Das wäre höchst gefährlich.

(Abg. Sascha Binder SPD: 1,50 m Abstand!)

Dosieren Sie das Lob bitte sparsam

(Zuruf: Das hat sich in diesem Fall nicht vermeiden lassen!)

auch wenn es sich nicht ganz vermeiden lässt.

Herr Abg. Dr. Goll, dass Sie jetzt Brandenburg sozusagen als Vorbildlösung für den Landtag von Baden-Württemberg an führen – und das in der letzten Lesung des Gesetzentwurfs –, finde ich zumindest bemerkenswert. Brandenburg hat eine Lö sung für die Coronazeit. Diese ist bis zum 30. Juni befristet. Es war der Wunsch aus diesem Landtag, und es war vor allem der Wunsch der kommunalen Landesverbände: Schafft uns nicht nur eine Übergangslösung für Coronazeiten; wir wollen eine rechtssichere, dauerhafte Lösung.

(Vereinzelt Beifall)

Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass sie heute eine solche Lösung beschließen werden und nicht wie in Branden burg nur eine Lösung, die bis zum 30. Juni befristet ist. Das ist ein fundamentaler Unterschied; denn wir machen uns hier in Baden-Württemberg auf den Weg, den Kommunen solche digitalen Möglichkeiten auf Dauer zu eröffnen statt nur bis zum 30. Juni, also bis in wenigen Wochen.

Herr Minister, Herr Abg. Dr. Goll würde Sie gern noch etwas fragen. Lassen Sie diese Frage zu?

Selbstverständlich.

Herr Minister, ich gehe aber doch recht in der Annahme, dass die Aussage, es sei auf Dau er statt vorübergehend, nichts mit den Argumenten zu tun hat, die Ihrerseits gegen eine Telefonlösung vorgebracht wurden. Das hat mit der Frage, ob es vorübergehend oder auf Dauer angelegt ist – Verzeihung –, eigentlich nichts zu tun.

Dabei ist die Brandenburger Lösung vor zwei Wochen be schlossen worden; insofern wäre ich vorsichtig, in Bezug auf Baden-Württemberg von „Spitzenreiter“ zu reden. Zudem wurde diese Lösung in Brandenburg ja pikanterweise von CDU, SPD und Grünen beschlossen.

Verehrter Herr Kollege Dr. Goll, noch einmal: Die Brandenburger Lösung ist mit unserer Lösung überhaupt nicht zu vergleichen. Die Brandenburger Lösung hätte ich so gar – das hätte ich mir zugetraut – innerhalb der Corona-Ver ordnung machen können – befristet, nicht auf Dauer.

Natürlich sind die rechtlichen Anforderungen, die Sie an ein solches Gesetz richten, das nur für eine bestimmte Zeit gilt, ganz andere. Uns geht es darum, den Kommunen dauerhaft eine Möglichkeit zu schaffen und dies auf rechtssichere Art und Weise zu tun.

Das Zuschalten von Telefonen, diese Hybridlösung, steht rechtlich auf wackligen Füßen. Das kann man in einer Not zeit, befristet machen. Da sagt vielleicht auch ein Verfassungs gerichtshof oder ein Staatsgerichtshof: „Ja, befristet, für eine bestimmte Zeit könnt ihr so etwas machen, aber nicht als Dau erlösung.“

Deswegen ist das, was wir hier machen, etwas ganz, ganz an deres, dass wir nicht nur für einige Wochen, sondern durch ei ne Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisord nung rechtssicher und dauerhaft eine Lösung eröffnen wollen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat hier einen völlig anderen, einen zukunftsgerichteteren und besseren Weg ein geschlagen als die Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg.

(Vereinzelt Beifall)

Herr Minister, wir wollen keine Debatte vom Zaun brechen, aber es gibt noch zwei Wortmeldungen.

Ja, gern.

Lassen Sie von Herrn Abg. Karrais bzw. Herrn Abg. Dr. Schweickert – wer hat sich jetzt da hinten gemeldet? –

(Abg. Anton Baron AfD: Die sehen alle gleich aus!)

noch eine Frage zu, Herr Minister?

Ja, gern. Selbstverständlich.

Herr Minister, wie beurtei len Sie denn die Hürden für eine Kommune in Baden-Würt temberg, beispielsweise eine Gemeinderatssitzung in Form ei ner Videokonferenz durchzuführen? Der entscheidende Un terschied zu Brandenburg ist ja anscheinend, dass das dort re lativ einfach, niederschwellig geht. In Baden-Württemberg hören wir aber – auch von den kommunalen Verbänden –, dass es sehr, sehr schwierig ist, überhaupt eine Sitzung zu veran stalten.

Ich meine, Sie hatten das schon einmal angekündigt, dass Sie per Coronaverordnung so etwas wie in Brandenburg einfüh ren könnten. Aber dass das dann nicht funktioniert hat, zeigt diese Debatte; denn die Gemeindeordnung kann nur vom Landtag geändert werden.

Ich will noch einmal auf die Frage zurückkommen und sie präzise stellen: Wie beurteilen Sie die Hürden für Kommunen für eine Sitzung in Form einer Videokonferenz?

Die Voraussetzungen dafür stehen im Gesetz, das der Landtag jetzt beschließen wird. Wir werden aber die Kom munen nicht mit dem Gesetz alleinlassen, sondern ihnen auch die Erläuterungen, die wir schon seit Mitte März immer und immer wieder geben, auch für diese schwierige Zeit, was die Interpretation des neuen Gesetzes angeht – jedenfalls aus Sicht des Innenministeriums, abgestimmt mit den kommunalen Landesverbänden –, geben.

Wenn Sie auf den grundsätzlichen Punkt abzielen, ob der Lan desgesetzgeber in Baden-Württemberg die Gemeinderatssit zungen in Form einer Videokonferenz als normale Alternati ve zur üblichen Gemeinderatssitzung möchte, dann muss ich Ihnen sagen: Ich interpretiere den Gesetzentwurf völlig an ders. Die Videokonferenz ist eine Möglichkeit für eine be stimmte Situation, also beispielsweise für eine Pandemiesitu ation, in der es unter Infektionsschutzgesichtspunkten einfach schwierig ist, sich körperlich zu treffen. Für solche Lagen wol len wir den Kommunen eine Hilfestellung geben, nicht aber dann, wenn die Mehrheit eines Gemeinderats der Auffassung ist: „Wir haben keine Lust mehr, zur Gemeinderatssitzung zu gehen, wir machen das jetzt bis zum Ende der Wahlperiode per Videokonferenz.“ Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht eine nur digitale kommunale Demokratie, sondern wir wol len, dass der Regelfall die Gemeinderatssitzung ist, in der man beieinander sitzt, in der man Auge in Auge diskutiert, Argu ment für Argument diskutiert und anschließend, wenn man möchte, im Ratskeller zusammen noch einen Schoppen trinkt.

(Beifall – Zurufe)

Das ist unsere Vorstellung von kommunaler Wirklichkeit.

Herr Minister Strobl, es gibt noch einen Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der SPD, des Kollegen Hinderer. Lassen Sie auch die zu?

Ja, selbstverständlich.

Herr Minister, Sie haben jetzt in höchsten Tönen den Gesetzentwurf der Regierungsfraktio nen – dem wir zustimmen werden –...

Das ist schön.

... gelobt. Im Vergleich zu Bran denburg sei unser Weg einzigartig, auf Dauer angelegt, in die Zukunft gerichtet, unbefristet.

Wie beurteilen Sie dann genau unter diesem Blickwinkel den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU bezogen auf die Fristen von Einwohneranträgen und Bürgerbegehren? Das, was der Änderungsantrag vorsieht, ist nicht in die Zukunft gerichtet, nicht auf Dauer angelegt, son dern befristet bis zum 31. Dezember 2020.

(Zurufe, u. a. Abg. Thomas Blenke CDU: Ja, weil das ein anderes Thema ist! Das hat nichts mit Corona zu tun!)

Dazu müssen Sie auch noch etwas sagen.

Verehrter Herr Abg. Hinderer, Sie durchsteigen natürlich selbst, dass das eine mit dem anderen wirklich gar nichts zu tun hat.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Richtig!)

In dem einen Fall haben wir eine klare gesetzliche Regelung, die jedenfalls nach meinem Eindruck von den Koalitionsfrak tionen – so, wie sie ist – für gut befunden wird, wobei man al lerdings sagt: In einer so schwierigen Zeit wie jetzt brauchen wir eine faire Lastenverteilung und ist es möglicherweise et was schwieriger, Unterschriften zu sammeln und anderes mehr. Deswegen machen wir für diese spezielle Zeit in einer Rechts situation, die wir für in Ordnung halten, eine Ausnahme.

Der vorliegende Gesetzentwurf hingegen hat in der Substanz einen anderen Inhalt. Wir machen nicht nur jetzt für diese Zeit geschwind etwas, sondern wollen es den Kommunen für solch schwierige Zeiten dauerhaft ermöglichen, die Hochtechnolo gie der Videokonferenz zu nutzen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Aber als jemand, der eine lange kommunale Pra xis in einer wunderschönen Stadt hinter sich hat, bin ich ganz sicher, dass Sie das durchaus auch selbst wissen.

Im Übrigen – –

Ich muss Sie nochmals aufhalten. Entschuldigung, Herr Innenminister.

Das ist doch gelebter Parlamentarismus, Frau Präsidentin.

Genau. Das freut mich.

Das hatten wir schon in der ersten Lesung, und ich freue mich, wenn das Parlament die Gelegenheit wahr nimmt, lebhaft zu diskutieren.

Nun würden wir Herrn Abg. Dr. Schweickert noch einmal für eine Frage ans Mikro fon lassen.

Sehr gern.