Protocol of the Session on May 6, 2020

(Beifall)

Aber was die Menschen in diesem Land mit am wichtigsten brauchen und was vor allem auch Unternehmerinnen und Un ternehmer brauchen, was Firmen, aber auch Arbeitnehmerin nen und Arbeitnehmer brauchen, sind Verlässlichkeit und Planbarkeit. Verlässlichkeit und Planbarkeit aber sind in die sen Tagen, zumindest im Land Baden-Württemberg, Mangel ware.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Genau deswegen zeigt sich nun das Problem, dass Ihre Poli tik noch zusätzliche Verwirrung stiftet. Das darf nicht sein. Es war sicher richtig, dass Mitte März viele Geschäfte schließen mussten. Aber wichtig wäre eben auch gewesen, bei der Wie dereröffnung im Handel nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, die gerecht sind und die rechtlich auch standhalten.

(Beifall)

In anderen Bundesländern – 13 an der Zahl – war es eben möglich, dass die Verkaufsfläche verringert wird. Doch das wurde vom hiesigen Ministerpräsidenten abgelehnt. Das Er gebnis haben wir dann erleben dürfen: Ein Gericht musste sa gen, was geht und was nicht geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir darüber reden, was Politik geben muss, nämlich Verlässlichkeit und Planbarkeit, dann kann man an dieser Stelle sagen: So jeden falls geht es nicht.

(Beifall)

Es geht im Moment ja genau in dieser Weise weiter. Bis vor wenigen Tagen noch – bei manchen vielleicht bis vor weni gen Stunden – wurde gesagt: „Wir können in der Gastrono mie noch nichts tun.“ Ich höre jetzt, dass Ministerpräsidenten anderer Länder wie Mecklenburg-Vorpommern, wie Nieder sachsen – Stephan Weil –, aber auch der von Ihnen, Frau Ei senmann, so gelobte Herr Söder bereits einen Plan beschlos sen haben, welche Stufen möglich sind für Gastronomie – Au ßengastronomie, Innengastronomie – und Hotels.

Was werden wir erleben? Wir werden heute eine Runde der Ministerpräsidenten erleben, und Baden-Württemberg wird eines der Länder sein, in denen es keinen solchen Plan gibt. Das ist zu wenig.

(Beifall)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, fordern wir seit Wochen einen Stufenplan. Wir brauchen einen Stu

fenplan für Baden-Württemberg, der die Sorgen der Menschen ernst nimmt und der vor allem auch dafür sorgt, dass nicht un nötig Existenzen von Firmen, von Unternehmen, dass aber vor allem auch keine Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt werden.

Deswegen wird es auch diesmal nicht reichen, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, wenn wir im Nachgang zum heu tigen Mittwoch wieder Freitagabend oder Samstagfrüh eine Verordnung bekommen, die ab Montag wirken soll. So kön nen Firmen nicht arbeiten.

(Beifall)

Sie wollen Perspektiven bieten. Wir haben jetzt viel, viel Rhe torik, auch Poesiealbenrhetorik, von Herrn Reinhart und Herrn Schwarz gehört.

(Zuruf: Standard!)

Sie wollen Perspektiven bieten; Sie können das, indem Sie Pläne und Strategien entwickeln.

Ich bleibe beim praktischen Alltag. Die Soforthilfen von Bund und Ländern waren und sind richtig. Aber wir werden in den nächsten Wochen genau hinschauen müssen, wo wir den Men schen durch Öffnungsperspektiven wieder ein Stück weit Nor malität zurückgeben können. Dort muss dann auch die Wirt schaft so schnell wie möglich wieder auf eigenen Beinen ste hen. Aber in den Bereichen, in denen wir auf absehbare Zeit keine Möglichkeit haben werden – Herr Reinhart, ich nehme Ihr Wort „Sofortprogramm II“ auf –, im Bereich der Großver anstaltungen, im Bereich der Kleinbetriebe, der Selbstständi gen, der Solokünstler und Ähnlichen, aber auch in Bereichen wie z. B. dem Messebau müssen weitere staatliche Hilfen möglich sein, wenn wir nicht erleben wollen, dass hier Ar beitsplätze und Firmen kaputtgehen, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall)

Dann muss ich auch ansprechen, dass es falsch und schlecht ist, wenn Firmen über Kammern und IHKs ihre Anträge bei der L-Bank einreichen, die Bearbeitung zwar bei Kammern und IHKs relativ schnell geht, aber dann über Wochen bei der L-Bank keine Anträge bearbeitet werden.

(Zurufe, u. a.: Das stimmt doch nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht, dass durch diese Untätigkeit Unternehmen in die Krise geraten, es geht nicht, dass in diesem Fall Arbeitsplätze gefährdet wer den. Frau Ministerin, kümmern Sie sich um eine solche Pro blematik.

(Beifall)

Ich möchte, wenn wir über Wirtschaftspolitik reden – das pas siert leider allzu selten –, über den zentralen Punkt, nämlich den Erhalt von Arbeitsplätzen sprechen.

(Zuruf)

Die Sichtweise der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist in dieser Situation ebenso wichtig. Wir dürfen nicht nur über die Firmen sprechen und damit die Gewinne und Umsätze

meinen, sondern wir müssen auch das Schicksal der Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer in den Blick nehmen.

(Zuruf)

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat dankenswerterwei se erreicht, dass der Zugang zu Kurzarbeit erleichtert wurde. Das ist enorm wichtig.

(Zuruf)

Über 100 000 Unternehmen in Baden-Württemberg haben in der Zwischenzeit das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Die Alternative können Sie sehen, wenn Sie über den Großen Teich in die USA schauen. In den USA werden im Moment Massenentlassungen vollzogen. Dort sind Menschen arbeitslos, jeder wirtschaftlichen Perspektive beraubt, die in Deutschland in Kurzarbeit wären.

Wir könnten diese Kurzarbeit auch sinnvoll für Weiterbildung und Weiterqualifizierung – nur mal so – nutzen. Wir haben in Baden-Württemberg und in Deutschland die Chance, über die Kurzarbeit qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten und den Menschen eine Perspektive zu geben, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall)

Aber dann, Herr Reinhart, gehört jenseits der Rhetorik auch dazu, dass es in Baden-Württemberg in manchen Städten, viel leicht auch in der Fläche des Landes, schwierig ist, mit nur 60 % des Gehalts über die Runden zu kommen. Die CDU im Bund hat sich leider verweigert. Wir wollten eine Anhebung auf 80 %, und zwar vom ersten Monat an. Die CDU hat dies verhindert.

(Widerspruch)

Sie hat erst ab dem vierten Monat das erhöhte Kurzarbeiter geld möglich gemacht. Das muss man eben auch sagen. Ih nen scheint das Schicksal der Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer nicht so wichtig zu sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall)

Neben dem Thema „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ möchte ich einen zweiten Grundsatz aufwerfen. Wir erleben jetzt und werden es weiter erleben, dass die Wirtschaft nach der öffentlichen Hand ruft. Wir sind auch bereit, entsprechend zu agieren. Aber wenn der Staat in einer nie gekannten Wei se in die Wirtschaft eingreift, um zu helfen, meine sehr geehr ten Damen und Herren, dann ist es auch legitim, dass die Po litik ein Wörtchen mitredet, wenn es um die Frage „Wofür ei gentlich?“ geht.

Es darf nicht sein, dass Firmen, die jetzt Millionen oder gar Milliarden Euro an Hilfen vom Staat in Anspruch nehmen, nachher Dividenden oder Boni für Vorstände auszahlen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall)

Denn das ist der falsche Umgang mit Steuergeld. Wenn wir über eine Kaufprämie für Autos reden, muss eines klar sein: Diese Kaufprämie muss, wenn wir sie beschließen, geeignet

sein, Arbeitsplätze in Deutschland, in Baden-Württemberg zu erhalten, und ist nicht dazu da, Dividenden von Aktionären oder Boni zu sichern.

(Beifall – Zuruf)

Genau deswegen, lieber Herr Reinhart, halten wir es für falsch, dass jetzt versucht wird, angesichts der Krise die Probleme, die unbestritten da sind, mit pauschalen Forderungen nach Steuersenkungen oder pauschalen Geschenken ohne Gegen leistungen zu verbinden. Ich glaube, wir brauchen jetzt eine sehr intelligente Politik, die die begrenzten Mittel, die dem Staat zur Verfügung stehen – das ist Geld des Steuerzahlers –, genau dort hingibt, wo es am dringendsten benötigt wird.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sachverständi gengutachten!)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch klar: Der Markt richtet es im Moment eben nicht allein. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, vor allem brauchen wir einen finanziell handlungsfähigen Staat, der nicht ausge trocknet wird.

(Beifall)

Wir werden auch in der Phase zur Bewältigung der Krise öf fentliche Investitionen und Investitionsanreize für privates Ka pital brauchen. Ein sinnvolles Verständnis von sozialer Markt wirtschaft verbindet nämlich beides: einen handlungsfähigen Staat und privates Kapital.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns die Frage stellen, wie wir diese Krise am besten meis tern können. Wir sollten mit guten und sicheren Arbeitsplät zen und funktionierenden Firmen aus dieser Krise herauskom men. Aber lassen Sie uns die Chance auch nutzen, dass wir nach der Krise nicht da stehen, wo wir vor der Krise standen, nämlich in vielen Bereichen vor großen Umbauprozessen. Wir müssen versuchen, in der Lösung der Krise auch ein Stück weiter in die Zukunft zu kommen. Ich glaube, Baden-Würt temberg als Land der Tüftler und Arbeiter und Denker kann das schaffen.

Herzlichen Dank.