Protocol of the Session on February 5, 2020

Die Überschrift

lautet: „Gesetz zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse“. – Sie stimmen der Überschrift zu.

Wir kommen zur

S c h l u s s a b s t i m m u n g

Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Danke sehr. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz ist einstimmig zugestimmt.

Wir haben jetzt noch über den Entschließungsantrag der Frak tion der FDP/DVP, Drucksache 16/7677, abzustimmen. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Danke. Gegen stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Entschließungsan trag mehrheitlich abgelehnt.

Wir haben Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Brexit-Übergangsgesetzes BW – Drucksache 16/7511

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales – Drucksache 16/7612

Berichterstatter: Abg. Nicolas Fink

Das Präsidium hat hier wieder für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.

(Unruhe)

Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

Zuerst hat das Wort für die Grünen Frau Abg. Saebel. Bitte.

Sehr geehrte Frau Vizeprä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Soeben ging es um Bürokratieabbau. Ich fürchte, mein Thema, der Brexit, bringt uns viele neue bürokratische Herausforderungen. Brexit-Be fürworter bemühen gern die britische Geschichte. Sie sehen sich als tapfere Piraten, als Freibeuter, als eine Handelsnati on, die in die Welt hinauszieht. In der Nacht zum Samstag hat Großbritannien die Segel gesetzt und sich auf große Fahrt raus aus der EU begeben.

Es ist die Erinnerung, die das Selbstbild dieses Landes prägt und politisch bis ins Heute wirkt. Wie sehr die britische Han delspolitik von der Freibeuterei oder von Fair Play geprägt ist, wird sich in den nächsten zehn Monaten in den Verhandlun gen mit der EU zeigen.

Es gibt erste Ideen auf beiden Seiten des Ärmelkanals zu den Wirtschaftsbeziehungen. Am Montag hielt Boris Johnson ei ne Rede vor Geschäftsleuten und Botschaftern. Zeitgleich stellte der EU-Chefunterhändler Barnier die Verhandlungszie le der EU zu einem Freihandelsabkommen vor. Nun, die Ideen könnten unterschiedlicher nicht sein.

Johnson will eine Art Kanada-Abkommen – kaum Zölle, kaum Einfuhrquoten –, sonst gehe es auch ohne Vertrag – so wie mit Australien – auf der Basis der WTO-Regeln. Aller dings verhandelt Australien seit 2018 mit der EU über ein Handelsabkommen. Offenbar wünscht man sich hier Regeln.

Der EU ist es andererseits wichtig, dass es ein Level Playing Field gibt – gleiche Umwelt- und Sozialstandards, keine Steu ervorteile oder Subventionen jenseits des Kanals. Diese Ge sprächsgrundlage hat Johnson im Grunde bereits mit dem Bre xit-Abkommen unterschrieben. Nun will er darüber neu ver handeln.

Die Kommission und die Mitgliedsstaaten der EU stellen sich auf ein hartes Verhandlungsjahr mit Großbritannien ein. John son sieht sich offenbar in der Seefahrertradition von Sir Fran cis Drake. Er will die Wirtschaftsstandards senken, von Fisch fangquoten zum Schutz der Bestände hält er nichts.

Übrigens: Die ersten europäischen Umwelt- und Naturschutz richtlinien wurden Ende der Siebzigerjahre maßgeblich von seinem Vater, dem konservativen Politiker Stanley Johnson, geprägt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Großbritannien hoffte bei Eintritt in die EWG auf wirtschaft lichen Aufstieg. 1974 und 1975 war das Bruttosozialprodukt in Großbritannien zwei Jahre in Folge geschrumpft. Das Haus haltsdefizit lag bei über 5 %. „Goodbye, Britain“, hatte da mals das „Wall Street Journal“ getitelt.

Ein Jahr später verloren die Finanzmärkte das Vertrauen. Die Anleger flüchteten aus dem Pfund Sterling, die Währung stürzte ab. Erst langsam kam Großbritannien aus der Krise. Es ist die Erinnerung, die das Selbstbild dieses Landes prägt und politisch bis heute wirkt.

Genau diese ältere Generation, deren Berufsleben in den Sieb ziger- und Achtzigerjahren geprägt wurde, hat 2016 den Bre xit gewählt. Die Jüngeren waren für „Remain“ – je jünger, umso mehr. Es ist zu hoffen, dass diese jüngere Generation,

die die EU mit ihrer Reisefreiheit und Arbeitsfreizügigkeit, mit ihrer Weltoffenheit und Toleranz kennengelernt hat, in ein paar Jahren den Weg zurück in die EU findet.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir haben doch jetzt schon Reisefreiheit, oder nicht?)

Wir Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger werden die guten Beziehungen zu Großbritannien sicherlich nicht kappen. Die EU ist für uns eine Lehre aus zwei Welt kriegen. Nie wieder Krieg und Zerstörung, stattdessen Aus söhnung mit den Nachbarn, Wiederaufbau und Montanunion und später EWG und Wirtschaftswunder.

Wir haben insbesondere in Baden-Württemberg einen großen Konsens, nämlich, dass mehr Europa eine gute Idee ist. Wir wollen die erfolgreiche Forschungs- und Wirtschaftszusam menarbeit mit Großbritannien nach dem Brexit weiterführen. Unsere grüne Fraktion stimmt daher dem Gesetzentwurf zur Änderung des Brexit-Übergangsgesetzes zu.

(Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn!)

Wir hoffen auf ein Freihandelsabkommen bis zum Ende des Jahres.

Die grüne Fraktion im Europäischen Parlament rief ihren bri tischen Kolleginnen und Kollegen zum Abschied übrigens zu: „We will let the lights on.“ – Wir werden das Licht brennen lassen.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Ich hoffe, dass es hell genug leuchtet und jenseits des Ärmel kanals gesehen wird.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Super, ich dachte, die Grünen sind für Klimaschutz!)

Für die CDU spricht Herr Abg. Kößler.

(Abg. Anton Baron AfD: Heijeijei, der grüne Beitrag, der war spannend, mein Lieber!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vergangene Freitag war natür lich kein schöner Tag. Eine neue Ära in Großbritannien bricht an. Großbritannien will auf den freien Weltmarkt und meint, damit profitieren zu können.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ein wun derschöner Tag!)

Ein schlimmer Tag für Europa.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ein wun derschöner Tag! – Abg. Stefan Räpple AfD: Ein ju belndes Volk!)

Von der Brexit-Euphorie in Großbritannien hat man wenig ge spürt.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Es war eine Euphorie auf den Straßen!)

Es war eher das Gegenteil. Für uns ist ein europäischer Traum zu Ende gegangen, ein europäischer Traum, mit Großbritan nien in Zukunft gemeinsam zu leben.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Die Menschen haben ge jubelt! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Großmachtallüren!)

Dennoch: Unsere Betroffenheit hat auch ihren Grund. Ich ha be hier schon einiges genannt. Aber wir dürfen nicht das Tren nende betonen, sondern müssen das Gemeinsame hervorhe ben. Wir wollen in Zukunft gemeinsam mit Großbritannien in Europa handeln und gut leben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Jetzt steht man auf Augenhöhe, endlich!)

Wir müssen den Fokus auf das Gemeinsame richten. Es ist richtig, was unsere Wirtschaftsministerin schon getan hat:

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das sind Durchhalteparo len!)

Wir wollen eine strategische Wirtschaftszusammenarbeit mit Großbritannien. Die Economic-Partnership-Initiative ist dar um gerade richtig. Sie wird natürlich auch Baden-Württem berg zugutekommen. Wir wollen kooperative Verhandlungen, wir wollen ein gemeinsames europäisches Handelsziel.